Albert Streit im Interview„Ich habe meinen Traum gelebt“

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„Ich werde wahrscheinlich nie wieder etwas so gut können wie Fußballspielen.“

„Ich werde wahrscheinlich nie wieder etwas so gut können wie Fußballspielen.“

Herr Streit, Sie haben für den 1. FC Köln und Schalke 04 gespielt. Wie ist ihre Erinnerung an diese Stationen?

Die Kölner Zeit war schon toll. Erst der Aufstieg unter Huub Stevens, dann habe ich trotz des Abstiegs eine gute Runde gespielt. Und privat war es sowieso super: Ich habe hier meine Frau kennengelernt, meine Kinder sind in Köln geboren. Ich bin glücklich hier.

Als damals der Abstieg drohte, haben Sie früh angekündigt, nicht mit dem FC in die Zweite Liga zu gehen. Das haben Ihnen viele Fans übelgenommen.

Es gab damals genug Spieler bei uns, die gesagt haben, dass sie bleiben – um dann doch zu gehen. Das wollte ich nicht. Eine solche Diskussion ist doch sowieso albern. Im Fußball ist alles so schnelllebig, es geht um so viel Geld. Da sollte man als Profi die Dinge beim Namen nennen, statt diese Alibisprüche zu machen. Es ist immer derselbe Quark: Wenn man mit sich im Reinen ist, kann man auch mal Dinge sagen, die die Leute eventuell nicht hören wollen. Zum Beispiel die Wahrheit.

Albert Streit nach dem Aufstieg 2005 am Kölner Flughafen

Albert Streit nach dem Aufstieg 2005 am Kölner Flughafen

Dabei ist es doch eigentlich akzeptiert, dass Profis für Geld spielen.

Für die Fans zählt natürlich nur der Verein, das kann ich auch nachvollziehen. Für die Leute ist der Fußball ja tatsächlich eine Herzensangelegenheit. Aber auch die Fans müssen sich die Frage stellen: Wie würde ich mich entscheiden, wenn ich in der Situation des Spielers wäre?

Ein Profi wechselt einen Verein aus professionellen Motiven.

Muss er ja, warum auch sonst? Wenn ich dieses Gelaber höre: Neue Sprache lernen, neue Kultur erleben – das ist doch absoluter Schwachsinn. Die Spieler sollen sagen, dass sie mehr Geld verdienen und Titel gewinnen wollen, fertig. Das ist doch auch überhaupt nicht schlimm. Man muss nur so ehrlich sein, das den Leuten auch zu sagen. Statt zu erzählen, man habe als Kind schon in Schalke- oder FC-Bettwäsche geschlafen. Aber wenn man keine Probleme haben will, sagt man den Leuten einfach, was sie hören wollen. Da unterscheidet sich das Fußballgeschäft nicht vom richtigen Leben.

Albert Streit über seinen Schritt, zum FC Schalke 04 zu gehen

Mit Halil Altintop auf Schalke

Mit Halil Altintop auf Schalke

Haben Sie manchmal überlegt, es sich einfacher zu machen?

Ich bin halt ziemlich stur. Mein Vater hat mir oft gesagt, ich sollte diplomatischer sein, vielleicht auch mal den Mund halten. Aber das bin nicht ich, ich bin kein guter Schauspieler. Klar frage ich mich, wie es gelaufen wäre, hätte ich mich mehr zurückgehalten. Aber ich kann mich nicht beschweren. Ich komme aus normalen Verhältnissen und muss heute mehr oder weniger nicht mehr arbeiten. Ich habe meinen Traum gelebt.

Objektiv gesehen sind Sie ja auch keineswegs gescheitert.

Das nicht. Aber mir ist schon bewusst, dass ich eine ganz andere Karriere hätte hinlegen können. Ich habe mit Leuten zusammengespielt, die sind Weltmeister geworden, haben die Champions League gewonnen. Und so groß war der Unterschied zu denen nicht.

Als Sie damals nach Schalke gegangen sind – war das der Schritt zu einem großen Verein, der Ihnen die Chance auf eine internationale Karriere eröffnen sollte?

Das war die Intention, klar. Jermaine Jones war vor mir aus Frankfurt nach Schalke gewechselt, hat in der Nationalmannschaft gespielt und in der Champions League. Das habe ich mir auch zugetraut. Aber es ist dann anders gekommen. Ich bin verletzt nach Schalke gewechselt, bin nie richtig dort angekommen und wollte schon nach einem halben Jahr wieder gehen. Aber ich habe nicht die Freigabe bekommen.

