Im Jahr 1933Schauprozess am Appellhofplatz

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Der "Westdeutsche Beobachter" präsentierte in seiner Ausgabe vom 24. Juli 1933 (Ausriss) die "Hauptschuldigen an den Morden" (v. l. oben): Hermann Hamacher, Otto Waeser, Bernahrd Willms, Heinrich Horsch, Josef Moritz, Arthur Nieswandt, Josef Mundorf und Josef Engel. (Bild: Archiv)

Der "Westdeutsche Beobachter" präsentierte in seiner Ausgabe vom 24. Juli 1933 (Ausriss) die "Hauptschuldigen an den Morden" (v. l. oben): Hermann Hamacher, Otto Waeser, Bernahrd Willms, Heinrich Horsch, Josef Moritz, Arthur Nieswandt, Josef Mundorf und Josef Engel. (Bild: Archiv)

Köln – Am Montag wird den Bolschewisten der Prozess gemacht!“ Bereits zwei Tage vor Verfahrensbeginn am Kölner Schwurgericht machte der „Westdeutsche Beobachter“, das Organ des NSDAP-Gaus Köln-Aachen, Stimmung gegen die Angeklagten. „Ganz Köln fordert strengste Sühne“, hieß es in der Überschrift. Am 17. Juli 1933 wurde der Prozess gegen 17 Kommunisten eröffnet, denen die Anklage vorwarf, am 24. Februar des Jahres zwei SA-Leute im Eigelsteinviertel erschossen und einen weiteren SA-Mann verletzt zu haben.

Blutige Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten gehörten seit der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zum Alltag der Weimarer Republik. Vor allem im Verlauf der häufigen Wahlkämpfe kam es immer wieder zu Zusammenstößen, es wurden Schusswaffen eingesetzt, es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Anhänger beider Lager schreckten selbst vor regelrechten Mordanschlägen nicht zurück. Seit der Machtübernahme Hitlers hatte auch die Kölner NSDAP ihre brutalen Einschüchterungsaktionen gegen NS-Gegner verschärft - bestärkt durch einen Erlass des kommissarischen preußischen Innenministers Hermann Göring, der SS- und SA-Leute als sogenannte Hilfspolizisten gegen die „hochverräterischen Umtriebe“ der KPD einsetzen ließ. Die reguläre Polizei hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon zu einem willfährigen Instrument der Hitler-Regierung umfunktionieren lassen.

Am 24. Februar 1933 waren am Rande von NSDAP-Kundgebungen Kommunisten und Nazis aneinandergeraten. Nach einer dieser „Volksversammlungen“ (wie der WB schrieb) hätten die Täter, allesamt Mitglieder des Rotfrontkämpferbundes Köln-Nord, so die Anklage, die SA-Leute Spangenberg und Winterberg auf ihrem Heimweg heimtückisch erschossen. Die Beerdigung der beiden „Blutzeugen“ Walter Spangenberg und Winand Winterberg (nach denen später der Hansaplatz und die Eintrachtstraße umbenannt wurden) hatte die Parteileitung zu einer nationalsozialistischen Propaganda-Veranstaltung genutzt, an der auch Polizeipräsident Walter Lingens und Regierungspräsident Hans Elfgen teilnahmen. Die Kölner Polizei hatte nach der Tat eine ganze Reihe von Kommunisten festgenommen, die Staatsanwaltschaft, deren Angehörige im Mai 1933 fast vollständig dem NS-Juristenbund und der Partei beigetreten war, erhob schließlich Anklage gegen 17 Beschuldigte.

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Parteien waren verboten

Bei Prozessbeginn am 17. Juli waren Machtübernahme der Nazis und Gleichschaltung auf fast allen gesellschaftspolitischen Ebenen so gut wie abgeschlossen, die Gewerkschaften waren in die Deutsche Arbeitsfront überführt, die Parteien, zuallererst die KPD, waren zerschlagen worden, hatten sich selbst aufgelöst oder waren verboten worden, wie die SPD am 22. Juni. Als letzte demokratische Partei hatte das Zentrum am 5. Juli das Handtuch geworfen. Und als Abschluss dieser Entwicklung war am 14. Juli 1933 das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ erlassen worden, das die NSDAP zur einzigen legalen Partei in Deutschland deklarierte.

