VerkehrPolizist kritisiert Tempokontrolle

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Hauptkommissar Rolf Paffenholz von der Kölner Polizei wurde in Grevenbroich geblitzt.

Hauptkommissar Rolf Paffenholz von der Kölner Polizei wurde in Grevenbroich geblitzt.

Köln – Als Polizist in Köln hat Rolf Paffenholz schon zahllose Temposünder angehalten – mit voller Überzeugung. Der Hauptkommissar sagt: „Geschwindigkeitskontrollen sind zwingend notwendig für die Unfallbekämpfung.“ Was dem Leiter des Bezirksteams in Ehrenfeld nun aber in Grevenbroich widerfuhr, als er in einer Tempo-50-Zone mit 77 geblitzt wurde, habe er in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten: „Eine absurdere Messstelle habe ich noch nie erlebt. Das ist üble Abzocke.“

Dass Polizisten öffentlich Kollegen kritisieren, ist ungewöhnlich. Dass ein Beamte mit seinem Namen dazu steht, noch seltener. Der Brisanz sei er sich bewusst, sagt Paffenholz, aber es gehe ihm um die Sache – er wolle eine Diskussion über Verkehrsmoral anstoßen. „Es gibt neben den Pflichten der Verkehrsteilnehmer auch Pflichten der Polizei. Solche Messstellen sind mit sachlichen Argumenten nicht vermittelbar, sie erschüttern das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in die Polizei.“

Was war passiert? An einem Abend Ende Januar ist Paffenholz privat im Auto zwischen Pulheim und Grevenbroich unterwegs – auf einer schnurgeraden Landstraße in Höhe des Krahwinkelswegs. Es ist 23 Uhr, links und rechts nur Äcker, keine Schule, kein Kindergarten, kein Wohnhaus in der Nähe. Laut Polizei Neuss ist die Stelle ausdrücklich kein Unfallschwerpunkt. Hinzu kommt: Viele Autofahrer beschleunigen hier schon wieder, weil etwa 50 Meter weiter die Tempo-50-Zone endet und fortan Tempo 100 erlaubt ist. Und dann blitzt es. „Ich war kurz baff, dann musste ich laut lachen“, erinnert sich Paffenholz.

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„Polizei setzt Akzeptanz aufs Spiel“

Das Radargerät und ein Zivilfahrzeug mit zwei Beamten standen auf einem Feldweg hinter einem Gartengrundstück. Paffenholz ist fassungslos: „Die Polizei schützt hier ein freies Feld.“ Bei der Auswahl geeigneter Messstellen sollte aber ein Maßstab erkennbar sein, „wenigstens ein grober“, findet der Hauptkommissar; eine Häufung von Unfällen, eine dichte Bebauung oder Gebäude wie Krankenhäuser oder Altenheime. Jedenfalls solle das Bestreben der Polizei erkennbar sein, Unfälle verhüten zu wollen. Nur dann könne man Bürgern den Sinn von Tempokontrollen nahe bringen.

Das Vorgehen der beiden Neusser Beamten wird durch die Rechtslage in NRW gestützt.

Tempokontrollen dürften überall und jederzeit stattfinden, erläutert Wolfgang Beus, Sprecher des Landesinnenministeriums – auch dort, wo nur wenige Meter weiter die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben werde. Es gebe derzeit auch keinerlei Bestrebungen, diese Vorgaben zu ändern, so Beus. (ts)

„Aber mit Kontrollstellen wie dieser setzt die Polizei die Akzeptanz von Tempomessungen aufs Spiel“, schimpft Paffenholz. „Mit so etwas wird ohne Not die tägliche Arbeit der Polizisten erschwert, die mit Verantwortung an Kontrollstellen herangehen, dann aber mit dem berechtigten Zorn der Verkehrsteilnehmer wegen Abzockstellen wie in Grevenbroich konfrontiert werden.“ Die Polizei in Neuss weist die Kritik ihres Kollegen aus Köln scharf zurück. Die Landstraße sei als Raserstrecke bekannt, es gebe massive Beschwerden aus der Bevölkerung. Unfälle träten gleichwohl nicht gehäuft auf, räumt Behördensprecherin Jane Drawe ein . „Aber wir messen ja gerade, damit die Stelle gar nicht erst ein Unfallhäufungspunkt wird.“ In jener Nacht im Januar hätte die Polizei in drei Stunden 55 Autofahrer geblitzt.

Die Rechtslage stützt die Neusser Beamten. Paffenholz kann das nicht nachvollziehen: „Formal korrekt darf demnach noch zehn Zentimeter vor dem Ortsausgangsschild gemessen werden.“ Anders ist es in Baden-Württemberg. In einer Vorschrift des Innenministeriums in Stuttgart heißt es: „Geschwindigkeitsmessungen sollen grundsätzlich in einem Abstand von 150 Metern zu den beschränkenden Verkehrszeichen stattfinden.“ Paffenholz findet das sinnvoll.

Ob er das zu erwartende Bußgeld von 80 Euro sowie drei Punkte in Flensburgakzeptiert, oder ob er die Sache vor Gericht klären lassen will, weiß der Kölner noch nicht. Es gehe ihm ums Prinzip, nicht ums Geld, betont er. Den Betrag will er freiwillig aufstocken und die Differenz an eine Hilfsorganisation für Unfallopfer spenden. „Mir ist klar, dass ich als Polizeibeamter in besonderem Maß Regeln einhalten muss“, sagt Rolf Paffenholz, „auch wenn ich sie, wie hier, absurd finde.“

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