FC-Kolumne DauerkarteZeit für die Wende, der FC braucht einen Sieg im Derby

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Steffen Baumgart erlebte seine Mannschaft beim Duell in Leverkusen so chancenlos wie selten unter seiner Führung.

Steffen Baumgart erlebte seine Mannschaft beim Duell in Leverkusen so chancenlos wie selten unter seiner Führung.

Am Sonntagnachmittag empfängt der 1. FC Köln Borussia Mönchengladbach in Müngersdorf – als Tabellen-Letzter.

Im vergangenen April versprach mir ein intimer Kenner der Bundesliga vor dem Derby gegen Mönchengladbach, dass sich niemand in Köln sorgen müsse. Die Borussia sei in Auflösung, der Kader ohne Ambitionen. Der FC werde hoch gewinnen, mindestens 4:0.

Selbstverständlich glaubte ich nichts davon, denn vor Derbys ist es aus Kölner Sicht nie falsch, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Und dann trat Mönchengladbach mit einer zumindest auf dem Papier überragenden Truppe in Müngersdorf an: Hofmann, Stindl, Thuram in der Offensive, dazu Kramer und Koné im Mittelfeld, Bensebaini als Außenverteidiger. Es war kaum denkbar, dass Fußballer von solcher Qualität nach Müngersdorf kommen würden, ohne auf Sieg zu spielen.

Und dann war der FC haushoch überlegen, Mönchengladbach trat komplett desinteressiert auf. Und nach einer halben Stunde bekam ich eine Kurznachricht von besagtem Experten: „Siehste.“

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Das Spiel endete allerdings nicht mit einem hohen Sieg für Köln, sondern 0:0. Das passte ganz gut in die vergangene Rückrunde, als der FC zwar oft sehr ordentlich auftrat, aber in acht Partien ohne Treffer blieb. Vier Spiele endeten 0:0, offensiv lief es nicht gerade rund. Dass Steffen Baumgarts Mannschaft nun in den ersten sieben Saisonspielen nur vier Tore erzielt hat, schließt relativ sauber an die vergangene Saison an. Wie es sportlich ja insgesamt eher bergab geht.

Im großen Bild ist auf Rang sieben am Ende der ersten Baumgart-Saison zuletzt Platz elf gefolgt. Die ersten beiden Derbys unter Baumgart gewann der FC noch souverän, in der vergangenen Saison gab es eine 2:5-Niederlage und besagtes 0:0. Nun empfängt Köln den rheinischen Rivalen als Tabellen-Letzter, was die Sache besonders prekär gestaltet: Eine Derby-Niederlage ist schon an sich bitter. Doch mit einem Punkt nach sieben Spielen kann sich der FC keine weiteren Pleiten leisten.

Ein Sieg muss her, sonst droht der Kontakt zum Mittelfeld bereits früh abzureißen, zumal der nächste Gegner RB Leipzig heißt und anschließend beim komplizierten Gastspiel auf dem Betzenberg bereits eines der Kölner Saisonziele in Gefahr ist, nämlich die erste Teilnahme am Pokalfinale seit 1991.

Neulich erhielt ich Post eines Lesers, der klagte, wir schrieben zu oft von „historischen“ Begebenheiten. Es ging um den WM-Sieg der deutschen Basketballer, den ich nach wie vor als historisch empfinde. Aber grundsätzlich war es der richtige Ansatz, mich dazu anzuhalten, die Kirche zwischendurch auch mal im Dorf zu lassen: Nicht jedes Bundesligaspiel ist gleich historisch. Der aktuelle Saisonstart des 1. FC Köln jedoch könnte diese Beschreibung schon wieder verdienen.

Nie in seiner langen Bundesligageschichte ist der 1. FC Köln schwächer gestartet. Wenn man also zurückdenkt an alle Trainer und Verantwortlichen, die sich in den vergangenen 60 Jahren am Geißbockheim verdingt haben, und es waren ja durchaus ein paar Spezialisten dabei, bleibt die Feststellung: Schlechter als die, die heute am Werk sind, hat es noch keiner gemacht. Das hat eine historische Komponente, wenngleich ich dank der Hilfestellung aus der Leserschaft tatsächlich vorsichtiger geworden bin mit dem Begriff.

Mittelfeld-Regisseur Mark Uth ist nach langer Verletzungspause wieder spielfähig.

Mittelfeld-Regisseur Mark Uth ist nach langer Verletzungspause wieder spielfähig.

Was ich sagen will: Dafür, dass es derart schlecht läuft, ist die Stimmung im Verein noch absolut in Ordnung. Christian Keller beobachtete in den vergangenen Tagen tapfer das Training, das Steffen Baumgart souverän leitete. Keine Reaktion etwa, als Steffen Tigges am Donnerstag einen Ball aus einem halben Meter über das leere Tor löffelte. Man sollte nicht über-interpretieren. Aber was die FC-Spieler derzeit im Training zeigen, unterscheidet sich nicht großartig vom Auftreten in der Bundesliga. Die Qualitätsfrage ist zuletzt oft gestellt worden und wird nur durch das Abschneiden am Ende der Saison beantwortet worden sein. Daher ist es korrekt, dass Keller unlängst erklärte, erst nach 34 Spielen über die Stärke seines Kaders sprechen zu wollen.

Allerdings wird nach dem 34. Spieltag niemand mehr Christian Keller brauchen, um die Qualität des Kölner Kaders im Vergleich zur Konkurrenz zu beurteilen. Dann wird der Blick auf die Tabelle reichen. Wobei die Tabelle auch nach dem siebten Spieltag eine gewisse Tendenz zeigt. Derzeit flüchtet sich Steffen Baumgart in Ansätze von Galgenhumor: „Noch tiefer geht es nicht. Neunzehnter können wir nicht mehr werden“, sagte er in dieser Woche.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es beim 1. FC Köln abseits der Tabelle Themen gibt. Die wirtschaftlichen Kennzahlen haben sich deutlich verbessert, finanziell ist der Klub auf dem Weg der Gesundung. Der Verein balanciert in diesen Zeiten zwischen Sanierung und sportlicher Wettbewerbsfähigkeit.

Nach dem 34. Spieltag wird niemand mehr Christian Keller zur Einschätzung brauchen. Dann wird der Blick auf die Tabelle reichen

Auf beiden Seiten lauern existenzbedrohende Szenarien: Geht die Sanierung schief, droht dem Verein das Aus. Im Falle des sportlichen Abstiegs allerdings ebenso – vor allem, sollte der Verein für den törichten Umgang mit dem Fall Potocnik tatsächlich so bestraft werden, wie es die Fifa vorsieht: Eine Transfersperre im Abstiegsfall bedeutete schließlich, dass Spieler den Klub zwar verlassen dürften. Allerdings könnte der FC kein neues Personal unter Vertrag nehmen. Gleichzeitig, das war zuletzt kaum mehr Thema, droht nach wie vor eine Millionenstrafe. Man muss kein Untergangsprophet sein, um auch düstere Szenarien zu sehen.

Und das vor einem Derby, das die Fans ohnehin bereits in Sorge versetzt. Immerhin steht Baumgarts Mannschaft personell wieder deutlich besser da als zuletzt. Mark Uth etwa ist exakt die Spielerpersönlichkeit, die dem Kader zuletzt so gefehlt hat.

Und von den Gladbacher Stars der vergangenen Saison sind viele nicht mehr da: Thuram, Bensebaini, Hofmann, Stindl – alle gegangen. Wobei: Angesichts der Mönchengladbacher Leistung beim 0:0 im vergangenen April hätten die aus Kölner Sicht womöglich gern bleiben dürfen.


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