Unfallstatistik der PolizeiMehr Verletzte auf Venloer Straße in Köln seit Beginn des Verkehrsversuchs

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Ein Fahrradfahrer fährt über den Fahrradstreifen der Venloer Straße in Ehrenfeld.

Auf der Venloer Straße in Ehrenfeld gilt seit Monaten Tempo 20.

Die Zahl der Unfälle mit Verletzten ist gestiegen, die Hauptunfallursachen haben sich nicht geändert.

Auch sieben Monate nach dem Start erhitzt die Umgestaltung der Venloer Straße die Gemüter der Verkehrsteilnehmer in Ehrenfeld: Noch immer wissen viele nicht, dass hier nur noch Tempo 20 erlaubt ist, was die gelben Kreuze auf den Fahrradstreifen bedeuten und wozu eigentlich die künstlich geschaffenen Engstellen auf der Straße da sind. Was die Stadt „Verkehrsversuch“ nennt, ist für Manche nach wie vor Ärgernis und Sicherheitsrisiko zugleich.

Und tatsächlich liegt das übergeordnete Ziel – Reduzierung des Autoverkehrs und mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer – offenbar noch in einiger Ferne. Das belegen aktuelle Unfallzahlen, die die Polizei dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mitgeteilt hat. Demnach gab es seit Beginn des Verkehrsversuches mehr Unfälle als im Vergleichszeitraum ein Jahr vorher, wenngleich sich die Werte auf das einen Kilometer lange Teilstück zwischen Ehrenfeldgürtel und Innerer Kanalstraße beziehen. Der Verkehrsversuch ist auf das 800 Meter lange Teilstück zwischen Ehrenfeldgürtel und Piusstraße beschränkt.

Venloer Straße: 21 leicht verletzte Unfallopfer seit Dezember 2022

Insgesamt 19 Unfälle mit Verunglückten sind der Polizei demnach zwischen Dezember 2022 und Ende Mai 2023 gemeldet worden, 21 Menschen wurden leicht verletzt. Im Vergleichszeitraum Dezember 2021 bis Mai 2022 – also vor dem Verkehrsversuch – waren es 14 Unfälle mit 14 Verunglückten, zwei Menschen wurden schwer verletzt. Unfälle mit reinem Sachschaden sind in der Statistik nicht berücksichtigt.

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An 17 der 19 Unfälle der vergangenen Monate waren laut Polizei Fahrradfahrer beteiligt, im Vergleichszeitraum waren es neun von 14. Hauptunfallursachen sind – vor wie während des Verkehrsversuches – Fehler beim Ein- und Aussteigen oder beim Be- und Entladen von Fahrzeugen, also sogenannte Dooring-Unfälle, bei denen Fahrradfahrer in der Regel gegen geöffnete Autotüren fuhren.

Fünfmal geschah das bisher dieses Jahr und damit einmal häufiger als vor Versuchsbeginn, obwohl bereits viele Kurzzeitparkplätze am Straßenrand zugunsten von Außengastronomie, Sitzbänken oder Fahrradabstellflächen weggefallen sind. Neu hinzugekommen sind laut Polizei vermehrt Fehler beim Rechtsabbiegen. Auch ungenügender Sicherheitsabstand führte zuletzt viermal zu Unfällen.

Köln: Venloer Straße wird in Phase Zwei zur Einbahnstraße

Zur richtigen Einordnung gehört, dass der Fahrradverkehr seit Jahren stetig zunimmt, auch auf der Venloer Straße, und das in besonderem Maße nach Ende der Corona-Beschränkungen, die im Vergleichszeitraum Dezember 2021 bis Mai 2022 noch bestanden. Das mag zu den gestiegenen Unfallzahlen beigetragen haben.

Klar ist auch, dass der Verkehrsversuch demnächst erst in die zweite Phase eintritt: Frühestens ab Oktober soll die Venloer Straße zwischen Ehrenfeldgürtel und Innerer Kanalstraße zur Einbahnstraße werden. Die vorläufig gestiegenen Unfallzahlen sind also nur eine Zwischenbilanz.

So argumentiert auch die Stadt. Auf Anfrage heißt es: „Die Aussage, dass die seit November 2022 durchgeführten Maßnahmen zur Erhöhung des Unfallgeschehens beigetragen haben, ist nach Einschätzung der Stadt Köln unseriös, da der betrachtete Zeitraum bisher zu kurz für eine seriöse Untersuchung ist und bei den Vergleichsjahren zu viele Faktoren unterschiedlich ausfielen.“ Zudem betont ein Sprecher, dass zwar „eine leichte Erhöhung“ der Unfallzahlen mit Leichtverletzten eingetreten sei, sich aber andererseits die Zahl der Unfälle mit Schwerverletzten auf Null reduziert habe.

Venloer Straße: Auch die Fußgängerüberwege sollen wegfallen

Es gebe eben Übergangsphasen, „in der wir manche Unzumutbarkeit aushalten müssen“, hatte die grüne Fraktionschefin Christiane Martin kürzlich die viel kritisierten Maßnahmen auf der Venloer Straße und der Deutzer Freiheit kommentiert und – offenkundig um Beschwichtigung bemüht – lapidar hinzugefügt: „Es kommt auf der Venloer Straße keiner zu Tode, es ist ein bisschen Chaos.“

Seit Dezember 2022 gilt zwischen Ehrenfeldgürtel und Piusstraße Tempo 20 und Rechts vor Links. Der Fahrradstreifen ist vorübergehend aufgehoben, was durch die gelben Kreuze signalisiert wird; er kann zwar weiterhin benutzt werden, Radfahrer dürfen aber jetzt auf der gesamten Fahrbahnbreite unterwegs sein. Die Ampeln wurden abgeschaltet. Fußgängerüberwege existieren zwar noch, sollen aber perspektivisch auch wegfallen, Fußgänger sollen die Straße auf der gesamten Länge gefahrlos überqueren können.

Vorerst hat die Stadt die Fahrbahn an drei Stellen künstlich verengt, um den Verkehr zu beruhigen und das Überqueren zu Fuß zu erleichtern. In der Praxis kommt es an den Barrieren aber nach wie vor immer wieder zu brenzligen Situationen, weil sich Radfahrer, Autofahrer und Fußgänger in die Quere kommen.

Grünen-Fraktionschefin Martin ist allerdings überzeugt davon, dass die Verkehrssituation auf der Venloer nach Abschluss aller Maßnahmen „100 Mal besser“ sein werde als vorher. In spätestens eineinhalb Jahren wird man das genau wissen.

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