Arnault gegen PinaultDuell der Modemogule

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Illustration: Zwei Männer im Smoking treffen sich zum Duell.

François-Henri Pinault und Bernard Arnault kämpfen um die Vorherrschaft in der Luxusgüterindustrie.

Hinter den Kulissen der Luxusmodebranche tobt ein erbarmungsloser Machtkampf. Im Zentrum stehen zwei ältere Männer: Bernard Arnault und François-Henri Pinault. Wer sind sie?

Notre-Dame brannte, und zwei der reichsten Unternehmerpersönlichkeiten Frankreichs überboten sich darin, für den Wiederaufbau Geld zu spenden. Noch während im Frühling 2019 die Pariser Kathedrale in Flammen stand, teilte François-Henri Pinault (61) mit, dass er 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau über die Familien-Holding bereitstellen würde. Er ist Chef der Luxusgruppe Kering, sein Vermögen wird auf 26 Milliarden Euro geschätzt.

Nur einen Tag nach der Ankündigung Pinaults gab dann Bernard Arnault bekannt, er werde sogar 20 Millionen Euro spenden. Der 74-Jährige ist der Eigentümer des Konzerns LVMH und gilt mit einem Vermögen, das im Juni 2023 laut Forbes 233 Milliarden US-Dollar betrug, als reichster Europäer, zeitweise sogar als der reichste oder der zweitreichste Mann der Welt – je nach Stand der Börsenkurse. Derzeit liegt Elon Musk vor ihm.

Inwieweit bei den großzügigen Spenden für Notre-Dame altruistische Motive eine Rolle spielten und in welchem Maß Effekthascherei, wissen nur die Männer selbst. Die Spenden waren zum Großteil steuerlich absetzbar; beide ließen jedoch erst auf massiven öffentlichen Druck hin verlauten, auf den Steuervorteil zu verzichten. Eines machten die Millionenbeträge aber in jedem Fall nachdrücklich klar: Die Grandseigneurs sind Rivalen, die stets versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Rechte an 75 Marken

Es geht dabei hauptsächlich um die Vorherrschaft in der Luxusgüterindustrie, dazu zählen etwa Mode, Lederwaren, Schmuck, Parfüms und Spirituosen. „Der börsennotierte LVMH-Konzern ist der weltweite Branchenführer. Er hält die Rechte an 75 verschiedenen Marken, darunter Dior und Tiffany & Co.“, sagt Beate Welp-Gerdes, die an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld den Studiengang Fashion Management leitet und selbst jahrelang in der Modeindustrie tätig war. Der von Arnault geführte Konzern entstand 1987 durch die Fusion mehrerer Unternehmen: Der Name setzt sich aus der traditionsreichen Koffer- und Taschenmarke Louis Vuitton, dem Champagnerhersteller Moët et Chandon und dem Cognacproduzenten Hennessy zusammen. Zum ebenfalls börsennotierten Kering-Konzern mit Pinault an der Spitze zählen Marken wie Saint Laurent, Balenciaga und Gucci.

Die zwei Unternehmer, die als äußerst disziplinierte Arbeitstiere gelten, führen heute einen Konkurrenzkampf fort, der seit langem zwischen ihren Familien besteht: Arnault lieferte sich Ende der 1990er-Jahre bereits mit Pinaults Vater François eine fast zwei Jahre andauernde Übernahmeschlacht um die italienische Modemarke Gucci, bei der beide Großaktionäre waren. Mehrmals musste vor Gericht verhandelt werden; letztlich gewann Pinault Senior die Mehrheitsanteile. Er hatte die Firmengruppe 1963 im Holz- und Baustoffwirtschaftszweig gegründet und war bald auch in den Einzelhandelssektor und die Kleidungsbranche vorgestoßen. Sein Sohn François-Henri, verheiratet mit der Schauspielerin Salma Hayek, übernahm 2005 die Leitung von Kering und ist seither nicht weniger expansiv unterwegs.

