Ernst-Moritz-Arndt-Haus in BonnSonderausstellung zum „Mord in Bonn vor 150 Jahren“

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Drei Studenten vom Bonner Corps „Borussia“ – in der Mitte der spätere „Totschläger“ Wendt Botho Graf von Eulenburg – bereiten eine süffige Punsch-Bowle (Ausschnitt aus einem historischen Druck mit Szenen aus dem Corpsleben der Borussen).

Drei Studenten vom Bonner Corps „Borussia“ – in der Mitte der spätere „Totschläger“ Wendt Botho Graf von Eulenburg – bereiten eine süffige Punsch-Bowle (Ausschnitt aus einem historischen Druck mit Szenen aus dem Corpsleben der Borussen).

Bonn – Da befindet sich ein beschwipster Koch aus dem Elsass namens Daniel Eugen Ott in der Nacht vom 4. auf den 5. August 1865 zusammen mit Freunden auf dem Weg nach Hause und stößt am heutigen Kaiserplatz auf eine Gruppe gleichfalls angetrunkener Verbindungsstudenten vom hochadligen Corps „Borussia“, unter ihnen der 19-jährige Jurastudent und Soldat Wendt Botho Graf zu Eulenburg.

Ott und seine Kumpanen stimmen vaterländische Lieder mit einem Touch der 48er-Revolution an. Das missfällt den stockreaktionären preußischen Corpsstudenten. Graf Eulenburg stellt sich Ott in den Weg, und dieser ruft patzig aus: „Was wollt ihr verdammten Burschen eigentlich?“ Hui, das hätte er nicht sagen dürfen: einen „Borussen“ mit einem Dutzend „von“ und „zu“ im Namen mit einem bürgerlich-proletarischen Burschenschaftler zu vergleichen. „Wart’, dieser Canaille werd’ ich’s zeigen“, mag sich der junge Graf zu Eulenburg gedacht haben, er zog seinen Säbel und stach Daniel Eugen Ott nieder, der wenig später verblutete.

Diplomatische Verwicklungen

Solch eine Räuberpistole wäre heutzutage lediglich ein Aufmacher in einer Lokalzeitung, vor 150 Jahren aber rauschte es von Berlin über Paris bis nach London und New York im Blätterwald. Es war ein Skandal erster Güte, der 88 Aktenseiten im Preußischen Staatsarchiv füllen sollte und zu ernsten diplomatischen Verwicklungen zwischen Berlin, Paris und London führte.

Über das Wie und Warum informiert nun eine interessante Ausstellung im Ernst-Moritz-Arndt-Haus, der Dependance des Bonner Stadtmuseums, mit zahlreichen Original-Dokumenten. Titel: „Mord in Bonn vor 150 Jahren – der Koch, die Könige und der letzte deutsche Sommer vor Bismarck“. Die Ausstellung hat Stadtmuseums-Direktorin Ingrid Bodsch gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler, Universitätslektor und Schriftsteller James Hawes konzipiert. Sie basiert auf Hawes 2014 veröffentlichtem Sachbuch „Englanders and Huns: How Five Decades of Enmity Led to the First World War“, das auf einer englischen Shortlist der Rubrik „Bestes Sachbuch“ geführt wird. Es wäre natürlich nie zu einem solchen Skandal gekommen, wenn Ott nur in einer bönnschen Rievkooche-Bud’ tätig gewesen wäre. War er aber nicht: Daniel Eugen Ott war Privatkoch Seiner Königlichen Hoheit Prinz Alfred von Coburg, Sohn der britischen Königin Victoria. Prinz Alfred studierte damals in Bonn. Der junge Engländer war von den Kochkünsten des jungen Elsässes dermaßen angetan, dass er seine Mutter bat, Ott zum Hofkoch der Coburger Residenz zu ernennen, was diese auch gerne tat. Das war auch der Grund, warum sich Ott im Wirtshaus Wolter vor Freude einen hinter die Binde gegossen hatte.

Und es wäre auch nicht zum Skandal gekommen, wenn Wendt Botho Graf zu Eulenburg der Schwere seiner Tat gemäß rechtskräftig verurteilt worden wäre. Wurde er aber nicht, seine Familie genoss beste Beziehungen zum preußischen Hof und der Regierung in Berlin. Der junge Graf sagte aus, er habe nur seine Standesehre verteidigt und kam mit neun Monaten Festungshaft davon, von denen er nur drei Monate absitzen musste und danach voll rehabilitiert wurde und weiter studierte.

Dieser Umstand sorgte für Empörung in England, Königin Victoria war zornig und beklagte sich brieflich wie mündlich über das „infame Verhalten Preußens“. Französische Zeitungen waren empört, dass ein preußischer „Boche“ einen französischen Staatsbürger gemeuchelt hatte.

Junker ersetzt deutschen Michel

Dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck kam diese Affäre wenig gelegen, befand sich Preußen nach dem Dänischen Krieg 1864 und dem bald folgenden Krieg gegen Österreich 1866 in Europa psychologisch in der Defensive. Beim Gang durch die Ausstellung wird klar, dass Preußen (und später das deutsche Reich) seit dem Bonner Mord vom August 1865 auf 80 Jahre „verschissen“ hatte. Der deutsche Michel des „Landes der Dichter und Denker“ wurde binnen weniger Wochen von London bis New York und Australien durch das Bild des säbelrasselnden preußischen Junkers ersetzt.

Die Sonderausstellung im Arndt-Haus (Adenauerallee 79) ist bis 16. August mittwochs bis samstags von 13 bis 17 Uhr geöffnet, dienstags in der Zeit von von 11.30 bis 17 Uhr; weitere Informationen gibt es im Internet.

www.bonn.de/@stadtmuseum

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