Talk im Annaturm1001 Minen aufgespürt

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Generalmajor a. D. Rolf Ocken sprach im Annaturm. (Bild: Schmitz)

Generalmajor a. D. Rolf Ocken sprach im Annaturm. (Bild: Schmitz)

Euskirchen – Der Generalmajor a. D. war in der Reihe „Talk im Annaturm“ zu Gast.

Euskirchen - An die Bilder des 30. September 1989 erinnert sich wohl noch jeder. 4000 DDR-Bürger stehen vor der Prager Botschaft, oben spricht BRD-Außenminister Hans-Dietrich Genscher die berühmten Worte: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise...“ Der Rest geht im Jubel der Massen unter. Das Ende des Arbeiter- und Bauernstaates war bald besiegelt.

Am 3. Oktober 1990 wurden beide deutsche Staaten vereint, es gab eine ganze Menge zu tun. Einer, der aktiv ins Geschehen eingegriffen hat, war Oberst Rolf Ocken. Ihm waren die 50 000 Angehörigen der DDR-Grenztruppen unterstellt, mit denen er das bewohnte Berlin bis zum Tag der ersten gemeinsamen Wahlen am 2. Dezember 1990 mauerfrei machen sollte. Ocken, mittlerweile Generalmajor a.D., berichtete am Mittwochabend in der Gaststätte „Zum Annaturm“ von seinen unvergesslichen Eindrücken.

Wie die Jungfrau zum Kinde

Zu den Grenztruppen kam der Artillerieoffizier, damals Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 16 im schleswig-holsteinischen Herzogtum Lauenburg, wie die Jungfrau zum Kinde. Fast ein halbes Jahr lang hatte er sich laut Dienstbefehl auf die Übernahme der zentralen Truppen vorbereitet. Wenige Tage vor der Wiedervereinigung änderte sich sein Auftrag: Er sollte die Grenztruppen auflösen, vorher aber noch mit ihnen die Berliner Mauer abbauen.

Als Ocken in Berlin ankam, traf ihn fast der Schlag. Er flog mit ehemaligen DDR-Hubschraubern, auf denen das Eiserne Kreuz der Bundeswehr gerade erst getrocknet war. In den Waffenkammern fehlten zahlreiche Pistolen, weil die Offiziere sie mit nach Hause nehmen durften und es keine richtigen Bestandsprüfungen gab. Im Grenzbereich waren außerdem Minen gelegt worden. „Aus den Protokollen ging hervor, dass rechnerisch 30 000 Minen fehlten“, erzählte der Generalmajor a.D. Also machte sich seine Trupps auf die Suche, größtenteils per Hand. Exakt 1001 Minen entdeckten sie, gesucht wurde bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern. „Nach menschlichem Ermessen war der Grenzbereich minenfrei“, so Ocken. Passiert sei bislang noch nichts. Die aufwändigste Arbeit war aber die Entfernung der fast 170 Kilometer langen Berliner Mauer. Offiziere und Unteroffiziere der Grenztruppen - die Wehrpflichtigen waren alle entlassen worden - erledigten diese „Drecksarbeit“. Pioniere, die Ocken unterstellt waren, beauftragte er mit dem Verkauf der Mauerstücke. „Gekauft wurde alles, was nicht niet- und nagelfest war. Das entlastete den Verteidigungshaushalt ein wenig.“

Schwierig war es, die einzelnen Wachtürme einzureißen. Auch deshalb, weil findige Bauingenieure Ebene für Ebene abtragen wollten. Ocken befahl den Abbau auf rabiate Art und Weise: Mit zwei Lastwagen, an die Stahlseile gespannt waren, riss man die Türme einfach um: „Als die Bauingenieure am nächsten Morgen mit ihrer Arbeit beginnen wollten, fanden sie nur noch eine besenreine Fläche vor.“

Was die DDR-Bürger größtenteils gar nicht wussten, erfuhr Ocken, als er Führungsbunker entdeckte. Dort fand er unter anderem schon gedrucktes Geld für den „befreiten Teil Deutschlands“, die Bundesrepublik. Selbst auf einen Atomkrieg war man „drüben“ vorbereitet. Die Militärs hatten selbst ihren Gattinen nicht verraten, dass die NVA auf Angriff und nicht auf Verteidigung getrimmt wurde.

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