Flüssiger LuxusWer braucht eigentlich unfassbar teures Gletscherwasser?

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Sprudelwasser gibt es in günstig und exklusiv.

Sprudelwasser gibt es in günstig – und sehr teuer.

Wasser ist heutzutage auch ein Lifestyleprodukt: Hochpreisiges Mineralwasser aus entlegenen Gletschern verspricht exklusive Erfrischung. Nur ein Marketingtrick? 

Die hellblaue, mit Flüssigkeit gefüllte, Flasche aus Milchglas ist verziert mit Edelsteinen, ihr Deckel ist geformt wie die Miniaturausgabe einer königlichen Krone. Die Flasche enthält jedoch weder Champagner noch erlesenen Wein, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, sondern stilles Wasser. Und das hat seinen Preis: Für eine Flasche des japanischen Luxuswassers „Fillico“ aus der Nunobiki-Quelle mit ihren berühmten Wasserfällen in Kobe zahlt man in Europa Hunderte Euro. Je nach Anbieter und limitiertem Flaschendesign teils sogar noch mehr.

Gerade in der gehobenen Gastronomie servieren Restaurants gern hochpreisiges Wasser in aufwendig gestalteten Flaschen. Manche bieten gar eine eigene Mineralwasserkarte mit Dutzenden Optionen an. Es handelt sich mitunter um Flaschen zu Preisen, die teils auch für ein Glas edlen Wein fällig werden. Die Qualität der Fässer, die Reifezeit und die Rebsorten beeinflussen unter anderem, wie viel ein Wein kostet und wie er schmeckt. Aber gibt es wirklich eine Rechtfertigung für teures Mineralwasser – oder macht die Verpackung den Preis aus?

Zwei Teile Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff ergeben bekanntlich H2O. Und dennoch ist Wasser nicht gleich Wasser. Ebenso wie es bei Kaffee und Wein Geschmacksunterschiede gibt, variieren auch Mineralwassersorten. „Mineralwasser kann salzig, süß, bitter und sauer schmecken“, sagt der Wassersommelier Timo Bausch. Ausschlaggebend für den Geschmack ist vor allem die Zusammensetzung der Mineralien. „Enthält es viel Natriumchlorid, schmeckt das Wasser eher salzig. Mit Calcium und Magnesium wird es eher süß“, sagt Bausch.

Teilweise ist die mineralische Zusammensetzung bei günstigen Mineralwassern im Supermarkt sogar interessanter
Timo Bausch, Wassersommelier

Die Mineralien kommen von Natur aus ins Wasser. Dahinter steckt ein jahrzehntelanger Prozess: Wenn Regenwasser versickert, durchläuft es im Boden Erd- und Gesteinsschichten. Dadurch wird das Wasser gefiltert und nimmt Mineralien und Spurenelemente auf, je nach Quelle teilweise auch Kohlensäure. Mineralwasser ist das einzige Lebensmittel in Deutschland, das eine amtliche Anerkennung benötigt – und dafür muss es zwingend aus unterirdischen Wasservorkommen stammen, die vor Verunreinigungen geschützt sind. „Man darf höchstens Schwefel und Eisen aus dem Wasser entfernen und die Kohlensäure entnehmen oder hinzufügen. Ansonsten darf es bei der Abfüllung nicht behandelt werden.“

Mehr als 500 Mineralbrunnen in Deutschland

In Deutschland gibt es mehr als 500 Mineralbrunnen. Die meisten daraus gewonnenen Mineralwässer kosten unter einen Euro pro Liter. Produkte aus dem Supermarkt oder dem Internet, die deutlich teurer sind, werben meist mit einer besonderen Quelle, aus der das Wasser stammt. Das Versprechen: Das Wasser sei besonders rein und mineralstoffreich. Für die Marke „Voss“, deren Flasche von Calvin Klein designt wurde, zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland je nach Anbieter zum Beispiel zwischen 3 und 5 Euro für 800 Milliliter. Das norwegische Unternehmen rechtfertigt den Preis unter anderem damit, dass das Wasser in der unberührten Natur Südnorwegens durch Gesteins- und Sandschichten gefiltert werde.

