Sex im Autokino gibt's nicht mehr

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Autokino ist Kult: Buddy mit seinem Chevrolet Caprice in Porz.

Autokino ist Kult: Buddy mit seinem Chevrolet Caprice in Porz.

Mit stoischer Ruhe sitzt Heinz Schmidt vor der Snackbar des „Drive In Autokino“ in Köln-Porz und trinkt seinen Kaffee. Heinz Schmidt ist hier der Filmvorführer, seit mittlerweile 35 Jahren macht er den Job nun schon, „mit Leidenschaft“, wie er sagt.

Angefangen hat Heinz Schmidt damals als Servicewagenfahrer: Würstchen, Getränke und Eis verkaufen. Nebenbei hat der gelernte Elektriker die Maschinen gewartet. „Nach einem Jahr kam der Chef und fragte, ob ich das ganz machen wollte“, erinnert er sich. Und so wurde Schmidt professioneller Filmvorführer.

Die Zeiten haben sich geändert seitdem. Servicewagen, die den Gästen auf Knopfdruck Essen und Trinken brachten, gibt es nicht mehr, und auch die Lautsprecher hängen heute nur noch trostlos an ihren Säulen, längst sind sie vom Autoradio verdrängt worden.

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Früher da konnten die Besucher an ihrer Säule einen Schalter betätigen. Ein grünes Lämpchen leuchtete auf, das Zeichen für die Servicewagen. Vor, nach und während des Films bedienten sie die Gäste. „Damals waren wir mit drei bis vier Leuten unterwegs, der Service wurde gut angenommen, obwohl wir einen Groschen teurer waren als drinnen“, erinnert sich Schmidt. Heute gibt es nur noch während der Pause in der Snackbar einen kleinen Imbiss. Dort arbeitet Daniel Kleiber. Für den 22-jährigen Studenten ist es ein guter Nebenverdienst. Ins normale Kino geht er selten, „wieso auch, hier kommen doch auch alle aktuellen Filme“, sagt er.

Nicht so wie früher, da hatten die großen Kinos Vorspielrecht. „Die neuen Filme mussten wir damals erst beantragen, das war alles nicht so einfach“, sagt Schmidt. Damals, Anfang der 70er gab es noch 18 Autokinos in Deutschland, heute sind es gerade mal fünf.

Die Lautsprecher sind nur noch für Exoten ohne Autoradio oder Pechvögel mit abgebrochener Antenne. „Filmton über ihr Autoradio Frequenz UKW 90,5“, flimmert es von der 580 Quadratmeter großen Leinwand. „Da kann man ein Häuschen mit Garten drauf stellen“, sagt Schmidt mit einem Lachen. In den Anfängen boomte das Autokino, da kamen 1200 Besucher zur Vorstellung. „An den stillen Feiertagen, wie Karfreitag, waren wir ausverkauft, da war die Hölle los. Obwohl wir Filme wie »Die Zehn Gebote« oder »Judas« zeigen mussten, weil der Pfarrer es so wollte“, schaut Schmidt zurück, „damals hatte ja noch jeder was zu sagen“. 600 Autos kamen früher an einem Abend. Da musste schon mal die Polizei ausrücken, um den Verkehr zu regeln: „Eine Viertelstunde vor Filmende haben wir die Polizei angerufen, und die haben sich dann mit dem Megaphon an den Ausgang gestellt und für Ordnung gesorgt“, erzählt er. Autokino, das war damals Kult.

Vor allem bei den Jugendlichen. Die konnten im Autokino ungestört knutschen, kuscheln und auch mehr. In einer Zeit, in der es nicht üblich war, dass die Freundin bei ihrem Freund übernachten durfte, bot sich das Autokino als ideales Liebesnest an. Irgendwann aber, berichtet Schmidt, hätten die Eltern den Grund der häufigen Kinobesuche ihrer Kinder rausgefunden, prompt kamen sie vorbei und wandten sich natürlich an den Filmvorführer. „Können Sie nicht mal meine Tochter ausrufen“, fragten sie Schmidt.

Er konnte und wollte nicht, und so suchten die Eltern in der Filmpause nach ihren Töchtern, ohne Erfolg. „Die Mädchen und Jungen waren doch schlauer, die haben sich in der Snackbar versteckt“, sagt er grinsend. Heute sei das nicht mehr so. Sex im Autokino gäbe es kaum noch: „Die haben es Zuhause doch bequemer“, meint Schmidt. Seit rund 15 Jahren treffen sich die Leute im Autokino nur noch um den Film zu sehen.

Heute kommen noch maximal 300 Autos, je nach Film. An diesem Abend sind es gerade mal 50. Die Besucher kommen von überall her: Siegburg, Bergheim und Bonn prangt es von den Nummernschildern, ein bunt gemischtes Publikum.

Thomas und Bianca, beide 18 Jahre alt, sind sogar den langen Weg aus Duisburg hierher nach Porz gekommen. „Autokino, das muss man mal erleben“, sagen sie, „es ist halt was anderes, man ist für sich, kann reden, essen und trinken wie man will.“ Die Freiheit, das ist, was den meisten am Autokino besonders gefällt. Laut zu lachen, wann man will und vor allem ohne sich zu blamieren, die Chips-Tüte einfach aufreißen, ohne versuchen zu müssen, möglichst leise zu sein, einfach die Füße auszustrecken und sich eben ganz wie zu Hause fühlen: Autokino, das ist wie Heimkino in XXL.

„Hier hab ich meine eigenen vier Wände dabei“, sagt Buddy. In Buddys Fall sind die eigenen vier Wände besonders imposant, er fährt einen knallroten Chevrolet Caprice, Baujahr ´75. Buddy verbindet mit der Freiheit noch etwas anderes, „das ist wie früher, da biste mit deiner Perle halt nicht in die Disse, sondern ins Grüne gefahren“.

Heute sind 90 Prozent der Autokino-Gäste Stammpublikum - manche kommen schon in der dritten Generation. Und einen treffen sie mit Sicherheit an, Heinz Schmidt. Der sitzt, wie er es gewohnt ist, eine halbe Stunde vor Einlass neben der Snackbar und schlürft seinen Kaffee.

Mehr Infos zum Autokino:

 www.autokino-deutschland.de

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