Frauenberatungsstelle LeverkusenEin Stück vom Büro gemietet – Kreative Benefizaktion

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Andrea Kirchhoff, Thorsten Lehmann und Reiner Geißdörfer von der Bitech AG, Christiane Meinekat und Alexandra Engel von der Frauenberatungsstelle Leverkusen

Andrea Kirchhoff, Thorsten Lehmann und Reiner Geißdörfer von der Bitech AG, Christiane Meinekat und Alexandra Engel von der Frauenberatungsstelle Leverkusen

Leverkusen-Opladen – An den Wänden der Frauenberatungsstelle hängen eingerahmt wie Urkunden die Plakate von vergangenen Benefizveranstaltungen. Lesungen, Konzerte, Spendensammlungen. Auf Augenhöhe wenn man am Eingang der Beratungsstelle steht säumen sie die Wände, in regelmäßigen Abständen nebeneinander mit weißem Passepartout und silbernem Rahmen. Die Mitarbeiterinnen sind stolz auf ihre Unterstützer, das sieht man.

Und sie sind auch auf sie angewiesen. Die Personalkosten der Frauenberatungsstelle werden zu 85 Prozent aus Landesmitteln finanziert, außerdem bekommt sie einen kommunalen Zuschuss für ihre Rolle in der Integration von langzeitarbeitslosen Frauen. Trotzdem ist die Stelle unterfinanziert: 9000 Euro fehlen.

Sparen an allen Ecken und Enden

Wenn ein Faxgerät kaputt geht, muss an allen Ecken und Enden gespart werden. Die Beraterinnen, die eigentlich dafür da sind, Frauen in Notlagen zu helfen, organisieren also Veranstaltungen, schreiben Unternehmen an, überlegen sich Spendenaktionen. Um weiterhelfen zu können.

Zahlen und Anlaufstellen

Die Anzahl der weiblichen Opfer von Gewalt hat über die vergangenen vier Jahre um 8 Prozent zugenommen. 11.282 Fälle von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung wurden 2017 in der Bundesrepublik erfasst. In NRW kam es zu 2553 Übergriffen, 82 Prozent der Fälle konnten aufgeklärt werden.

Betroffene können sich jederzeit an die Polizei oder an ein Frauenhaus unter ☎ 0214 49408 wenden. Die Frauenberatungsstelle Leverkusen ist erreichbar unter ☎ 02171 28320. Der Kinderschutzbund berät unter ☎ 02171 84242 besonderse Kinder und Jugendliche, die Probleme zu Hause haben.

„Unser Ziel ist es eigentlich, dass wir uns selbst irgendwann abschaffen“, erklärt Alexandra Engel, Vorstandsfrau der Beratungsstelle. Aber davon seien sie noch weit entfernt. 400 Frauen haben im vergangenen Jahr Bei Engel oder ihrer Kollegin Christiane Meinekat angerufen. „400 Frauen, das sind ja im Durchschnitt mehr als eine pro Tag“, stellt Reiner Geißdörfer von der Bitech AG fest.

Symbolische Miete

Das Beratungs-Unternehmen übergibt am Montag, 14. Januar einen Scheck über 750 Euro an die Beratungsstelle. Damit mieteten sie sieben einhalb Quadratmeter des Büroraums in der Birkenbergstraße 35 in Opladen – symbolisch natürlich. Bereits 2017 hatten die Mitarbeiterinnen mit dem Projekt „1m² (Frei-)Raum für Frauen“ verschiedene Unternehmen in Leverkusen angeschrieben. Ein Quadratmeter symbolische Miete kostet 100 Euro, das Ziel ist es, Sponsoren für 100 Quadratmeter zu finden.

Als die E-Mail von Meinekat in ihrem Posteingang einlief, hatte die Bitech AG bereits ihren Spenden-Etat anders vergeben, erklärt Thorsten Lehmann, ebenfalls bei der Scheckübergabe anwesend. Aber es sei eben ein Thema, das nach wie vor Brisanz habe, deswegen habe man sich daran erinnert und sich jetzt dazu entschlossen, zu spenden.

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Etwa ein Viertel der Fläche ist insgesamt „vermietet“. Jeder Spender bekommt entsprechend den Quadratmetern, die er oder sie mietet, Puzzleteile an der Fensterscheibe der Beratungsstelle. Die Bitech AG ist jetzt unter diesen. Aber auch einige private Spender stehen schon im Puzzle.

Zusammenarbeit mit der Polizei

Die Beratungsstelle arbeitet nicht nur passiv. Wenn die Polizei zu einem Einsatz mit häuslicher Gewalt gerufen wird, spielen Meinekat und ihre Kolleginnen auch eine wichtige Rolle. Die Beamten können direkt vor Ort einen Platzverweis gegen den Täter aussprechen, der bis zu zehn Tage gilt.

Wenn die Geschädigte zustimmt, werden ihre Daten dann an die Frauenberatungsstelle gefaxt, sodass diese auf die Frauen zugehen können. Nach einem Vorfall seien die Geschädigten oft mit viel zu vielen Problemen gleichzeitig konfrontiert: Kinder, finanzielle Sicherung, Wohnung, Partnerschaft.

Mehr als ein Fall pro Tag

Dazu kommt in vielen Fällen ein Trauma. „Da verknäulen sich die Themen schnell untereinander. Wir sortieren das auseinander“ beschreibt Engel die Aufgabe der Beratungsstelle. „Der Erfolg ist, sie hat die Info“, ergänzt Meinekat.

400 Fälle, das sind mehr als einer pro Tag, das ist viel Arbeit für die eineinhalb Stellen, die zur Verfügung stehen. Da bleibt kaum Kapazität, um einem kaputten Faxgerät hinterherzurechnen.

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