Zweiter WeltkriegZivilisten haben Piloten getötet

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Solch ein Bomber vom Typ Boeing B-17, genannt „Fliegende Festung“, stürzte am 15. Oktober 1944 über Frechen ab. (Bilder: Privat )

Solch ein Bomber vom Typ Boeing B-17, genannt „Fliegende Festung“, stürzte am 15. Oktober 1944 über Frechen ab. (Bilder: Privat )

Pulheim/Frechen – Um 4 Uhr am Morgen des 15. Oktober 1944 hebt ein amerikanischer Bomber vom englischen Flugfeld Thurleigh ab. Das Flugzeug vom Typ Boeing B-17, genannt Flying Fortress (fliegende Festung) steuert mit weiteren Bombern Köln an. Die Luftangriffe sind gefürchtet, sowohl bei den Deutschen als auch bei den Bomberbesatzungen – im „Kölner Loch“ im Westen der Domstadt wurden viele Flugzeuge der Alliierten mit Hilfe vieler Radaranlagen mit Flugabwehrkanonen (Flak) abgeschossen. Über Köln-Flittard wird auch die in Thurleigh gestartete Maschine schwer getroffen. Die letzten Worte des Bombenschützen, der gemeinsam mit dem Navigator in der Nase des Flugzeugs sitzt: „Flak 12 Uhr“, also Flugabwehrkanone geradeaus. Die Kanzel wird abgeschossen, Navigator und Bombenschütze sterben. Die trudelnde Maschine dreht ab, fliegt über Leverkusen und Chorweiler zurück. Sieben Besatzungsmitglieder können sich mit einem Fallschirmsprung retten.

Zahlreiche Zeugenaussagen

Über Pulheim springt auch der Co-Pilot als letztes Besatzungsmitglied ab. Roy Wendell Duncan erreicht lebend Brauweiler Boden. Und doch kommt der Texaner zu Tode. „Er wurde von Zivilisten erschlagen“, sagt Willi Weiss. Der frühere Oberaußemer hat sich dieser Geschichte gemeinsam mit dem Professor Paul Stelkens aus Pulheim angenommen und den Absturz minutiös nachgezeichnet. Um 9.38 Uhr ging der Bomber in Königsdorf nieder. Bei der Explosion sterben sechs Menschen am Boden. Für die beiden Historiker von besonderem Interesse ist das Schicksal des Co-Piloten. „Dass er von deutschen Zivilisten getötet wurde, ist dokumentiert“, versichert Weiss. „Es gibt zahlreiche Zeugenaussagen.“ Doch was Weiss irritiert: Alle Indizien sprechen dafür, dass Duncan gemeinsam mit seinem Kameraden Joseph A. Seibert auf dem Geyener Friedhof begraben sein soll. „Das ist absolut ungewöhnlich. Alle toten US-Soldaten wurden entweder heimgeholt oder nach Belgien oder in die Niederlande umgebettet. Einen Amerikaner in Feindeserde zu lassen kam nicht infrage.“ Und doch gibt es eine Geyener Grabnummer für Duncan aus den 1950er Jahren.

Für Weiss liegt der Schluss nahe, dass die deutschen Behörden gegenüber den US-Amerikanern eher zurückhaltend mit Informationen über den 22-Jährigen umgegangen sind. „Das könnte mit der Art, wie er zu Tode kam, zu tun haben“, formuliert Weiss vorsichtig. So weiß etwa Duncans Familie nichts über den Verbleib der Leiche. „Ich kenne mein Leben lang nur die Geschichte, dass er im Kampfeinsatz vermisst ist, über Deutschland abgeschossen. Sein Leichnam wurde nie gefunden“, sagt seine Nichte Karen Morrow Shaw aus Texas. So steht es auch auf einem Gedenkstein in Duncans Heimat. „Soweit ich weiß, hat die Familie nie irgendeine andere Information bekommen.“ Bei der Stadt Pulheim ließ sich nicht klären, ob Duncan und sein Kamerad auf dem Geyener Friedhof liegen. „Unsere Friedhofsverwaltung hat keine Akten mehr darüber“, sagt Pressesprecher Dirk Springob. Man forsche aber weiter nach. Auch bei der katholischen Kirchengemeinde werden alte Unterlagen durchforstet. Paul Stelkens hat inzwischen auch den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen eingeschaltet.

„Sollte sich herausstellen, dass Duncan und sein Kamerad noch in Geyen liegen, werden die amerikanischen Behörden sicherlich eine Umbettung vornehmen lassen“, sagt Weiss. Er und Stelkens hoffen nun auf Pulheimer Bürger, die Erkenntnisse über den Fall haben. Sie bitten um Kontaktaufnahme per E-Mail.

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