Bayer mit grandiosem Ex-Kölner Wirtz MeisterEin FC-Wochenende zum Vergessen und ein brisantes Treffen

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Florian Wirtz von Bayer 04 Leverkusen klatscht im Spiel bei seinem Ex-KLub 1. FC Köln mit den Ballkindern ab.

Leverkusens Florian Wirtz am 3. März vor dem Spiel bei seinem Ex-Klub Köln. Der Nationalspieler ist eine der ganz heißen Aktien im europäischen Fußball.

Die FC-Bosse wollen Bayer 04 noch schriftlich zum Titel gratulieren. Vor dem Spiel in München traf Präsident Werner Wolf auf Kritiker Dieter Prestin, der FC-Vize werden will.

Für den 1. FC Köln und speziell seine vielen Fans war das vergangene Wochenende eines zum Vergessen. Die Lage im Abstiegskampf hat sich zugespitzt. Der Vorletzte hätte nach einer achtbaren Vorstellung beim großen, aber in dieser Saison entthronten FC Bayern absolut etwas mitnehmen können, wenn nicht gar müssen. Doch aufgrund seiner Offensivschwäche stand der Bundesliga-Vorletzte am Ende doch wieder mit leeren Händen da (0:2).

Da Konkurrent Mainz seine starke Form bewies und Hoffenheim mit 4:1 aus dem Stadion schoss und Bochum am Ende noch einen Punkt gegen Heidenheim (1:1) rettete, hat der FC bei vier Punkten Rückstand auf den FSV und Relegationsplatz 16 und fünf auf den VfL sein Schicksal zumindest nicht mehr in der eigenen Hand. Die Rettung ist natürlich noch machbar, doch die Aussichten vor dem Heimspiel mit finalem Charakter am Samstag (15.30 Uhr) gegen den designierten Absteiger Darmstadt sind wahrlich nicht besser geworden.

Florian Wirtz, zehn Jahre beim 1. FC Köln, beeindruckt bei Meister Bayer 04

Vielleicht sogar noch mehr geschmerzt hat den eingefleischten FC-Fan indes, was sich 20 Kilometer Luftlinie vom Geißbockheim entfernt in Leverkusen zugetragen hat. Die höhnischen Gesänge, dass Bayer 04 nie Deutscher Meister würde, gehörten zur gelebten Folklore, zur Grundausstattung der Kölner Anhänger. Seit Sonntagabend und der ersten Meisterschaft der Werkself ist diesen Gesängen die Berechtigungsgrundlage entzogen worden. Und dass mit Florian Wirtz beim 5:0-Sieg gegen Bremen ein Spieler, der in der Nachwuchsabteilung des FC ausgebildet worden, dann aber Anfang 2020 für läppische rund 300.000 Euro nach Leverkusen gewechselt war, nicht nur drei traumhafte Tore erzielte, sondern eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass er auf dem Weg zu einem Weltstar ist, setzte dem Ganzen wohl nur noch die Krone auf.

„Ewige Bundesligatabelle“: Leverkusen rückt FC auf die Pelle

Und als ob all das noch nicht genug wäre, spüren die Kölner, was die „ewige Bundesligatabelle“ angeht, als Neunter mittlerweile den Atem des Rivalen im Nacken. Bayer 04 hat in dieser Saison bisher unfassbare 57 Punkte auf den FC aufgeholt (79:22). Sollte der FC zum siebten Mal in seiner Geschichte absteigen, würde Leverkusen bei aktuell nur noch 49 Zählern Rückstand (2430 zu 2479) den großen Traditionsklub aus Köln wohl bereits in der kommenden Saison in diesem Ranking überholen.

