Rubens und seine Vermarktung

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Diese Computer-Collage zeigt die Ähnlichkeit zwischen der Rubens-Zeichnung und der Badalocchio-Radierung.

Diese Computer-Collage zeigt die Ähnlichkeit zwischen der Rubens-Zeichnung und der Badalocchio-Radierung.

Die Forschungsarbeit an den Zeichnungen, die Rubens während seines Aufenthalts in Rom Anfang des 17. Jahrhunderts machte, geht am WRM weiter.

Das Rubens-Kolloquium, zu dem, auf Anregung des Leiters der Graphischen Sammlung am Wallraf-Richartz-Museum, Uwe Westfehling, die Direktoren des WRM, Rainer Budde, und des Antwerpener „Rubenianums“, Hans Vlieghe, nach Köln eingeladen hatten, ließ mehrere Glanzlichter über dem Kölner Museum aufscheinen: Zum einen stellte keiner der als Referenten eingeladenen Wissenschaftler und Rubens-Experten die Zuschreibung der drei Zeichnungen nach römischen Antiken-Skulpturen an Rubens in Frage. Damit folgten sie der Analyse von Westfehling, der die im WRM-Depot gefundenen drei etwa 40 x 50 cm großen Blätter nach eingehenden Vergleichen, nach kunsthistorischen und naturwissenschaftlichen Analysen Peter Paul Rubens zugeschrieben hatte. Ein „Laokoon“ und zwei aus unterschiedlicher Perspektive gesehene „Kentauren“ bereichern, jetzt auch von internationalen Spezialisten anerkannt, als Rubens-Werke das WRM.

Zum anderen gewährte Westfehling einen Blick in die Argumentations-Werkstatt. In einem zusätzlichen Referat legte er dar, wie er die Forschung rund um Rubens' Antiken-Zeichnungen weiter betreiben möchte. Und das beinhaltet die eigentliche Neuigkeit, denn an der „Eigenhändigkeit“, wie die Wissenschaftler es nennen, der drei Kölner Zeichnungen bestand nach Westfehlings detaillierter Beweisführung in Band 62 des Wallraf-Richartz-Jahrbuchs von vornherein kaum ein Zweifel. Die fortgesetzte Forschung könnte vor allem bei der Datierung der Blätter hilfreich sein, eine Frage, die vor allem auch die Verfasserin des Rubens-Werkverzeichnisses, Marjon van der Meulen, während des Kolloquiums beschäftigt hatte.

Objekte der neuen Forschung ist eine von Rubens' „Laokoon“-Zeichnungen aus der Ambrosiana in Mailand und eine Radierung von Sisto Badalocchio, die im vergangenen Jahr bei Lempertz ersteigert wurden und sich nun als Dauerleihgabe des Fördervereins im WRM befinden. Die Radierung zeigt Laokoon und seine Söhne aus derselben Perspektive wie die Mailänder Rubens-Zeichnung - nur seitenverkehrt. Mit digitalen Mitteln wurde die Radierung gekontert.

Die Team-Leistung im WRM war bereits bei den Untersuchungen der drei Depot-Blätter von großer Bedeutung: Karl-Heinz Schultz und Olaf Mextorf als wachsame Geister im Depot, Thomas Klinke als Papier-Restaurator und eben die technischen Hilfeleistungen von Tobias Nagel, der mit seinen Computer-Collagen künstlerisch vorstellbare und historisch mögliche Vergleiche sichtbar macht.

Im Vergleich unterscheiden sich die Rubens-Zeichnung und die Badalocchio-Radierung an drei Stellen: Die Hand des Laokoon-Sohns rechts ist anders platziert, Laokoon selbst ist bei Badalocchio athletischer als Rubens' eher stämmiger Held, und sein Kopf liegt auf der Radierung mehr im Nacken. Nun ist die Mailänder Zeichnung aus zwei Blättern zusammengesetzt, und der Unterschied in der Handhaltung befindet sich exakt an der Schnittstelle. Wenn man die gekonterte und in ihrer Größe angepasste Radierung über die Zeichnung projiziert, dann relativiert sich der Unterschied. Dass Badalocchio den flämischen Bauch des Laokoon wieder auf das Maß des antiken Skulpturen-Vorbilds reduzierte, kann man verstehen. Und der weiter in den Nacken gelegte Kopf könnte auf ein - damals beliebtes - Spiel mit Versatzstücken zurückzuführen sein: Auf der Rückseite eines Zeichnungsblattes, das auf der Vorderseite den Bau des Tempels von Jerusalem nach einem Gemälde aus den Loggien des Vatikans darstellt (auch ein Motiv das Badalocchio in Kupfer radiert hat!), ist schemenhaft eine Rötelzeichnung zu sehen: mit einem in den Nacken gelegten Laokoon-Kopf. Insgesamt sind die Ähnlichkeiten zwischen der Zeichnung und der Radierung so groß, dass Westfehling davon ausgehen möchte, die Entstehung der Radierung nach der Zeichnung zu sehen. Beide Arbeiten sind aus dem selben Blickwinkel angelegt, und zum Beispiel ist Laokoons rechte Hand von Rubens nur angedeutet worden - und genau so ist es auf dem Laokoon-Stich von Badalocchio.

Da die Radierung mit 1606 datiert ist, kann man annehmen, dass Rubens' Zeichnung vorher entstand, also, wie Westfehling annimmt, bei dessen Italienaufenthalt zwischen 1600 und 1608. Zudem gibt es Zeugnisse, die belegen, dass Rubens bereits während seiner Rom-Reise daran gedacht hatte, seine Zeichnungen nach römischen Antiken vervielfältigen zu lassen - wie damals üblich durch Radierungen, Stiche etc. Schließlich gehörten schon damals Roms Antiken zu den touristischen Attraktionen, speziell der Laokoon und auch der Kentaur.

Man darf also gespannt auf weitere Forschungsergebnisse im WRM warten. Die bekommen einen neuen Impuls, wenn im Frühjahr 2003 die Restaurierungsarbeiten an den Mailänder Zeichnungen abgeschlossen sein werden. Eigens um die Kölner Untersuchungen zu unterstützen, wollen die Italiener diese Blätter von ihren Trägern ablösen - auch um nach Wasserzeichen des benutzten Papiers zu suchen. Die gehörten in der Kölner Beweisführung für die drei Depot-Funde nämlich zu den „Kronzeugen“.

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