Wenn einfach alles richtig läuft

Lesezeit 3 Minuten
Stella-Frontfrau Elena Lange in der Kantine.

Stella-Frontfrau Elena Lange in der Kantine.

Alte Helden, hoffnungsvoller Nachwuchs und nicht mehr ganz geheime Geheimtipps: Das Hamburger Label L'Age D'Or feiert in der Nippeser Kantine.

Es gibt nicht viele Männer, die Teile ihrer Gesichtsbehaarung wuchern lassen können und trotzdem mit Würde durchs Leben gehen. Frank Spilker aber kann. Der Sänger und Gitarrist der Sterne trägt neuerdings einen Schnäuzer und kommt trotzdem noch funky rüber. Selbstverständlich ist das nicht, erklärt sich aber im Zusammenhang mit dem, was Schnurrbart-Spilker mit den Seinen sonst noch zu bieten hat: fein groovende Rockmusik mit hübsch gekräuselten Soul- und Funkelementen, gepaart mit Texten, in denen kleine End- und Binnenreime groß rauskommen. Neu oder gar innovativ ist das längst nicht mehr. Die Sterne hoppeln als alte Hamburger Hasen durch den Pop-Diskurs, erweisen sich aber als überaus spielfreudige Gratulanten, als es in der Kantine galt, den 15. Geburtstags ihres Haus- und Hoflabels L'Age D'Or zu feiern.

Mit Lust und Laune wird das Wort gewordene Drama eines sozialen Aufstiegs, der „Universal Tellerwäscher“ abgefeiert, bei ganz alten Fiffies wie „Widerschein“ assistiert das Publikum bis in die kleinste Phrasierung absolut textsicher. Und als Frank Spilker bei Songs wie „Das bisschen besser“ und „Was hat dich bloß so ruiniert?“ die eigens fürs Firmen-Jubiläum installierte Showtreppe herunterstakst und hoch und heilig verspricht, dass er keine Rede aufs Geburtstagskind halten werde, schwirrt einem vor allem dieser Gedanke durch den Kopf: Schön, wie Die Sterne noch immer leuchten.

Eine gewisse Helligkeit respektive Verstrahltheit kann man auch dem Tastenspieler der Sterne nicht absprechen. Richard von der Schulenburg hatte mit Umhängekeyboard die Feierlichkeiten eröffnet, ließ hemmungslos das Schlagerhafte aus sich heraus und offenbarte mit Zeilen wie „Ich bin ein Equalizer, ich mach die lauten Töne leiser“ dezente Identitätsprobleme, die aber keineswegs darüber hinwegtäuschen können, was der junge Mann de facto ist: der postmoderne Dr. Sommer.

Durch die Bank gefühlsbetont gingen auch die übrigen Gratulanten des Abends ihrem Beruf nach. Stella verquirlten garantiert unsexistische Rockposen mit weich groovender Elektronik - unwiderstehlich flott das neue „Tonight“. Sängerin Elena Lange und Keyboarder Thies Mynther hatten bei älteren Songs wie „Finger On The Trigger“ und „Bad News Entertainment“ eine ausgefeilte Tanz-Choreografie auf Lager. Und was die bewusst hergestellte Schulmädchen-Erotik von Elena Lange anbelangt - T-Shirt im Matrosen-Look, sehr kurzer Rock, schwarze Netzstrümpfe -, hätte sich wohl so mancher heterosexuelle Mann im Auditorium gewünscht, das Kapitänspatent sein Eigen zu nennen.

Keine Spur von textiler Erotik indes bei Superpunk; sexy sind die fünf Burschen trotzdem. Weil sie exzessive Kirmesorgeleien und ausgeklügelt simple Rhythmus-Strickmuster auf Lager haben, bei denen der Hund in der Pfanne verrückt wird. Superpunk sind die Ton Steine Scherben des aufklärerischen Spaß-Punk, und in Kombination mit ihren Bescheidwisser-Texten wird daraus eine fulminante Angelegenheit. Brandheiße Eisen werden angstfrei angepackt, schonungslos werden Ross und Reiter genannt. Spätkapitalismus-Kritik und ein Wort zur Gesellschaft im 21. Jahrhundert? Ist bei Superpunk alles vorrätig: in Songs wie „Auf ein Wort Herr Fabrikant“ und „Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen“.

Ebenfalls in der Gästeschar: Spillsbury. Wer das leicht Käsige in den achtziger Jahren lecker fand, wurde mit ihrem hypernervös-zappelnden, zuweilen leicht hysterischen Elektropop, der wahlweise an Rheingold und DAF gemahnt, bestens bedient. Spät war es geworden, sehr spät, und als Die Sterne dann fertig hatten, gab's beim Verlassen der Kantine noch mehr Feines zu hören: Im Biergarten kratzten die DJs ein paar legendäre Gitarren-Rodeos von AC / DC aus den Vinylrillen. Das Leben hält nicht allzu viele Abende parat, an denen einfach alles richtig läuft.

KStA abonnieren