UnterbringungPlatz für 300 Flüchtlinge in der Boelcke-Kaserne

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Das Land NRW will ehemalige Mannschaftsunterkünfte in der Boelcke-Kaserne für Flüchtlinge nutzen.

Das Land NRW will ehemalige Mannschaftsunterkünfte in der Boelcke-Kaserne für Flüchtlinge nutzen.

Bergheim/Kerpen – Sieben leerstehende Gebäude der Boelcke-Kaserne in Kerpen, die noch vor einem Jahr als Mannschaftsunterkünfte für Soldaten dienten, sollen in den kommenden Wochen so hergerichtet werden, dass dort 300 Flüchtlinge untergebracht werden können. Das teilte Bürgermeisterin Marlies Sieburg am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit. Das Land NRW will die Immobilen als Aufnahmelager betreiben. Zuvor muss jedoch ein separater Zufahrtsweg angelegt und der noch von der Bundeswehr genutzte Teil der Kaserne durch einen Zaun gesichert werden.

„Seit Freitag hat sich die Lage mehrfach verändert“, sagt Sieburg. Sie sei zunächst davon ausgegangen, dass der Vorschlag, die Boelcke-Kaserne zu nutzen, der Stadt Kerpen einen gewissen Aufschub und Zeit zum Luftholen verschafft hätte. „Falsch gedacht! Die Bezirksregierung hat uns darüber hinaus aufgefordert, kurzfristig ein Notlager für 150 Flüchtlinge einzurichten.“

Feldbetten aufgestellt

Das ist am Montag im Laufe des Tages geschehen. DRK, Malteser, Feuerwehr und Bedienstete der Stadtverwaltung haben innerhalb von zwei Stunden die Sporthalle am Schulzentrum Horrem-Sindorf mit Feldbetten eingerichtet, für Kinderbetreuung gesorgt und Essen bereitgestellt. Am Montagabend sind die ersten 25?Flüchtlinge eingetroffen, weitere rund 120 folgten am Dienstag im Laufe des Tages. Es handele sich um eine reine Notaufnahme, um Obdachlosigkeit zu vermeiden, betonte Sieburg.

Die Stadt stoße allmählich an ihre Grenzen, sagt der Beigeordnete Dieter Spürck. „Zurzeit wird auf allen Ebenen improvisiert. Wir brauchen dringend ein geordnetes Einwanderungsgesetz und viel schnellere Asylverfahren.“

Sieburg rechnet damit, dass bald auch die Städte mit einer Größenordnung von 50.000 Einwohnern im Rhein-Erft-Kreis Notunterkünfte einrichten müssen. „Bei den Verhandlungen mit der Bezirksregierung ist innerhalb weniger Stunden die Zahl der monatlich in NRW ankommenden Flüchtlinge von 5000 auf mehr als 6000 korrigiert worden. Ohne weitere Notlager wird es nicht gehen.“

Lesen Sie im kommenden Abschnitt, wie der erste Tag in der Dreifachturnhalle in Bergheim verlaufen ist. Seit Montag haben 141 Asylbewerber hier eine Unterkunft gefunden.

Erste Gesundheitsuntersuchungen haben begonnen

„Die Nacht verlief ruhig“, ist das Fazit von Ordnungs-Fachbereichsleiter Wolfgang Sevenich am Tag eins nach der Ankunft der 141 Asylbewerber, die vorläufig in der Dreifachturnhalle des Bergheimer Gutenberggymnasiums untergebracht worden sind. Es habe keine Vorkommnisse gegeben. Jetzt müssen Gesundheitsuntersuchungen organisiert werden, da diese im Dortmunder Erstaufnahmelager noch nicht vorgenommen worden waren.

Die Flüchtlinge kommen aus den Balkanländern, aus Syrien, dem Irak, Iran, aus Afghanistan, von der Elfenbeinküste und eine Person aus China. 19 Kinder bis sechs Jahre und 23 Kinder bis 15 Jahre sind unter ihnen. „Eine schwangere Frau hat die Nacht vorsorglich im Maria-Hilf-Krankenhaus (MHK) verbracht, ein Kind hat Fieber und wird von einem Kinderarzt behandelt“, berichtet Sevenich. Die übrigen seien augenscheinlich wohlauf.

Bälle am Tor abgegeben

In einem Spielzelt sorgen Mitarbeiter der Jugendhilfe und von Kitas für Beschäftigung der Kinder. Ein Discounter hat ein paar Bälle am Tor abgegeben, die dankbar angenommen wurden. Sevenich weiß von vielen positiven Reaktionen. So würden laufend Spenden und Hilfe, zum Beispiel bei der Essensausgabe, angeboten.

Für heute wurde der Kreisstadt die Zuweisung von zehn weiteren Asylbewerbern angekündigt. Zurzeit gebe es Gespräche, ob das MHD seine Hilfsdienste vor Ort über den heutigen Tag hinaus verlängert. Sonst stehen Feuerwehrleute und Stadtbedienstete zur Übernahme der Arbeiten im Sanitätsbereich und der Essensausgabe bereit. Mit Beginn der Schule in zwei Wochen könnte laut Sevenich der Caterer, der das Essen fürs Gymnasium liefert, die Verpflegung übernehmen. Die Verwaltung geht offenbar davon aus, dass das Übergangslager nicht nur kurzfristig genutzt werden wird.

Auf der kommenden Seite berichtet ein Flüchtling, warum er nach Deutschland gekommen ist.

27-Jähriger würde später gern als Lehrer arbeiten

Wo kommen Sie her und warum haben Sie Ihr Land verlassen?

Chalid B.: (antwortet auf Englisch) Ich bin aus dem Irak geflohen. Da habe ich bis zuletzt als Lehrer gearbeitet. Als Jeside habe ich große Angst vor den Gewalttaten der IS. Ich konnte in meiner Heimat mit der Angst nicht länger leben.

Wie sind Sie in Bergheim aufgenommen worden?

Chalid B.: Die Menschen hier sind alle sehr freundlich und hilfsbereit. In der Turnhalle, in der unsere Betten stehen, war es in der Nacht ein wenig laut und mir auch ein wenig kalt. Die Betreuung und das Essen sind gut.

Was erwarten Sie für die Zukunft?

Chalid B.: Niemand weiß, wie lange wir hier bleiben werden. Vielleicht zwei Tage oder zwei Jahre. Ich würde gerne in Deutschland bleiben, die Sprache lernen und mir danach eine Schule suchen, die mich als Lehrer arbeiten lässt. Ich spreche Kurdisch, Arabisch und Englisch.

Das Gespräch führte Dietmar Fratz

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