GerichtBlitzer am falschen Ort? Erftstädter fühlt sich abgezockt

Lesezeit 4 Minuten
Mit seinem zweijährigen Sohn Lenn ist Wolfgang Siebert aus Lechenich oft in der Nähe des Sportplatzes unterwegs. Dort seien Tempo-Kontrollen sinnvoll, nicht aber am Rewe-Supermarkt.

Mit seinem zweijährigen Sohn Lenn ist Wolfgang Siebert aus Lechenich oft in der Nähe des Sportplatzes unterwegs. Dort seien Tempo-Kontrollen sinnvoll, nicht aber am Rewe-Supermarkt.

  • Der Erftstädter Wolfgang Siebert weigert sich hartnäckig, ein Knöllchen zu bezahlen, das er sich am Kölner Ring in Lechenich „eingefahren“ hat.
  • Dass Autofahrer dort langsam fahren müssen und auch Kontrollen stattfinden, das begrüßt Siebert ausdrücklich.
  • Was ihn wurmt: Der Kreis blitze nie an den eigentlichen Gefahrenpunkten, sondern immer am Anfang der Straße, in der Nähe des Rewe-Supermarkts.

Erftstadt-Lechenich – Wolfgang Siebert bezeichnet sich selbst als Rebellen. Dass es ihm ums Prinzip geht, daraus macht der 41-Jährige gar keinen Hehl.

„Ich habe überhaupt nichts gegen Geschwindigkeitskontrollen, sie sind sogar notwendig und sinnvoll“, betont der Lechenicher. Trotzdem weigert er sich hartnäckig, ein Knöllchen zu bezahlen, das er sich am Kölner Ring in Lechenich „eingefahren“ hat.

Auf dem Kölner Ring gilt Tempo 30. Unter anderem, weil sich dort das Schulzentrum, ein Kindergarten, Sportanlagen und das Freibad befinden.

Dass Autofahrer dort langsam fahren müssen und auch Kontrollen stattfinden, das begrüßt Siebert ausdrücklich. Er selbst wohnt am Kölner Ring in der Nähe des Sportplatzes. „Wenn ich mit meinem zweijährigen Sohn Lenn auf den engen Bürgersteigen unterwegs bin, ist es schon oft genug zu gefährlichen Situationen gekommen.“

„Kreis blitzt nie an Gefahrenpunkten“

Was ihn wurmt: Der Kreis blitze nie an den eigentlichen Gefahrenpunkten, sondern immer am Anfang der Straße, in der Nähe des Rewe-Supermarkts. „Dabei sind dort so gut wie keine Schüler unterwegs“, hat Siebert beobachtet. Seine Vermutung: Der Kreis nehme die Geschwindigkeitskontrollen dort vor, weil am Beginn der Straße mehr Verkehrsteilnehmer zu schnell unterwegs seien. Geblitzt werde wohl mit Blick auf die Kassenlage und nicht, um Gefahren zu entschärfen.

Der Ärger begann laut Siebert, als seine Mutter mehrfach dort „erwischt“ wurde. „Sie ist heute 78 Jahre alt und eigentlich ein Verkehrshindernis“, sagt der 41-Jährige schmunzelnd. Trotzdem war sie in der Nähe des Supermarkts mit ein paar Stundenkilometern zu schnell unterwegs – mit 36 oder 38, erklärt Siebert. „Damals habe ich mich schon an den Kreis gewandt, aber meine Mutter wollte nie Einspruch einlegen.“

Da kam es Siebert, der als Lehrer in Düren tätig ist, fast schon gelegen, dass im vergangenen Jahr am Beginn des Kölner Rings erneut geblitzt wurde. Dass er absichtlich in die Radarkontrolle gefahren ist, will er nun nicht gerade behaupten.

Geblitzt in den Schulferien

Besonders geärgert hat er sich aber trotzdem nicht, als er dort mit 40 Stundenkilometern geblitzt wurde – ausgerechnet am Pfingstdienstag des vergangenen Jahres, als Schulferien waren. „Das Argument, dass es sich um eine besondere Gefahrenstelle handelt, weil es ein Schulweg ist, zieht also nicht“, sagt Siebert. Gegen den Bußgeldbescheid über 25 Euro hat er Widerspruch eingelegt. Am Mittwoch kommt es darüber nun zu einer Verhandlung am Brühler Amtsgericht.

Schulwege auf Karte nachgezeichnet

Siebert hat sich in die Materie eingearbeitet: „Am Supermarkt ist keine Unfallhäufungsstelle, das hat mir der Kreis selbst bestätigt.“ Das Gymnasium sei über 800 Meter entfernt, zum Kunstrasenplatz, zur Grundschule und zur Kita seien es sogar über 1000 Meter. Siebert: „Von unmittelbarer Nähe kann da wirklich keine Rede sein.“ Die Schulwege der Kinder hat er sogar auf einer Karte nachgezeichnet: „Am Rewe führen sie nicht vorbei.“

Auch Verkehrszählungen und Tempo-Schätzungen hat er für seine Beweisführung vor Gericht vorgenommen, und zwar immer zwischen 10 und 10.30 Uhr. In der Nähe des Supermarktes hat er 191 Fahrzeuge gezählt. „Davon waren schätzungsweise 88 schneller als 40, aber nur fünf schneller als 50.“ In der Nähe des Schulzentrums zählte er im gleichen Zeitraum nur 95 Autos. „Davon waren aber fast 20 mit über 50 Stundenkilometer unterwegs, drei sogar mit über 70.“

Sieberts Verstoß bester Beweis

Im Bergheimer Kreishaus sieht man die Sache anders. „Der Kreis ist sehr frei bei der Auswahl seiner Kontrollstellen“, betont Patrik Klameth, Pressesprecher der Kreisverwaltung. Bei der Blitzerstelle am Supermarkt handele es sich eindeutig um eine Gefahrenstelle, weil dort immer wieder zu schnell gefahren werde. Dafür sei Sieberts eigener Tempo-Verstoß ja der beste Beweis. Klameth: „Nun muss das Gericht entscheiden.“

Ob Wolfgang Siebert in der Verhandlung Chancen hat? Wenn er vor Gericht unterliegt, dann muss er wohl ein Vielfaches des ursprünglichen Bußgelds von 25 Euro zahlen.

Aber auch das nimmt er in Kauf. Siebert: „Ich zahle die Gerichtskosten gerne, wenn der Kreis zum Nachdenken kommt und die Kontrollstelle an einen sinnvolleren Ort verlegt.“

KStA abonnieren