Toleranz und Nächstenliebe

Lesezeit 2 Minuten
In eindrucksvollem Spiel verkörperte Günter Mack den Juden Nathan. BILD: TOURNEE-THEATER THESPISKARREN/HILTMANN

In eindrucksvollem Spiel verkörperte Günter Mack den Juden Nathan. BILD: TOURNEE-THEATER THESPISKARREN/HILTMANN

Lessings „Nathan der Weise“ setzte sich im Köster-Saal für Vernunft und Verständigung ein.

Pulheim - Eine Utopie wollte Lessing den Zuschauern vor Augen führen: Respektieren die Menschen sich gegenseitig und reden vernünftig miteinander, dann überwinden sie ihre Probleme und finden Frieden in der großen Menschheitsfamilie. In diesem Sinne belehrt Nathan, ein reicher Jude im Jerusalem der Kreuzzugszeit, seine Umgebung, und in gleicher Weise vermittelt seit mehr als 200 Jahren das Drama „Nathan der Weise“ die Botschaft von Toleranz und Nächstenliebe.

So erneut geschehen am Sonntagabend im Pulheimer Köster-Saal. Dort bot, geschart um einen herausragenden Hauptdarsteller (Günter Mack) und unter der Regie von Hanfried Schüttler, ein spielfreudiges Ensemble dem begeisterten Publikum die märchenhafte Geschichte um einen Kreuzritter und Recha, eine christliche Waise, die von Nathan, der seine Frau und sieben Söhne bei einem Pogrom verloren hat, an Kindes Statt angenommen wurde.

Der Tempelherr rettet Recha aus dem Feuer, die beiden verlieben sich ineinander, erfahren aber am Ende, dass sie Geschwister sind und zudem Neffe und Nichte des Sultans Saladin, Kinder seines verstorbenen Bruders. Bis es zu dieser glücklichen Familienzusammenführung kommt, die auch ganz zwanglos die freundlich-friedliche Koexistenz von Judentum, Christentum und Islam einschließt, müssen aber erhebliche Widerstände überwunden werden.

Thomas Schreyer als Tempelherr ließ mit zerschlissenem Kreuzritter-Umhang sowohl jugendliches Ungestüm wie auch zuweilen Ratlosigkeit hinsichtlich seiner Zukunft erkennen. Mirjam Slamar identifizierte sich als Recha überzeugend mit dem schwärmerischen Mädchen und der liebenden Tochter. Mit sensibler Komik gab Hannelore Zeppenfeld zur großen Freude des Publikums die Erzieherin Daja, diese bigotte Christin, die, zwar treue Dienerin, in Wahrheit doch nur eines im Sinn hat: Rechas Christentum vor ihrem jüdischen Vater zu retten.

Andreas Klein und Claudia Buser (Sultan Saladin und seine Schwester Sittah) boten, vor allem durch ihre Kleidung, viel orientalisches Flair. Kleins Sultan ließ sich glaubhaft von Nathans berühmter „Ringparabel“ zu religiöser Toleranz und Freundschaft bekehren.

In weiteren Rollen überzeugten Burkard Heim als Derwisch und Albert Tisal als Klosterbruder. Hervorragend gelang Ullrich Tesche die unheimlich-finstere Gestalt des Patriarchen von Jerusalem in ihrem Fanatismus („Der Jude wird verbrannt!“), die er zugleich zur Karikatur der institutionalisierten christlichen Kirche werden ließ. Günter Mack als Nathan ist, souverän und glaubwürdig, eine Idealbesetzung. Seine Botschaft von der Gleichwertigkeit der Religionen, ihrer geschichtlich begründeten Gültigkeit und ihrer notwendigen wechselseitigen Anerkennung überzeugt auch über den Bühnenrand hinaus. Umso schärfer macht sie gerade einem heutigen Publikum die grausame Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bewusst.

KStA abonnieren