Für die Marke „Svalbarði“ zahlte man bis zum vergangenen Jahr dagegen schon mal gut 100 Euro für 750 Milliliter. Das Wasser stammte aus Gletschern auf der Inselgruppe Spitzbergen in Norwegen und wurde in eine Art durchsichtige Prosecco-Flasche gefüllt. Das Geschäft damit lief jedoch nicht so gut wie erhofft: 2023 musste die Firma wegen finanziellen Schwierigkeiten aufgeben.

Mineralwasser, das durch Sandschichten gefiltert oder aus Gletschern gewonnen wird, mag eher nach einer Spezialität klingen als aus dem Weserbergland stammendes Trinkwasser. Aber inwiefern bestehen Qualitätsunterschiede, und kann man sie schmecken?

Als Wassersommelier beurteilt Bausch den Geschmack und die Qualität von Mineralwasser – und weiß, dass der Preis kein guter Indikator dafür ist. „Aus meiner Sicht gehen hohe Preise vor allem auf Marketing zurück: Das Wasser wird aus besonderen Quellen gewonnen und in Designerflaschen gefüllt“, sagt er. „Aber das alles macht das Wasser nicht automatisch besser als ein anderes. Teilweise ist die mineralische Zusammensetzung bei günstigen Mineralwassern im Supermarkt sogar interessanter.“ Zum Vergleich: Das Sprudelwasser von Voss kommt insgesamt auf etwa 340 Milligramm Mineralisierung, das deutlich günstigere Wasser von „Gerolsteiner Medium“ auf knapp 2500.

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Auch die Stiftung Warentest hat in ihrem jüngsten Mineralwasser-Test vom Juni 2023 festgestellt, dass ein höherer Preis keine bessere Qualität verspricht. Getestet wurden mehr als 60 Sorten. Hochpreisige Luxuswasser waren nicht darunter, dafür aber bekannte Sorten mit unterschiedlichen Preisen pro Flasche. „Rewe Ja Classic“ bekam zum Beispiel die Note „sehr gut“, das etwas teurere „Labertaler Heil- und Mineralquellen Bio Classic“ schnitt mit „gut“ ab. Insgesamt konnten die allermeisten Sorten im Test überzeugen. „Es gibt keinen anderen Lebensmitteltest, bei dem wir so oft die Noten ‚sehr gut‘ und ‚gut‘ vergeben“, sagt Ina Bockholt, die bei Stiftung Warentest unter anderem die Mineralwassertests betreut.

Wasser aus Designerflaschen ist nicht automatisch besser
Timo Bausch, Wassersommelier

In die Endnote fließt im Test zu 40 Prozent das Ergebnis der sensorischen Prüfungen ein: Die Prüfenden beurteilen Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl. Wichtig ist, dass das Wasser keinen Fremdgeruch oder -geschmack und auch keine fruchtigen Noten aufweist. Außerdem werteten die Testerinnen und Tester Produkte ab, deren Flasche keine gute Qualität aufwies. Also zum Beispiel, wenn Bestandteile der PET-Flasche ins Wasser übergehen. In puncto Verpackung hätten auch viele Luxus-Mineralwasser im Test versagt. „Individuelle Flaschen, die bei hochpreisigen Mineralwassersorten etwa wie eine Blumenvase aussehen, sind praktisch nicht recycelbar. Sie hätten bei uns im Test dafür eine schlechte Note bekommen“, sagt Bockholt.

Aus Umwelt- und Klimasicht ist teures Mineralwasser ohnehin oft problematisch. Wenn Wasser aus Japan oder Spitzbergen um die halbe Welt reisen muss, ist der ökologische Fußabdruck dieser Sorten schließlich enorm. Wer Mineralwasser in Mehrweg-Glasflaschen aus Quellen in der eigenen Region kauft, trinkt vergleichsweise klimafreundlicheres Wasser. Noch umweltschonender ist nur Leitungswasser – und damit muss man laut Stiftung Warentest nicht einmal auf Qualität verzichten. „In Deutschland hat Trinkwasser eine sehr gute Qualität. Die meisten Mineralwasser haben kaum mehr oder manchmal sogar weniger Mineralstoffe als das Trinkwasser“, sagt Bockholt. Denn beim Mineralwasser ist nicht vorgeschrieben, wie viel Mineralstoffe es enthalten soll. Mineralstoffreich sind nur die wenigsten.


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