Der Appetit von Kering und LVMH nach Luxusmarken scheint unersättlich, „da geht es ganz klar um Wachstum, sie kaufen eine Firma nach der nächsten“, sagt Beate Welp-Gerdes. „Regelmäßig handelt es sich dabei auch um Unternehmen, die kränkeln. Mit dem finanziellen Support und der Marketingunterstützung der neuen Eigentümer erscheinen sie dann in neuem Glanz.“

Kölner Firma Rimowa: Marke neu aufgestellt

So machte der gelernte Ingenieur Bernard Arnault seine ersten Millionen, indem er 1984 den angeschlagenen Textilkonzern Boussac kaufte, zu dessen Tochterfirmen auch das Modehaus Christian Dior gehörte. 2016 übernahm LVMH 80 Prozent der Firmenanteile des Kölner Kofferherstellers Rimowa und begann konsequent damit, die Marke neu aufzustellen. Das etwas angestaubte Logo wurde ebenso wie das gesamte Corporate Design durch zeitgemäße Neuentwürfe ersetzt.

„Das ist etwas, was beide Unternehmer hervorragend verstehen: Sich durch Neuausrichtung auf die wichtigste Zielgruppe, die der unter 30-Jährigen, zu konzentrieren und sie zum Einstieg ins Luxussegment zu führen“, erläutert Welp-Gerdes. „Die gewieften Strategen haben verstanden, dass sie Marken mit Persönlichkeiten aufladen müssen, um sich die Aufmerksamkeit der jungen Konsumentenschicht zu sichern.“ Es gehe nicht mehr darum, den besten Absolventen einer Modeschule als Chefdesigner zu engagieren, sondern darum, diejenigen zu verpflichten, die eine globale Fanbase hätten. „Diese oftmals als Kreativdirektoren bezeichneten Stars werden gehandelt wie begehrte Fußballer. Einer der größten Coups der vergangenen Jahre war um Beispiel das Engagement von Pharrell Williams für Louis Vuitton“, so Welp-Gerdes.

Ikonen der Gegenwart auf dem Pont Neuf versammelt

LVMH engagierte Anfang dieses Jahres den US-amerikanischen Musikproduzenten als verantwortlichen Kreativchef der Männermodelinie. Für Williams’ Auftaktshow im Juni, dem wohl meisterwarteten Debüt des Jahres, ließ Arnault den Pariser Pont Neuf, die älteste Brücke der Stadt, sperren. In der ersten Reihe saßen Kim Kardashian, Rihanna, Jay-Z und Beyoncé – alle Ikonen der Gegenwart, mit einer astronomischen Reichweite auf Instagram.

Doch wie schaffen es Pinault und Arnault, der Käuferschaft Luxusgegenstände in Krisenzeiten schmackhaft zu machen? „Luxus geht immer. Man will zeigen, dass man etwas hat, und mit den großen Gucci- und Louis-Vuitton-Logos funktioniert das hervorragend“, sagt Welp-Gerdes. „Das typische Einsteigerstück für junge Leute ist eine Handtasche oder ein Portemonnaie, zwischen 400 und 1500 Euro – auch online erhältlich.“ LVMH gehörte wie Amazon zu den großen Corona-Gewinnern: Die Aktie legte 2021 um 70 Prozent zu.

„Ein weiterer Kniff ist der, dass sie den Konsumenten das Gefühl einer Wertsteigerung geben, indem sie die Preise viermal im Jahr erhöhen“, weiß Welp-Gerdes. „Die Kunden und Kundinnen sagen sich: ‚Super, ich war früh dran und habe meine Tasche günstiger bekommen als die Leute heute. Was für eine gute Anlage. Das mache ich wieder!“

Pinaults und Arnaults Konkurrenz erstreckt sich jedoch nicht nur aufs Geschäftliche. Es geht auch um Eitelkeit und Präsenz. Beide besitzen Weingüter, Schlösser und sammeln Kunst. Pinault ist dabei der Einflussreichere: Er besitzt eine der größten Privatsammlungen weltweit. Das stete Tauziehen zwischen beiden hat kein Ende: Im Sommer erwarb Pinaults Kering-Konzern für 1,7 Milliarden Euro 30 Prozent des römischen Modehauses Valentino – kurz darauf verkündete Arnault, LVMH werde Premiumpartner der Olympischen Spiele in Paris 2024. Das Duell geht in die nächste Runde.


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