DEL-RegelwerkSo werden Checks gegen den Kopf geahndet

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PIC KEC Ehrhoff

KEC-Verteidiger Christian Ehrhoff diskutiert mit seinen Teamkollegen.

Köln – Tino Boos (41) ist seit der vorigen Saison Leiter der Disziplinar-Kommission der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Zu seinem Job gehört es nicht nur, über Sperren und sonstige disziplinarische Maßnahmen zu verhandeln. Sondern auch durch die Eishallen des Landes zu reisen, um das Geschehen auf dem Eis live zu erleben. So sah sich der ehemalige Haie-Profi am Dienstag die 1:2-Niederlage des KEC in Nürnberg an. "Es waren alle in Alarmbereitschaft, aber es war wirklich fair, schnell und hochklassig, tolle Werbung fürs Eishockey", lautet Boos' Urteil.

In der ersten Partie zwischen den beiden Spitzenklubs, die die Haie am Sonntag in Köln mit 3:1 gewannen, war es nicht ganz so fair zugegangen. Streitpunkt war ein Check des Nürnberger NHL-Veteranen Brandon Prust, der mit dem Ellbogen den Kopf des Kölner Verteidigers Shawn Lalonde getroffen hatte. Die Schiedsrichter ordneten die Aktion fälschlich als Bandencheck ein.

Zunächst wollten die Haie die Szene von der von Boos geleiteten Kommission überprüfen lassen, sie verzichteten dann aber darauf - dabei wäre Prust vermutlich gesperrt worden. "Niemand von uns hat das als Bandencheck gesehen, wie irgendwo geschrieben worden ist", erklärt Boos. "Das war ein Check gegen den Kopf und im Bereich der Matchstrafe, somit im Sperrbereich."

In der großen National Hockey League (NHL) ist das Prozedere so, dass die Liga bei nicht ausreichend bestraften, gefährlichen Fouls von allein aktiv wird und nachträglich Sperren verhängt. In der kleinen DEL, die nicht über die Manpower der nordamerikanischen Profiliga verfügt, ist es anders herum. Die Vereine müssen bei der Liga strittige Szenen einreichen. Allerdings haben sie dazu pro Spielzeit nur zwei Joker. Falls die Liga ihnen nicht recht gibt, verfällt einer, sie müssen zudem die Kosten des Verfahrens tragen.

Checks gegen den Kopf oder Nacken werden von der IIHF explizit schon seit 16 Jahren bestraft. Die NHL zog 2010 nach, da immer mehr Kopfverletzungen und Gehirnerschütterungen auftraten. Boos erklärt: "Durch die Geschwindigkeit, durch die Größe der Spieler ist der Impact viel größer als früher. Zu meiner Anfangszeit als Profi waren die Checks gegen den Kopf Gang und Gäbe, da musste man immer selbst aufpassen. Heute muss man natürlich auch selbst aufpassen. Aber es gibt Situationen, in denen wir die eine oder andere Gehirnerschütterung verhindern können. Zwischen dumm und hart gibt es einen Unterschied."

Die Meinungen der Experten können jedoch deutlich voneinander abweichen. "Der Check gegen den Kopf ist immer ein Streitthema, genauso wie Blind Side (Checks, die der der Gecheckte nicht sehen kann, d. Red.), weil es subjektiv ist. Es ist vieles Grauzone. Das macht meinen Job so interessant und schwierig zugleich", sagt Boos. Ging der Check bewusst gegen den Kopf - oder war es ein Unfall? Konnte er Gecheckte ausweichen? Hätte er die Situationen lesen können und wissen müssen, was passiert? Im Eishockey, einem Sport, in dem sie stolz darauf sind, besonders harte Jungs zu sein, können sie sich überhaupt schwer darauf einigen, was einfach nur hart ist - und wo die Unfairness beginnt.

Die Haie-Profis hatten am Mittwoch trainingsfrei, am Freitag (19.30 Uhr) treten sie bei den Augsburger Panthern an, am Sonntag in der Lanxess-Arena gegen Schwenningen (16.30 Uhr). Vermutlich ohne Patrick Hager, der an der Schulter verletzt ist.

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