Streaming-DienstNetflix auf dem Weg zum Unterhaltungs-Weltmarktführer

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Netflix glänzt mit hervorragenden Bilanzen.

Berlin – Auch in Zeiten größerer Verstörungen bei Anlegern, kommt gelegentlich echte Euphorie auf. So geschehen am Dienstag. Das Papier des Video-Abruf-Dienstes Netflix schoss an den Börsen zeitweise um gut 20 Prozent in die Höhe. Der Grund: Das Unternehmen hat Zahlen vorgelegt, die weit über den Erwartungen der Experten lagen. Investoren würden von den aktuellen Daten  in ihrer Einschätzung bestärkt, dass Netflix das Zeug dazu habe, ein dominierendes globales Online-Unterhaltungsunternehmen zu werden, hieß es beim US-Finanznachrichtendienst Bloomberg. Das bedeutet: Aufstieg in die erste Liga der großen Internetunternehmen neben Google, Amazon oder Facebook.

Noch ist die digitale Videothek da noch nicht angekommen. Aber die Gesamtzahl der Abonnenten ist im vergangenen Quartal um 3,57 Millionen geklettert. Mit 86,7 Millionen Nutzern kommt die 100-Millionen-Grenze immer näher, zumal das Management für das Schlussquartal 2016 mit einem weiteren Zuwachs von 5,2 Millionen Kunden rechnet.

Netflix will weiter auf eigene Produktionen setzen

Das Erfolgsgeheimnis ist schnell verraten: Netflix überzeugt mit eigenen Produktionen, die auch von anspruchsvollen Feuilletonisten hoch gelobt werden. Das fing an mit dem Politthriller  „House of Cards“. Später kam „Orange ist the new black“ hinzu.

Inzwischen schauen sich Millionen an den TV-Geräten und auf  Notebooks die Science-Fiction-Serie „Stranger Things“ oder die Gangster-Reihe „Narcos“ an.  Diese Strategie will Konzernchef  Reed Hastings weiter forcieren. Nächstes Jahr will er sechs Milliarden Dollar in Eigenproduktion stecken – eine Milliarde mehr als 2016.

Hastings kündigt größere Profite an

Die hohen Investitionen haben zur Folge, dass unter dem Strich kaum ein Gewinn übrig bleibt. Das sehen vor allem US-Investoren Hastings aber nach, begreifen sie doch die aggressive Expansionsstrategie als Voraussetzung für die erwartete globale Dominanz. Und schließlich sind die Umsätze im dritten Quartal um beinahe ein Drittel auf 2,29 Milliarden Dollar geklettert. Außerdem hat Hastings für nächstes Jahr Profite in namhafter Größenordnung angekündigt.

Ein Schwerpunkt beim Selbstgemachten sollen 2017 Filme und Serien in für Amerikaner fremden Sprachen und mit teilweise für Amerikaner schwerer verständlichen  Inhalten sein. Der Hintergrund: In den USA ist das Abruf-Fernsehen schon erheblich stärker verbreitet als im Rest der Welt. Zudem tobt dort ein heftiger Konkurrenzkampf. Ganz anders im Ausland. Doch genaue Zahlen über das Wachstum gibt das Management nicht preis. Es wird lediglich angedeutet, das Brasilien und Australien starke Zuwächse zeigen. Großbritannien dürfte der wichtigste Markt in Europa sein.

Mehr als eine Million Abonnenten in Deutschland

In Deutschland geht es offenbar eher zäh voran, wegen des großen Angebots der Öffentlich-Rechtlichen.  Die Marktforscher von Digital TV Research hatten für Ende 2015 die Zahl der hiesigen Abonnenten auf 1,2 Millionen bei 37 Millionen Fernsehhaushalten hochgerechnet. Inzwischen dürften mehrere Hunderttausend hinzugekommen sein. Nach einer Studie des Hightechverbandes Bitkom werden in diesem Jahr die Umsätze mit  Abruf-Abo-Diensten um fast zwei Drittel auf 215 Millionen Euro klettern.

2018 sollen es sogar schon 352 Millionen Euro sein. Dabei konkurriert Netflix hierzulande mit den Streaming-Diensten  von Amazon und Maxdome – einer Tochter des TV-Konzerns Pro Sieben-Sat 1. Gleichwohl ist der Anteil der Abrufdienste am gesamten TV-Markt noch immer sehr gering.

Große Potenziale bei Streaming-Diensten

Fast 260 Minuten lang schauen sich die Deutschen derzeit das klassische, lineare Fernsehen an. Elf Minuten kommen hingegen nur im Schnitt bei Filmen und Serien zusammen, die aus dem Internet abgerufen werden. Das bedeutet aber auch: große Potenziale. Die bestehen vor allem durch einen Faktor, der wie ein Turbo wirkt: Die Anbieter analysieren akribisch das Verhalten ihrer Kunden bei der Suche nach bewegten Bildern – was Datenschützer heftig kritisieren. Doch daraus generieren Netflix und Co  Empfehlungen für jeden einzelnen Nutzer.

Es werden also automatisierte individuelle TV-Programme zusammengestellt. Zudem werden die Daten genutzt, um neue Serien zu entwickeln, die die Vorlieben vieler treffen. Der in der Branche viel diskutiert Unterschied zwischen Lean-Back-Media (lineares Fernsehen) und  Lean-Forward-Media (Videos auf Abruf) wird damit zunehmend verschwinden.

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