Nach Tod von NiklasHundertschaft und Hundestaffel in Bonn-Bad Godesberg

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Der Tatort in Bad Godesberg

Der Tatort in Bad Godesberg

Bonn-Bad Godesberg – An dem Rondell Ecke Rheinallee in Bonn-Bad Godesberg, an dem Niklas P. nach dem Feiern in der Nacht zum 7. Mai zu Tode geprügelt wurde, stehen noch immer Dutzende Kerzen, Briefe, Bilder und ein Holzkreuz mit dem Namen des Opfers in schwarzer Schrift. Gegenüber, am Kiosk Rheinallee, sitzen zwei Schüler, die Niklas vom Sehen kannten, aber auch Walid S., den Hauptverdächtigen, der den regungslos am Boden liegenden 17-Jährigen mit einem wuchtigen Tritt aus dem Leben befördert haben soll. „Es ist furchtbar, was passiert ist. Aber ich glaube nicht, dass Walid ein Unmensch ist, dass er ihn absichtlich totgeprügelt hat“, sagt Lukas Wiega. „Prügeleien gibt es hier andauernd, das Besondere ist jetzt, dass einer tot ist. “

Polizeipräsidium, 3. Etage, Besprechungsraum: Die Polizei hat zum Pressegespräch geladen und ein neues „Präsenz- und Interventionskonzept“ vorgestellt. Konsequenzen aus dem Tod von Niklas P.: mehr Polizisten, mehr Kontrollen, zwei Jugendkontaktbeamte, eine Hundertschaft, eine Hundestaffel, Streifen zu Fuß und auf dem Rad. Null Toleranz, auch bei kleinsten Vergehen. 25 Euro fürs Zigarette wegwerfen, kassiert wird sofort. „Nadelstiche, aber auch die tun weh“, sagt der Leiter der Wache Bad Godesberg und freut sich über erste Erfolge.

Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU), der nach der Prügelattacke einen Runden Tisch ins Leben gerufen hatte, ist überzeugt, dass das „Modell Repression und Prävention“ der richtige Weg ist. „Die Menschen in Bad Godesberg fühlen sich nicht sicher. Das müssen wir ernst nehmen. Es gab in den letzten Monaten vermehrt solche Übergriffe.“ Der Tod von Niklas habe ihn zutiefst erschüttert. „Ich habe selbst Kinder in diesem Alter, die abends in Bad Godesberg unterwegs sind.“

Fünf Tage kämpfen die Ärzte auf der Intensivstation um das Leben von Niklas P. Am 12. Mai stirbt der 17-Jährige an seinen schweren Kopfverletzungen.

Inzwischen sitzen zwei Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Walid S. bestreitet die Tat, hat sich in seinen Vernehmungen aber in Widersprüche verstrickt. Der andere, ein Deutsch-Russe mit Kampferfahrung in einem Boxclub, wurde jetzt festgenommen. Er schweigt, ein dritter Verdächtiger wird noch gesucht.

Der Tod von Niklas P. ist längst zum Politikum gewachsen. Seitdem wird in Bad Godesberg über mangelnde Sicherheit und fehlgeschlagene Integration debattiert. Denn Walid S. hat Wurzeln im Maghreb. Es ist die Region in Nordafrika, aus der auch die meisten Täter der Kölner Silvesternacht stammen. Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) geriet erneut schwer unter Beschuss. Unter Hochdruck fahndeten die Beamten nach dem Trio. In Tatortnähe verteilten sie mehr als 1000 Flugblätter auf Deutsch, Arabisch und Türkisch. Allein – eine nennenswerte Spur ergab sich nicht.

Die Festnahme von Walid S., einem Marokkaner mit italienischem Pass, haben die Ermittler nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ einem Freund des Opfers zu verdanken. Er hatte die sozialen Netzwerke nach auffälligen Einträgen einschlägiger Cliquen aus dem Stadtteil durchforstet und wurde fündig. Die drei Verdächtigen wurden verhört, allerdings hatten zwei von ihnen ein Alibi. Nur Walid S. blieb übrig. Sein Vorstrafenregister: Mehrere Gewaltdelikte, allein zwei kurz vor Niklas’ Tod. Stundenlang verhörten die Ermittler den 20-Jährigen. Er behauptete, zur Tatzeit mit Kumpels an einer Tankstelle in der Nähe des Tatorts Zigaretten und Mixgetränke gekauft zu haben. Ein Kassenzettel belegt, dass S. tatsächlich dort war, nach Informationen des Magazin „Focus" allerdings erst nach 1 Uhr, also deutlich nach der Tat.

Inzwischen haben die Ermittler eine Jacke in der Wohnung von S. gefunden. An ihr klebt das Blut von Niklas. Auch um das Fundstück gibt es Verwirrung. S. nämlich behauptet, sich die Jacke nur geliehen zu haben. Der Besitzer der Jacke, der wegen eines anderen Delikts in U-Haft sitzt, wiederum sagte aus, er habe die Jacke zwar verliehen, aber nicht an S., sondern an einen anderen Freund. Dieser wurde von der Polizei einvernommen, anschließend aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Schüler Lukas Wiega zieht an einer Zigarette und blickt zu den Kerzen auf dem Rondell. „Wir gucken immer noch hin, aber nicht mehr so häufig. Die Erinnerung verblasst.“

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