Radstadion KölnTrainingsstätte der Extraklasse

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Radstadion

Optimale Bedingungen für Topstars und Nachwuchstalente im Radstadion Köln.

Der März war ein goldener Monat für Joachim Eilers. Der Kölner kürte sich in London zum Doppel-Weltmeister im Bahnradsport. Sowohl im Zeitfahren als auch in der olympischen „Keirin“-Disziplin hatte der 26-Jährige auf der Ziellinie die Nase vorn. Ein schöner Erfolg zugleich für seine Heimatstadt Köln, die mit der Albert-Richter-Bahn selbst Heimat eines Radstadions ist. Von 1990 bis 1996 entstand die Anlage für 12,6 Millionen Mark im Sportpark Müngersdorf. Bei seiner Eröffnung entsprach das von Top- Architekt Ralph Schürmann konzipierte neue Rund den olympischen Richtlinien und Maßen. Es steht exakt an der gleiche Stelle wie seine Vorgängerin. In der Müngersdorfer Radrennbahn fanden einst nicht nur Weltmeisterschaften statt, dort trug zudem von 1971 bis 1975 der 1. FC Köln seine Bundesliga-Heimspiele aus.

Der Namensgeber

Albert-Richter

Albert Richter

Die Kölner Bahn wurde benannt nach Albert Richter. Der gebürtige Ehrenfelder gewann im Jahr 1932 die Rad-Weltmeisterschaft im Sprint bei den Amateuren. Zu seinen weiteren Erfolgen – dann als Profi – zählten sieben deutsche Titel (1933–1939) und zwei Vize-Weltmeisterschaften. Dem nationalsozialistischen Regime stand Richter ablehnend gegenüber, einer Vereinnahmung entzog er sich.

Am 31. Dezember 1939 verließ der Radstar per Zug seine Heimatstadt mit dem Ziel Schweiz. Bei den Grenzkontrollen fanden sich in den Reifen eines mitgeführten Rennrades mehr als 12.000 Reichsmark, die Richter dem Kölner Juden Alfred Schweizer bringen wollte. Albert Richter verstarb am 2. Januar 1940 im Gefängnis von Lörrach. Die offizielle Todesursache lautete „Selbstmord“, Zeugenaussagen legen indes eine Ermordung nahe.

Beste Voraussetzungen

„Das Stadion ist NRW-Landesleistungszentrum und Trainingsstätte des Olympiastützpunktes Rheinland“, sagt Werner Schleicher, Mitarbeiter des Kölner Sportamtes und dort der Experte für Radsport. „Viele der heutigen Stars – wie etwa Dominik Roels  – kommen von dieser Bahn. Sie bietet Voraussetzungen der Extraklasse.“ Im Alltag nutzen hauptsächlich die Deutsche Sporthochschule, Vereine und Schulen die Anlage. Besitzer ist die Kölner Sportstätten GmbH, weshalb das Sportamt als Betreiber Stunden anmietet. „Unser Budget beträgt 166.000 Euro pro Jahr, was für rund 800 Stunden reicht“, sagt Sportamtsleiter Dieter Sanden. „Ist dieser Etat erschöpft, müssen wir Interessenten leider eine Absage erteilen.“

Interessante Events

Schwierig ist die Situation für Veranstaltungen. Da heutzutage Titelkämpfe nur noch in Hallen durchgeführt werden dürfen, fällt das Radstadion hierfür aus. Der Versuch, mit der „Freitag Nacht“ eine regelmäßige Rennserie zu etablieren, scheiterte im Jahr 2001 an wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dennoch lohnt sich für Radsportfreunde der Besuch in Müngersdorf an vielen Tagen. „Am 22. Mai können Interessierte unter dem Motto ‚Bahn frei‘ beim Jedermanntag ein Rad ausleihen und auf der Bahn ihre Runden drehen“, sagt Schleicher.

Hochkarätigen Nachwuchssport auf Spitzenniveau bieten vom 8. bis 10. Juli die Deutschen Meisterschaften in der olympischen Disziplin Omnium. Vielleicht geht in den Altersklassen U15, U17 und U19 ja ein Weltmeister von morgen an den Start. Außersportliche Aktivitäten sind im Radstadion nur schwer realisierbar. „Aus Lärmschutzgründen dürfen im Sportpark zusätzlich zu den Fußballspielen nur 15 weitere Ereignisse stattfinden“, sagt Dieter Sanden. „Da bleiben neben der FC-Saisoneröffnung, Lauf-events und Konzerten nicht viele Termine übrig.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite alles über die geplante Mountainbike-Strecke.