Doch wie umgehen mit dem Erfolg des ungeliebten Rivalen? Wie schwierig sich die Kölner mit dem Coup des Nachbarn tun, wurde am Sonntag deutlich. Der Klub beglückwünschte erst einmal Jacob Christensen zu seinem Startelf-Debüt für den FC. Um 20.39 Uhr gratulierte die Social-Media-Abteilung des FC dann dem neuen Meister betont nüchtern zum Titel. Und zwar als Antwort unter dem Meister-Posting der Werkself: „Herzlichen Glückwunsch zu einer hochverdienten Meisterschaft, @bayer04fussball.“

Doch selbst diese nüchterne Reaktion war einigen FC-Fans bereits eine zu viel und ein No-Go, teils heftige Kommentare waren die Folge. Der FC-Vorstand und die -Geschäftsführung verzichteten bisher auf eine öffentliche Gratulation. Doch sie werden, so war zu erfahren, den Verantwortlichen von Bayer 04 noch ein offizielles Glückwunsch-Schreiben zukommen lassen. Einige Verantwortliche haben zudem Fernando Carro und Co. bereits auf der persönlichen Ebene gratuliert.

Frühere FC-Verantwortliche tun sich da logischerweise leichter. Alexander Wehrle, langjähriger FC-Geschäftsführer und heutiger Vorstandsvorsitzender des Tabellendritten VfB Stuttgart, schrieb bei X von einer „hochverdienten“ Meisterschaft mit „tollem Fußball in beeindruckender Weise“. Kölns Torhüterlegende und früherer Vizepräsident Toni Schumacher, von 2001 bis 2003 selbst Torwarttrainer bei Bayer, sprach bei Instagram „verdiente Glückwünsche“ aus, Bayer 04 habe „großartigen Fußball“ gespielt.

Kölns Präsident Wolf traf in München auf Prestin, der FC-Vize werden will

Auch Dieter Prestin, der von 1976 bis 1987 316 Pflichtspiele für den FC absolviert hatte, gratulierte Bayer 04 zwar sicher nicht aus vollem Herzen, aber öffentlich. Und garnierte das mit einer Spitze in Richtung des FC. „Glückwünsche an Bayer Leverkusen. Die Mannschaft und das Trainerteam haben sich den Titel redlich verdient und eine großartige Arbeit geleistet. Im Gegensatz zum FC hat sich Bayer Leverkusen in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt und arbeitet hochgradig professionell.“

Im Gegensatz zum FC hat sich Bayer Leverkusen in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt und arbeitet hochgradig professionell.
FC-Doublesieger Dieter Prestin über Köln und den neuen Meister Leverkusen

Der frühere Abwehrspieler hat sich zuletzt als großer Kritiker der Kölner Vereinsführung in Szene gesetzt und seine Ambitionen beim FC bekräftigt. „Ich will Vize-Präsident Sport des 1. FC Köln werden“, sagte Prestin dieser Zeitung. Am Samstag vor dem Bayern-Spiel traf der Doublesieger von 1978 auf einem FC-Mitgliederstammtisch im Trainingszentrum des ESV München direkt auf Präsident Werner Wolf und Geschäftsführer Markus Rejek. Der 67-Jährige, als einer von rund 100 Mitgliedern im Podium anwesend, ergriff gegen Ende der Veranstaltung noch kurz das Wort. Rejek sprach von einer „gelungenen Veranstaltung“, Werner Wolf habe „mit Engelsgeduld“ die Fragen der Mitglieder beantwortet. Auf den unerwarteten „Besuch“ von Prestin wollte er nicht eingehen.

Der fühlte sich von den FC-Verantwortlichen bei seiner Wortmeldung abgewürgt, goss aber kein Öl ins Feuer: „Ich war allerdings schon überrascht, dass Werner Wolf auf die Frage eines Mitglieds, warum sich der Verein nicht mit mir an einen Tisch sitzen und auseinandersetzen will und auch Lukas Podolski nicht besser einbindet, offensichtlich nicht wirklich im Thema war. Jetzt geht es aber erst einmal nur darum, dass der FC irgendwie noch die Klasse halten kann. Und dafür braucht die Mannschaft jedwede Unterstützung.“

Und möglicherweise kann sogar noch die Werkself dem FC Schützenhilfe leisten. Und zwar am 12. Mai, wenn Bayer 04 in Bochum antritt.

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