RechtsstreitSo steht es um das Möbelhaus Segmüller in Pulheim

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Im Gewerbegebiet Zum Schwefelberg soll das Möbelhaus Kunden locken.

Im Gewerbegebiet Zum Schwefelberg soll das Möbelhaus Kunden locken.

Pulheim.Köln – Es ist ein beachtliches Investment für die Region. Rund 150 Millionen Euro will das süddeutsche Familienunternehmen Segmüller in sein erstes Möbelhaus nördlich  der Mainlinie in Pulheim investieren. Der Bau ging gut voran, im Dezember sollte eröffnet werden. 400 neue Jobs will Segmüller  schaffen  und besonders Langzeitarbeitslose und ältere Mitarbeiter berücksichtigen. Doch jetzt hat das Verwaltungsgericht die Baugenehmigung durch die Stadt Pulheim für rechtswidrig erklärt.

Droht jetzt ein Baustopp oder im schlimmsten Fall ein Abriss? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wie kam es zu dem Rechtsstreit und worum geht es wirklich?

Der Streit schwelt schon länger und hat bereits mehrerer Gerichte beschäftigt. Die Städte Leverkusen und Bergheim hatten geklagt, weil sie ihren Einzelhandel  durch das  Möbelhaus, das ursprünglich einmal 45 000 Quadratmeter messen sollte, bedroht sehen. Im Kern geht es dabei nicht primär um Möbel, sondern um sogenannte zentrumsrelevante Produkte. Denn Möbelhäuser dürfen zehn Prozent ihrer Fläche für den Verkauf solcher Produkte bereitstellen.  Dazu gehören solche Dinge wie  Deko-Artikel oder Lampen.  „Je größer ein Möbelhaus also ist, desto stärker tritt es in Konkurrenz mit dem Einzelhandel in den Innenstädten, der ähnliches anbietet“, sagte Jörg Hamel vom Handelsverband  Aachen Düren Köln. Hinzu kommt noch, dass beide Städte mit Ostermann und Hausmann selbst große Möbelhäuser in ihrem Beritt haben. Beide Städte betonen, dass es nicht darum ging, das Möbelhaus Segmüller zu verhindern, sondern die Größe zu begrenzen. Aber selbst bei einer Begrenzung hat Bergheim Zweifel, ob nicht später doch noch erweitert wird.

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Warum hat das Verwaltungsgericht jetzt die Baugenehmigung kassiert?

Die Stadt Pulheim hat schließlich eine Baugenehmigung für eine  kleinere Variante erteilt mit  nunmehr 30 000 Quadratmetern Verkaufsfläche, davon sind 1500 für zentrenrelevante Artikel vorgesehen. Aber  großflächige Einzelhandelsbetriebe wie das Möbelhaus brauchen immer eine spezifische Planung als sogenanntes Sondergebiet. Diese liege nach Einschätzung der Kölner Richter nicht vor.  Zwar habe der  Bebauungsplan ein solches Sondergebiet vorgesehen. Dieser Plan sei aber – wie bereits vom Oberverwaltungsgericht Münster  entschieden – als unwirksam anzusehen. Noch zuletzt, in der Verhandlung im September, hatte das OVG von einem erheblichen Abwägungsmangel gesprochen. Es hatte erklärt, dass die Auswirkungen auf die beiden Städte und deren  Versorgungsbereiche durch die Ansiedlung des Einrichtungshauses nicht in der rechtlich erforderlichen Weise ermittelt worden sei und dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Bergheimer Innenstadt eingeschränkt würden.

Wie bewertet Segmüller  die Situation  und warum  wurde schon mit dem Bau begonnen?

„Die Entscheidung des Gerichts hat uns total überrascht. Bei Baubeginn sind wir von der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans und der Baugenehmigung ausgegangen“, sagt Reinhold Gütebier, Gesamtvertriebsleiter und Sprecher der Segmüller-Geschäftsführung. Obwohl eine abschließende gerichtliche Klärung noch aus stand, entschied sich das Unternehmen Ende 2015 mit den Bauarbeiten zu beginnen. Auf eigenes Risiko.

Auf der nächsten Seite: Fragen nach der Baustelle, den Mitarbeitern, der rechtlichen Seite, den Kosten und ähnlichen Fällen in der Vergangenheit.

Wie geschieht nun auf der  Baustelle?

Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes Köln kommen einem Baustopp gleich. Eine Gerichtssprecherin hatte erklärt, dass die Firma Segmüller im Prinzip nicht weiterbauen dürfe. Den Baustopp muss aber die Kommune verhängen. Das sei eine Ermessensfrage und derzeit nicht vorgesehen, sagte ein Sprecher. Es wird also weiter gebaut.

Was geschieht nun mit den  Mitarbeitern, die im Dezember anfangen sollte?

Insgesamt 650 Personen in Voll- und Teilzeit hat das Unternehmen eingestellt und geschult. Darunter sind viele, die arbeitslos oder langzeitarbeitslos waren und auch viele ältere Arbeitnehmer. In der Belegschaft ist die Sorge groß, wie es weitergeht. „Zum jetzigen Zeitpunkt fließt unsere gesamte Energie in den Erhalt der Arbeitsplätze und der Absicherung der Existenz unserer Mitarbeiter“, sagt Segmüller-Sprecher Gütebier.

Wie geht es rechtlich weiter?

Die Stadtverwaltung Pulheim will jetzt  nach Aussage eines Sprechers beim Oberverwaltungsgericht Münster Beschwerde gegen die Kölner Entscheidung einlegen, damit Segmüller   eröffnen kann.

Wer trägt die Kosten, die durch den Gerichtsstreit und mögliche Verzögerungen bei der Eröffnung entstehen?

Da die Stadt Pulheim die Beklagte ist, trägt sie die Kosten für die Gerichtsverfahren. Die Frage nach möglichen Regressansprüchen ist derzeit noch offen. „Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich für uns keine Frage einer Schuldzuweisung. Sämtliche Verfahrensschritte sind im engen Schulterschluss zwischen uns und der Stadt Pulheim getroffen worden, so dass sich für uns jetzt auch keine Frage einer Schadenersatzforderung stellt“, sagt Segmüller-Sprecher Gütebier.

Gab es in der Vergangenheit in der Region vergleichbare Klagen gegen Möbelhaus-Bauten?

André Frederick Kunz, Geschäftsführer beim Bundesverband des Deutschen Möbel-, Küchen- und Einzelhandels nennt den Pulheimer Fall  „außergewöhnlich“. Vergleichbare Fälle bei Möbelhäusern sind auch Jörg Hamel vom Handelsverband  nicht bekannt.  Bei anderen Projekten, etwa Mode-Outlets, hätte es in der Vergangenheit Klagen gegeben. „Es herrscht  aber ein starker Wettbewerb zwischen den Möbelhändlern, die nur existieren können, wenn sie ein großes Einzugsgebiet erfassen“, so  Hamel. Kleinere Möbelhäuser müssten sich stark  spezialisieren, etwa auf extrem hochwertige Einrichtungen, um  weiter zu existieren. „Dass andere Städte ihren Standort in Gefahr sehen, sei bei einer  so großen Neuansiedlung  verständlich, sagt Hamel. Für die Kunden sei die größere Auswahl jedoch eine Bereicherung.

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