ANRUFUNGSSTELLESchlichtung bei Bergschäden

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Oft ist es nicht leicht, die Ursache für einen Riss in der Hauswand festzustellen.

Oft ist es nicht leicht, die Ursache für einen Riss in der Hauswand festzustellen.

Bergheim – Zieht sich ein Riss durchs Haus, ist die Sorge beim Hausherrn groß. Was ist die Ursache? Ist es womöglich ein Bergschaden, entstanden durch Senkungen nach dem Abpumpen des Grundwassers für den Tagebau? Wie lässt sich das feststellen – und wie setze ich meinen Anspruch im Streitfall gegen den Bergbautreibenden durch? Seit Anfang 2011 gibt es nun die „Anrufungsstelle Bergschaden Braunkohle NRW“, angesiedelt bei der Bezirksregierung Köln. Sie schlichtet, kostenfrei für den Antragsteller, wenn sich Hauseigentümer und RWE Power nicht einigen können – und erspart so oft den Weg zum Gericht.

Die bei der Anrufungsstelle behandelten Schadensfälle reichen zurück bis November 2010, insgesamt 77 Anrufungen gibt es bis heute. Davon sind bereits 28 Fälle erledigt – und in 20 Fällen ist dabei Geld von RWE Power an die Antragsteller geflossen. „Da ist schon ordentlich was über die Theke gegangen“, formuliert Gero Debusmann salopp. Der Vorsitzende der Anrufungsstelle nennt einen Durchschnittsbetrag von mehr als 10 000 Euro pro Fall, hinzu kämen noch einige Fälle, in denen RWE Power selbst für eine Reparatur gesorgt habe.

RWE kauft Haus für 400 000 Euro

Nicht mit in den Durchschnittsbetrag eingeflossen ist ein Fall aus Niederzier: RWE Power habe dort einer Familie ein Haus für rund 400 000 Euro abgekauft. „Es war unstrittig, dass das ein Bergschadensfall war“, sagt Debusmann. Insgesamt seien rund 670 000 Euro an Geschädigte gezahlt worden. Die behandelten Fälle spielten vornehmlich in Bergheim, Elsdorf und Niederzier, aber auch in Pulheim und Erftstadt. Die hohe Erfolgsquote aus Sicht der Geschädigten findet Debusmann dabei weniger bemerkenswert. Erstaunlicher sei die doch hohe Zahl von Menschen, die sich an die Anrufungsstelle wendeten: Von 300 Antragstellern pro Jahr, die sich bei RWE Power meldeten, würden rund zehn Prozent später bei der Anrufungsstelle vorstellig. „Die Leute sind nicht zufrieden“, sagt Debusmann.

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In der Hälfte der zu schlichtenden Fälle hat die Anrufungsstelle laut Debusmann auf die Hilfe von Sachverständigen zurückgreifen müssen. „Dabei geht es nicht einfach nur um die Klärung, ob der Tagebau nun für den Schaden verantwortlich ist oder nicht“, sagt Richard Herrmann, Professor für Bauingenieurwesen an der Uni Siegen und einer der Gutachter für Bergschäden. „Die Menschen erwarten eine klare Antwort: Was ist denn nun genau die Ursache für den Schaden an meinem Haus? Was ist da geschehen?“ Um das herauszufinden, lasse er sich nicht unter Zeitdruck setzen.

Torf in Aueböden

Auf Einladung der Anrufungsstelle referierte Herrmann am Dienstagnachmittag im Bergheimer Medio vor Bürgermeistern, Politikern und Vertretern von Berggeschädigtenverbänden. Sein Vorschlag an RWE Power: Das Bergbauunternehmen solle überlegen, wo es sich womöglich lohnen würde, den Grundwasserpegel durch ein gezieltes Wassermanagement hoch zu halten. In Auegebieten etwa, in denen es viele Torfeinschlüsse im Boden gebe, die beim Abpumpen des Grundwassers zerfielen, könnten sich so viele Schäden an Häusern vermeiden lassen.

Dazu passte ein Vortrag von Professorin Sylvia Schnell von der Uni Gießen. Bei Untersuchungen unter anderem in Bedburg stellte sie fest: Kommt der Torf in Auegebieten leicht mit Sauerstoff in Kontakt, zerfällt er schneller. Und finde sich viel Nitrat im Boden, sei das ein Hinweis auf einen hohen Sauerstoffgehalt. Umgekehrt deute ein hohes Vorkommen von beispielsweise Ammonium auf einen niedrigen Sauerstoffgehalt hin. „Mit Wassermanagement kann man großen Einfluss auf solche Böden nehmen“, sagt Schnell. Denn Wasser verhindere den Kontakt des Sauerstoffs mit dem Torf und damit dessen Zerfall.

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