Industrielle LandwirtschaftGanze Landstriche in Deutschland sind ohne Feldvögel

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Berlin – Große Maschinen fräsen sich durch weitläufige Felder, versprühen riesige Mengen Dünger oder Pflanzenschutzmittel und übernehmen die Ernte, wenn die Feldfrüchte reif sind: Die Landwirtschaft in Deutschland ist hochgradig mechanisiert, der Einsatz von Ackergiften gehört vielerorts zum Alltag. Die meisten Bauern hierzulande stehen unter einem gewaltigen Preis- und Mengendruck. Alles ist auf Effizienz getrimmt, der Schutz der Umwelt zweitrangig. Kehrseite der industriellen Agrarproduktion ist der Verlust von Kulturlandschaften und Artenvielfalt.

Auch etliche Vogelarten, die auf natürliche Äcker, Wiesen und Weiden angewiesen sind, könnten eines Tages verschwunden sein: Kiebitze oder Rebhühner etwa galten noch vor wenigen Jahrzehnten in Deutschland als Allerweltsvögel. Inzwischen sind ihre Bestände dramatisch reduziert. Der massenhafte Einsatz von Insektiziden und Herbiziden auf den Feldern etwa vermindert das Nahrungsangebot. Durch die fortschreitende Mechanisierung der Feldarbeit und die Trockenlegung von Feuchtgebieten werden Lebensräume zerstört.

Rebhuhn mit Küken

Rebhuhn mit Küken

„Geht man in Zukunft von einer Fortführung dieser Bewirtschaftungsintensität beziehungsweise sogar von einer Erhöhung aus, könnten ganze Agrarlandschaften vogelleer werden“, heißt es in einer aktuellen Studie, die das Forschungsinstitut für Ökosystemanalyse an der RWTH Aachen im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellte. Die Bestandsentwicklung der Feldvogelarten sei „besorgniserregend“. „Insbesondere in den letzten zehn Jahren ist ein beschleunigter Rückgang der Populationszahlen zu verzeichnen“, schreiben die Aachener Wissenschaftler. „Aus heutiger Sicht ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass einzelne, ehemals häufige Vogelarten vollständig als Brutvögel aus Deutschland verschwinden oder nur mit marginalen Restpopulationen überleben.“

16 von 20 typischen Feldvogelarten sind laut „Roter Liste“ der Weltnaturschutzunion in ihrem Bestand gefährdet, darunter die Feldlerche, das Braunkehlchen oder der Grauammer. Der Kiebitz und das Rebhuhn gelten in Deutschland sogar als „stark gefährdet“.

Der Rückgang der Kiebitz-Populationen begann in Deutschland laut Studie in den 1970er Jahren. So sei 1985 die Population noch auf 215000 Brutpaare geschätzt worden, zuletzt waren es nur noch etwas mehr als 80000 Paare. „Dieser rückläufige Trend ist deutschlandweit, in allen Bundesländern zu verzeichnen“, schreiben die Wissenschaftler. Ähnlich dramatisch sieht es beim Rebhuhn aus. In den vergangenen 30 Jahren habe dieser Vogel in Europa zu den am stärksten dezimierten Arten gehört, heißt es in der Studie. In Deutschland sei noch von 86000 bis 93000 Brutpaaren auszugehen, schreiben die Experten. „Seit Anfang der 1980er Jahre haben sich die Zahlen in Deutschland mindestens halbiert, in manchen Bundesländern geht der Bestandsverlust bis zu 90 Prozent.“ Im Osten Deutschlands sei das Rebhuhn in früheren Zeiten flächendeckend verbreitet gewesen. Heute gebe es ganze Landstriche, in denen die Art komplett fehlt.

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