KommentarKein Größenwahn - Das Triple ist für Bayer 04 absolut machbar

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Leverkusens Trainer Xabi Alonso (M) jubelt über den Gewinn der Deutschen Meisterschaft.

Leverkusens Trainer Xabi Alonso (M) jubelt über den Gewinn der Deutschen Meisterschaft.

Bayer 04 Leverkusen spielt so dominant und erfolgreich, dass die Meisterschaft nur der erste Titel der Saison sein wird. Ein Kommentar.

Da ließ sich auch der gewöhnlich so beherrscht und sachlich auftretende Xabi Alonso mal von seinen Emotionen leiten. „Wir wollen mehr“, brüllte er am Sonntag bei den Feierlichkeiten zur ersten Leverkusener Meisterschaft der Klubgeschichte vom Logenbalkon aus den Tausenden Fans auf dem Rasen entgegen. Dann zählte er zum Jubel der Anhänger auf: „Den Pokal, die Europa League!“

Bei Bayer 04 herrschte die gesamte Saison Demut vor. Selbst bei mehr als zehn Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze war das Wort Meisterschaft tabu. Nach dem ersten Titelgewinn der Saison, der von allen Verantwortungsträgern auch als bedeutendster gekennzeichnet wurde, lehnt sich Leverkusen ein wenig mehr aus dem Fenster. Das ist aber keineswegs als Größenwahn zu deuten, vielmehr ist es eine realistische Einschätzung der Gemengelage. Denn ganz ehrlich: Wer soll dieses Bayer Leverkusen auf dem Weg zum Triple aufhalten?

Das Double scheint ohnehin ausgemachte Sache zu sein. Zwar wird Trainerfuchs Friedhelm Funkel jedes ihm zur Verfügung stehende taktische Mittel anwenden, um mit Kaiserslautern im Finale die Sensation zu schaffen. Allein: Wieso sollte ausgerechnet dem Abstiegskandidaten der Zweiten Liga das gelingen, was bisher 25 Vereine in 43 Spielen versucht haben: Bayer 04 eine Niederlage beibringen. Die brachiale Dominanz, mit der die Werkself Gegner erdrücken kann, wird kaum vor den Pfälzern haltmachen. Und dann wäre da noch die Europa League. Der kleine Bruder der Königsklasse hat den Roten Teppich für Leverkusen bereits ausgerollt. Selbst etwas Party-geschädigt sollte es für die Alonso-Elf kein Problem darstellen, am Donnerstag den 2:0-Vorsprung in London gegen West Ham United zu behaupten und ins Halbfinale einzuziehen.

Dort wird ein italienischer Spitzenklub warten: AC Mailand oder AS Rom. Die Römer gewannen das Hinspiel mit 1:0. Es hätte einen gewissen Charme, käme es zur Revanche. Denn in der vergangenen Saison war Leverkusen denkbar knapp gegen eine ultra-defensiv eingestellte AS im Europa-League-Semifinale gescheitert. Zwar ist Coach José Mourinho nicht mehr da, doch die Chance auf späte Rache brächte reichlich Extra-Motivation. Eigentlich wäre danach ein Endspiel gegen Jürgen Klopps FC Liverpool zu erwarten gewesen. Doch der englische Topklub verlor sein Viertelfinalhinspiel gegen Atalanta Bergamo an der Anfield Road mit 0:3. Somit wäre im Finale in Dublin ein Wiedersehen mit Ex-Bayer-Coach Roger Schmidt und Benfica Lissabon wahrscheinlicher. Leverkusen ist nun jedenfalls auch in diesem Wettbewerb klarer Favorit.

Doch nicht nur auf den Rest der laufenden Spielzeit warfen die Verantwortlichen am Sonntag einen Blick, nein, es gab auch schon einige Kampfansagen in Richtung 2025. Franz Beckenbauers legendärer Satz von 1990, dass die Nationalmannschaft nun auf Jahre hinaus unschlagbar sei, wäre auf Leverkusen heute bezogen genauso falsch, wie er es damals war. Dennoch hat Bayer 04 hervorragende Voraussetzungen, um ein ernstzunehmender Dauerkonkurrent von Bayern München zu werden. Xabi Alonso und Florian Wirtz bleiben mindestens noch ein Jahr. Die Werkself hat mit ihnen eine Anziehungskraft für weitere Topstars. Ein hoher Substanzverlust ist nicht zu befürchten. Gut möglich, dass diese historische Saison nur der Anfang für eine erfolgreiche Bayer-Ära ist.

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