Zur Person

Albert Streit, geboren am 28. März 1980 in Bukarest, absolvierte 212 Profispiele (17 Tore) in der ersten und zweiten Liga für Eintracht Frankfurt, den VfL Wolfsburg, den 1. FC Köln, den Hamburger SV und Schalke 04. Zum Ende seiner Karriere spielte Streit bei Alemannia Aachen, Viktoria Köln und Fortuna Köln. Streit lebt mit seiner Frau und zwei Kindern (4 und 1) in Köln- Lövenich. (ksta)

Wiederum ein halbes Jahr später wollte Schalke dann Sie nicht mehr...

Ja. Aber ich konnte nicht mehr wechseln, weil ich kaum Spielpraxis hatte und bei einem anderen Verein auf sehr viel Geld hätte verzichten müssen. Schalke hätte mich ja verleihen und sich das Gehalt mit einem anderen Verein teilen können. Aber Felix Magath wollte das nicht. Er hat mir gesagt, dass ich auf das Geld verzichten müsse, um spielen zu können, fertig. Das wollte ich wiederum nicht. Zwei Wochen später habe ich mich dann bei der Amateurmannschaft wiedergefunden.

Dann haben Sie bei den Amateuren trainiert und weiter wie ein Profi verdient.

Natürlich, ich hatte ja einen Vertrag mit Schalke. Ich hätte bei einem Wechsel auf 60, 70 Prozent meines Gehalts verzichten müssen – kein Arbeitnehmer würde das tun. Ich war damals schon 30 Jahre alt und wusste, dass ich nur noch eine begrenzte Zeit hatte, in der ich Geld mit Fußball verdienen konnte. Darum habe ich auf stur geschaltet.

Albert Streit über Geld und seine Verbindung zum Fußball

„Ich werde wahrscheinlich nie wieder etwas so gut können wie Fußballspielen.“

„Ich werde wahrscheinlich nie wieder etwas so gut können wie Fußballspielen.“

Und es hat sich gelohnt mit der Karriere, arbeiten müssen Sie nicht mehr?

Man mag es nicht glauben, aber ich war immer sehr konservativ in finanziellen Dingen. Auch wenn ich mir mal ein Auto gegönnt habe. Die Leute denken immer, die Profis verprassen ihr ganzes Geld. Aber ich war relativ bodenständig.

Ihre Autos waren aber durchaus auffällig.

Ja, das ist mein einziges Laster (lacht). Ich komme aus Stuttgart-Zuffenhausen, mein Vater hat bei Porsche am Band gearbeitet. Da war es mir in die Wiege gelegt, ein bisschen verrückt nach Autos zu sein. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich eine Sammlung habe. Das kann man an einer Hand abzählen.

Haben Sie noch eine Verbindung zum Fußball?

Dadurch, dass die letzten Jahre so negativ verlaufen sind, war ich froh, etwas Abstand zu gewinnen. Obwohl der Fußball natürlich ein Teil meines Lebens ist. Aber das Geschäft mit all seinen schönen Seiten hat auch viel Negatives.

Wäre es eine Option für Sie, Berater zu werden? Immerhin lassen Sie sich nichts gefallen.

Ist nicht mein Ding, weil ich mir dann wieder oft eine Maske aufsetzen und mit Leuten reden müsste, mit denen ich eigentlich nicht reden will. Ich bin aber auch gut beschäftigt. Ich genieße die Zeit mit meinen Kindern, meiner Familie. Das ist für mich der größte Luxus überhaupt. Das habe ich schon als 19-Jähriger in einen Fragebogen im Stadionheft geschrieben: Dass ich einmal unabhängig sein und Zeit haben will.

Als Fußballer waren Sie jahrelang fremdgesteuert.

Man hat seinen Ablauf, bekommt sogar immer das Gleiche zu essen. Hängt viel im Hotel. Das ist zwar alles total spannend. Aber ich hatte auch Phasen in denen ich nur noch zu Hause sein wollte.

Denken Sie darüber nach, dass Sie nie wieder etwas so gut können werden wie Fußballspielen?

Im Billard bin ich nicht schlecht (lacht). Aber Fußball war wahrscheinlich schon das Beste, das ich je gekonnt habe.

Es werden nie wieder Zigtausend Menschen Ihren Namen singen.

Das fehlt mir nicht. Was mir eine Zeit lang tatsächlich gefehlt hat, war das Zusammensein als Mannschaft, das Quatschen in der Kabine. Auch das Kaputtsein nach dem Spiel. Die Laune, wenn man gewonnen hat. Aber vieles fehlt mir auch wiederum nicht: Im Winter morgens um zehn Läufe machen zu müssen, bei Eiseskälte. Oder Trainingslager mit Felix Magath – da bin ich echt froh, das nicht mehr machen zu müssen.

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