Viktoria-Säule in SiegburgLasst das Mädel, wie es ist

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Die Viktoria-Säule auf dem Markt in Siegburg

Die Viktoria-Säule auf dem Markt in Siegburg

Siegburg – Viktoria ist nicht bei allen beliebt. Noch Ende der 80er-Jahre hatte die SPD die ewig junge Dame von der Säule auf dem Markt zur Bescheidenheit gemahnt, in den 50er-Jahren wollten die Genossen sie sogar aus Siegburg vertreiben. Viktoria ist geblieben. Und heute sind sich wohl alle einig, dass sie irgendwie dazu gehört. Sie soll aber einfach hübsch sein und ansonsten die Klappe halten.

Diese Bescheidenheit indes, so findet ein Rentner aus der Kreisstadt, passe nicht recht zu Viktoria, der siegreichen. Seine Idee: Der engelsgleiche Körper der steinernen Lady soll mit Blattgold überzogen werden. Und bezahlen würde der Ideengeber es aus eigener Tasche. Denn, so argumentiert der spendenwillige Senior: In Berlin strahlt die Viktoria ja auch golden.

Das stimmt. Und stimmt auch wieder nicht. Denn unsere, die Siegburger Viktoria, ist nicht jener namensgleichen Schönen von der Berliner Siegessäule nachempfunden, die tatsächlich gülden strahlt. Unsere, die Siegburger Viktoria, ist eine Kopie der Viktoria vom Mehringplatz in Berlin-Kreuzberg. Die Kreuzberger 1800-Kilo-Schönheit wurde im Jahr 1843 in den Erinnerungsbetrieb genommen. Im Jahr 1877 kam ihr Abguss in Siegburg zu Stehen. Der kameradschaftliche Verein hatte dafür gesammelt. Weder die Kreuzberger, noch die Siegburger Viktoria sind vergoldet. Die Kreuzberger Viktoria wurde 2006 sogar entfernt.

Denn darunter musste die U-Bahn saniert werden. Die Siegburger Viktoria hätte noch nicht einmal für ein ECE-Einkaufscenter weichen müssen. Sie soll genau so bleiben, wie sie ist. Bürgermeister Franz Huhn zeigt Resistenz gegen die Verlockungen vergoldeter Anmut, indem er sagt: „Wir wollen das Denkmal so bescheiden lassen, wie es ist.“ Kein Blattgold also für Siegburgs höchste Schönheit. Sonst hätte es doch nur wieder eine Diskussion um die schweigsame Kühle gegeben: Steht sie nun für den Krieg oder für den Frieden? Die Viktoria ist ein Denkmal, das der männlichen Fantasie entsprungen ist. Noch heute wird Krieg von Kriegstreibern gerne als sexy verkauft. Die im Paradies wartenden 72 Jungfrauen lassen grüßen.

Vorsicht ist also dem Manne geboten, der sich Viktoria nähert. Strahlte sie nun gülden in der Abendsonne (als Journalist kennt man die Morgensonne nur vom Hörensagen), wer wollte garantieren, dass sie nicht wieder ihren verführerischen Glanz in die arglosen Seelen tatkräftiger junger Männer würfe?

Nein, lasst das Mädel, wie es ist und wo es ist. Und sagt den Tauben der Stadt, sie mögen sie von mir grüßen.

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