StadtteilführungIndien liegt hinterm Neumarkt

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Freuen sich auf Indien-Interessierte (v.l.): Navin-Nareh Shikarpuri, Rikschafahrer Benjamin Schröder, Raju Karamban, Thomas Bönig, Sukhjinder Singh und dessen Muttter Baldev Kaur. (Bild: Csaba Peter Rakoczy)

Freuen sich auf Indien-Interessierte (v.l.): Navin-Nareh Shikarpuri, Rikschafahrer Benjamin Schröder, Raju Karamban, Thomas Bönig, Sukhjinder Singh und dessen Muttter Baldev Kaur. (Bild: Csaba Peter Rakoczy)

Innenstadt – Wer wissen will, wie Indien schmeckt, muss nur bei Sukhjinder Singh in der Fleischmengergasse vorbeischauen. Fast täglich steht der Mann mit dem tiefschwarzen Vollbart an der Kasse im „Asien Bazaar“, der Supermarkt gehört seiner Schwägerin. Allein 20 Sorten Reis, verpackt in kleinen und großen Säcken, stapeln sich im Laden, mehr als 50 Sorten Snacks, Linsen, Gläser mit Chutneys, Zahnpasta in schreiend bunten Packungen – und reichlich gekühlte Süßspeisen in der Frische-Theke.

Das Geschäft dürfte eine lukullische Schatztruhe sein für Kölner, die während ihrer Reise durch den Subkontinent exotische Köstlichkeiten genossen haben und auch zu Hause nicht missen wollen. Menschen wie Thomas Bönig also. „Immer, wenn ich in dieses Viertel hinter dem Neumarkt komme, in dem sich so viele indische Geschäfte angesiedelt haben, gehe ich hier vorbei“, sagt der 35-jährige Stadtführer. Dann fragt er nach „Samosas“ – frischen, mitGemüse oder Kartoffeln gefüllten Teigtaschen – und bittet Sukhjinder Singh, diese Lieblings-Spezialität in der Mikrowelle aufzuwärmen. „Dabei entfaltet sich ihr Aroma noch besser“.

Wo man im Turban bedient wird

Einen Mund voll Indien pur – solche kulinarischen Reminiszenzen gönnt sich Bönig regelmäßig, wenn er wieder für längere Zeit am Rhein weilt und nicht gerade im Großraum Asien unterwegs ist. Bereits als international tätiger Friedensaktivist hatte der Kosmopolit diesen Teil der Welt ausgiebig erkundet, inzwischen arbeitet er in verschiedenen Ländern als Reiseleiter und hat dort viel „praktische Erfahrung im Bereich nachhaltiger Tourismus gesammelt“. Dabei geht es darum, den Reisegruppen über bloßes Sightseeing hinaus die (Alltags)-Kultur des Gastlandes nahezubringen. Und vor allem seine Bewohner.

Wie Thomas Bönig vor drei Jahren feststellte, lässt sich dieses Prinzip genauso gut bei Stadtführungen auf heimischem Terrain anwenden. Er gründete damals die Agentur „Kulturklüngel“ und unternimmt seither mit interessierten Kölnern eine Expedition durch „Klein-Indien“ im Herzen ihrer eigenen Millionen-Metropole. Rund um die Thiebolds- und die Fleischmengergasse hat sich nämlich ein kleines, buntes Einkaufsveedel für die rund 30.000 Einwanderer vom Subkontinent etabliert, eine von leichtem Räucherstäbchen-Duft und Appetit anregenden Gewürzwolken aromatisierte Welt. Sobald Bönigs Multikulti-Touristen die kleinen Läden betreten, kommen sie schnell mit den aufgeschlossenen Händlern ins Gespräch, von denen manche traditionsbewusst hemdartige Kurtas, Turbane und sogar elegante Tunikas zur Schau tragen, andere wiederum betont westlich gekleidet sind.

Vom Lebensmittelmarkt bis zum Studio für Kampfkunst

Außer dem „Asien Bazaar“ und einem weiteren Lebensmittel-Markt bereichern zum Beispiel zwei indische Reisebüros das Quartier, ein Modegeschäft, ein Restaurant und zudem das „Kalari“-Zentrum, wo neben Yoga auch „Kalaripayattu“ – die traditionelle Kampfkunst des südlichen Landesteils – gelehrt wird. Und es gibt hier Menschen wie den Studio-Gründer Raju Karamban, einen drahtigen, kleinen Mann, der aus purer Energie zu bestehen scheint und in einem unablässig hervorsprudelnden Mischmasch aus Deutsch und Englisch erzählt, dass authentisches Yoga eher mit Körperlichkeit und weniger mit Esoterik zu tun habe als hierzulande viele Menschen glauben. Es gibt hier Navin-Nareh Shikarpuri, Inhaber von „Kohinoor Mode“, der neben Freizeitkleidung auch reich bestickte Hochzeitsroben führt und seine Kundinnen schon mal in meterlange, spinnweb-zarte Sari-Stoffbahnen hüllt, um ihnen die komplizierte Wickeltechnik zu verdeutlichen. Und es gibt eben Sukhjinder Singh, in dessen Supermarkt die Kunden auch eine große Bandbreite indischer Filme nebst Musik finden.

Stolz führt er seine Besucher in die hintere Ecke des langgestreckten Ladenlokals. Dort steht ein Regal voller DVDs und CDs; es reicht bis zur Decke. Rundum hängen bunte Plakate mit prächtig gewandeten Stars, verklärt lächeln etwa der indische Leinwandgott Shah Rukh Khan und – in leicht verdrehter Tänzerinnenpose – die bekannte Schauspielerin Karishma Kapoor auf ihre Fangemeinde hinab.

So können Thomas Bönigs Führungsteilnehmer auch Klein-Bollywood fußläufig und ganz bequem erreichen. „Wer fremde Kulturen kennenlernen will, braucht sich längst nicht mehr stundenlang in ein Flugzeug zu setzen“, so der Stadtführer. „In Köln leben Menschen aus 180 verschiedenen Ländern. Man muss nur mit ihnen reden.“

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