Radstadion

Optimale Bedingungen für Topstars und Nachwuchstalente im Radstadion Köln.

Geplanter Ausbau

Noch Zukunftsmusik ist die Erweiterung um eine Mountainbike-Strecke und einen sogenannten Pumptrack für BMXer. „Der Trail für die Geländeräder würde mit zwei verschiedenen Schwierigkeitsgraden rund um die heutige Anlage über die Hänge des alten Radstadions führen“, erklärt Werner Schleicher. Der BMX-Kurs würde integriert. Dafür müsse kein einziger Baum gefällt werden. „Wir arbeiten bei den Planungen Schulter an Schulter mit den Sportstätten zusammen“, ergänzt Sport- amtsboss Dieter Sanden. Weitere Partner im Rahmen des ambitionierten Vorhabens sind die Sporthochschule, der Olympiastützpunkt sowie Insider aus der Mountainbike- und BMX-Szene. Gelingt die Finanzierung, könnten die Arbeiten im kommenden Winter beginnen. Für die Radartisten stünde der spektakuläre Ausbau schon im Sommer 2017 zur Verfügung – und dies bei freiem Eintritt.

Goldene Aussichten

Ehe es soweit ist, werden sich Joachim Eilers und die anderen Kaderathleten in Müngersdorf auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vorbereiten. Da die dortige Bahn erst auf den letzten Drücker fertiggestellt wird, bietet sich Köln im Vorfeld als optimaler Trainingsort an. Um den Grundstein für einen weiteren goldenen Monat „Made in Cologne“ zu legen.

Legendäre Sporthalle

Größen ihrer Zeit

Sporthalle

Franz Wendland (l.) beim Start

Während sich die Profifahrer heute spezialisiert haben, traten die Stars früher sowohl im Sommer auf der Straße als auch im Winter in der Halle an. Daher bekam das kölsche Publikum die absoluten Zweiradgrößen der damaligen Zeit zu sehen. In den Siegerlisten finden sich prominente Namen zuhauf: Rudi Altig, Patrick Sercu oder Dietrich Thurau standen ganz oben auf dem Treppchen. „Die Bahn war sehr kurz, bestand praktisch nur aus Kurven“, sagt Sportamtsmitarbeiter Werner Schleicher. „Deshalb rasten die Profis mit sehr hohen Geschwindigkeiten durchs Oval.“ Die letzte Auflage 1997/98 entschieden der Deutsche Andreas Kappes und der Italiener Adriano Baffi für sich.

Packende Duelle

Traditionell wurden die deutschen Sechstagerennen im Winter gefahren, in Köln zwischen Weihnachten und Silvester. „Das ist ja sonst eine tote Zeit“, sagt Dieter Sanden, Leiter des Sportamtes. „Also ging der Kölner in die Sporthalle, um in die Atmosphäre einzutauchen, die immer etwas von Karneval hatte.“ Die Mischung aus hochklassigem Sport und Unterhaltung kam an. Während sich die internationalen Radstars packende Duelle lieferten, sorgten auch mal leicht bekleidete Tänzerinnen für Amüsement. Und der damlaige Sportstätten-Chef Franz Wendland ritt einmal zu Werbezwecken auf einem Elefanten durch die Halle. In der Woche vor dem Heiligabend kämpften zudem die Amateure um den „Silbernen Adler von Köln“.

Lokalmatador Müller

Neben dem Sechstagerennen war die Halle Schauplatz vieler Großereignisse. Lokalmatador Peter „dä Aap“ Müller boxte, und 1973 spielten die Tennisprofis ihre Weltmeisterschaft aus. Die Superstars der Rock- und Popszene gastierten zudem dort. Die Ära des Kölner Sechstagerennens endete 1999 mit dem Abriss der Halle, da es in der Nachfolge-Location Lanxess-Arena keine Radbahn gibt. „Für die Sportstadt Köln ist es schade, dass es das Rennen nicht mehr gibt, aber so ist eben die Entwicklung“, sagt Schleicher.

Legendäre Sporthalle

Nicht nur Radsport-Nostalgiker blicken mit ein wenig Wehmut auf das berühmte Kölner Sechstagerennen zurück. Die erste Austragung ging im Jahr 1928 über die Bühne – seinerzeit noch in der Rheinlandhalle in Ehrenfeld. Nach einer Pause ab 1933 fand das spektakuläre Event 1958 erstmals in der neuen Sporthalle statt, die auf dem Gelände der Kölnmesse errichtet worden war. Veranstalter der Wettfahrten waren die Kölner Sportstätten.

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