Abi-KrawalleSchwerverletzter schildert die Straßenschlacht vor dem Humboldt-Gymnasium

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Die Polizei stellte eine selbst gebaute Stichwaffe sicher.

Die Polizei stellte eine selbst gebaute Stichwaffe sicher.

  • Montagabend kam es zu den bislang heftigsten Auseinandersetzungen zwischen Abi-Jahrgängen verschiedener Kölner Schulen.
  • Zwei Schüler wurden schwer verletzt, ein dritter leicht.
  • Die Kölner Polizei hat eine Ermittlungsgruppe gegründet. Schüler werfen Beamten Tatenlosigkeit vor.

Köln – Fassungslos sei er, total erschüttert, erzählt David R. am Tag nach der nächtlichen Straßenschlacht vor dem Humboldt-Gymnasium. Sein Jochbein ist gebrochen, das Gesicht geschwollen.

Anfangs wussten die Ärzte nicht, ob sie sein Augenlicht retten können. Immerhin diese Gefahr sei nun gebannt, erzählt der 18-Jährige im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er wird zwar um eine Operation nicht herumkommen, aber seine Sehkraft behalten.

Was genau ihm ins Gesicht geflogen ist, weiß der angehende Abiturient des Humboldt-Gymnasiums nicht, nur so viel: „Es hat mich mit unfassbarer Wucht in Höhe des rechten Auges getroffen.“ Womöglich ein Stein, abgefeuert aus einer Schleuder.

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Montagabend ist die bislang heftigste Auseinandersetzung zwischen Abi-Jahrgängen verschiedener Schulen in Köln eskaliert. Außer David R. wurde ein weiterer 18-Jähriger schwer verletzt, ein dritter leicht.

„Die wurden richtig aggressiv“

Ungefähr 150 Angreifer waren gegen 22.15 Uhr vor dem Humboldt-Gymnasium erschienen. Ihnen gegenüber standen 50 Humboldt-Schüler, erzählt David R. Man habe sich am frühen Abend an der Schule am Kartäuserwall getroffen, sich unterhalten und Wasserbomben abgefüllt. Denn dass Schüler anderer Gymnasien auf eine Wasserschlacht vorbei kommen könnten, sei eingeplant gewesen.

Dass es aber so viele waren, und dass sie auch Böller, Glasflaschen, gefüllte Plastikflaschen, Eier und Steine warfen, damit habe man nicht gerechnet. Die Polizei stellte sogar einen selbst gebastelten Speer sicher.

„Die wurden richtig aggressiv“, schildert David R. „Wir waren absolut nicht auf Stress aus und haben uns zurückgezogen.“ Vermutungen der Schüler, dass unter den Angreifern auch junge Männer waren, die keine Schüler sind, sondern rein auf Krawall aus waren, konnte die Polizei am Dienstag nicht bestätigen.

Immer mehr Streifen- und Mannschaftswagen seien in der Nacht gekommen, berichten Augenzeugen. Aber die Beamten hätten nicht sofort eingegriffen, erzählen Schüler. Vielmehr hätten sie am Rand gestanden, die Szenerie mit Scheinwerfern ausgeleuchtet und versucht, die Lage mit Lautsprecherdurchsagen zu beruhigen.

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Polizei gründet Ermittlungsgruppe

Bei der Polizei erntet man Kopfschütteln ob dieser Vorwürfe. Die Stimmung vor der Schule sei hochaggressiv gewesen, berichtet ein Beamter. Es sei in erster Linie darum gegangen, die beiden Gruppen auf Abstand zu halten. Anschließend habe man die Grünfläche vor dem Gymnasium geräumt und Platzverweise ausgesprochen.

Der Kölner Polizei steht nun erneut eine schwierige Aufgabe bevor. Die Umstände der Silvesternacht sind noch längst nicht aufgeklärt, da hat die Behörde eine weitere Ermittlungsgruppe gegründet, um alle Straftaten mit Abi-Bezug zu sammeln, auszuwerten und Täter zu identifizieren. Freitagabend waren bereits etwa 50 Randalierer aus Abiturjahrgängen auf dem Lenauplatz in Neuehrenfeld mit Waffen auf Polizisten losgegangen, ein Beamter brach sich den Fuß.

Stellungnahmen anderer Gymnasien

Als Reaktion auf die Ausschreitungen haben viele Gymnasien den sogenannten „Abikrieg“ in der laufenden „Abi-Mottowoche“ am Dienstag mit sofortiger Wirkung für beendet erklärt. In Presseerklärungen äußern die Abiturienten ihr Entsetzen über die Vorfälle. Sie distanzieren sich von Gewalt und Sachbeschädigungen und kündigen an, die letzten Schultage mit internen Feierlichkeiten ausklingen lassen zu wollen.

Im Lindenthaler Apostelgymnasium werden darüber hinaus alle Nebeneingänge gesperrt, um besser kontrollieren zu können, wer die Schule betritt. Am Schiller-Gymnasium in Sülz besteht ab sofort ein abendliches Versammlungsverbot.

Begleitet wird der Wettkampf der Abiturienten von Youtube-Videos, mit denen sich die Gruppen gegenseitig den Kampf ansagen. Manche wirken zwar recht martialisch, gleichzeitig sind die Filme aber aufwendig produziert und stecken voller witziger Ideen.

„Es war eine Zeit lang ein fairer Wettkampf“, sagt Timo Kleiner, Vorstandsmitglied der Bezirksschülervertretung. Noch immer begehe ein Großteil der Abiturienten die Mottowoche friedlich. Gewalt und Pyrotechnik „gehen zwar überhaupt nicht“, seien aber kein Massenphänomen, sagt der 17-jährige Schüler des Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasiums. Dass einige Schüler über die Stränge schlagen, habe womöglich mit dem zunehmenden Stress durch die verkürzte Oberstufe zu tun.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert, Schulen müssten prüfen, ob Rädelsführern und „dingfest gemachten Straftätern“ die Prüfungszulassung zum Abitur entzogen werden könne. Auch Schulverweise seien in Erwägung zu ziehen.

Laut Bezirksregierung Köln ist das allerdings nicht möglich. Tatbestände, die nichts mit dem Unterricht und den Voraussetzungen für das Abitur zu tun hätten, spielten für die Zulassung keine Rolle. Schulische Ordnungsmaßnahmen seien zwar prinzipiell möglich. Aber selbst wenn es zur Entlassung käme, würde der Schüler einer anderen Schule zugewiesen, da er schulpflichtig ist und einen Anspruch auf Ableistung der Abiturprüfung habe.

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