Das Verfahren vor dem Schwurgericht am Appellhofplatz, den man mit einer Hundertschaft Polizei gesichert hatte, wurde von der Nazi-Propaganda zu einem öffentlichen Schauprozess umfunktioniert. „Heute Beginn des KPD-Mordprozesses in Köln“, lautete die Schlagzeile des WB am 17. Juli, im Inneren des Blattes hieß es: „Ihr seid nicht umsonst gefallen, Kameraden . . .“ Darunter waren dann gleich „die Mörder“ namentlich aufgeführt. Die Eröffnungsverhandlung verfolgten nicht nur Gauleiter Josef Grohé und sein Stellvertreter Richard Schaller, sondern auch der von den Nazis als Nachfolger Adenauers eingesetzte Oberbürgermeister Günther Riesen sowie erneut der Polizeipräsident; sie alle hatten auf der Loge Platz genommen. Das Gerichtsgebäude durften nur ausgewählte Parteigenossen betreten. Von einem fairen Verfahren konnte natürlich keine Rede sein, der Erste Staatsanwalt Thissen, der die Anklage vertrat, nutzte sein Plädoyer zu politischen Bekenntnissen und äußerte seine „Dankbarkeit für die gefallenen Helden der braunen Armee“.

Schon am vierten Verhandlungstag forderte der Staatsanwalt acht Todesurteile - „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ jubelte der „Westdeutsche Beobachter“. Das Schwurgericht befand schließlich sechs Angeklagte des Mordes für schuldig - und verurteilte sie am 24. Juli 1933 zum Tode. Unter den Verurteilten waren einige nicht einmal 25 Jahre alt, darunter Hermann Hamacher, gerade 22, Otto Waeser, gerade 21, und Heinrich Horsch, 24. Die anderen Angeklagten erhielten wegen Beihilfe zum Mord und wegen anderer Vergehen langjährige Haftstrafen. „Die roten Mordgesellen, die unsere Kameraden feige aus dem Hinterhalt niederknallten, werden ihr scheußliches Verbrechen mit dem Tode büßen müssen“, kommentierte WB-Chefredakteur Toni Winkelnkemper, „wuchtig und schwer liegt der eiserne Ordnungswille der nationalsozialistischen Bewegung über unserem Volk.“

Die Revision der Angeklagten wurde denn auch vom Reichsgericht verworfen. Die zum Tode Verurteilten konnten aber noch auf Begnadigung hoffen - das Gericht hatte sich immerhin dafür ausgesprochen, die Todesurteile auf dem Gnadenweg in lebenslängliches Zuchthaus umzuwandeln.

Mit Handbeil hingerichtet

Doch Göring, der nun als preußischer Ministerpräsident amtierte, lehnte die Gnadengesuche ab. Auf seine Anordnung wurde die Hinrichtung der sechs am 30. November 1933 nicht, wie damals üblich, mit dem Fallbeil, sondern mit dem Handbeil vollzogen. „Dabei sollen sich grauenhafte Szenen abgespielt haben“, berichtet der Rechtshistoriker Adolf Klein, „zumal der Henker in seinem blutigen Geschäft noch nicht genügend routiniert war.“

Am Tage der Hinrichtung kam es in einigen Stadtvierteln zu Protesten, in St. Ursula wurde gar eine Messe für die Toten gelesen - der Priester wurde sofort verhaftet. Wie die Justiz wollte auch die Polizei zeigen, dass sie die Politik der Abschreckung, die das NS-Regime 1933 mit unglaublich planmäßiger Brutalität betrieb, ausdrücklich guthieß.

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