Ehrenfeld – Marcel Struck ist gewissermaßen der Gegenentwurf zu der liebenswürdigen Drogeriemarkt-Kassiererin, die jeden Kunden fragt, ob er eine Payback-Karte besitzt und ihm auch im Nein-Fall einen schönen Abend wünscht. Dem 36-Jährigen eilt der Ruf voraus, er sei der unfreundlichste Verkäufer Kölns.
Das schmeichelt ihm sogar ein bisschen, obwohl es nicht stimmt. Jedenfalls nicht durchweg. Struck kann sehr freundlich und zugewandt sein. Außerdem verfügt er offenbar über eine dem Trüffelschwein ähnliche Auffindungsgabe.
Fotolampen, Schließfächer, Arztschränke
Struck begibt sich höchst ausdauernd auf die Suche; denn das Terrain, das ihn interessiert, ist umkämpft: Industriedesign. Zu seinen Schmuckstücken gehören alte Fotolampen, ein Karteikartenschrank, ein mit breiten Schubladen ausgestatteter Eichenschrank, in dem man in den 1920er Jahren wahrscheinlich Baupläne aufbewahrte. Aus derselben Zeit stammen die metallenen Schließfächer eines französischen Bankhauses. Die habe er in verschiedenen Größen aufeinandergestapelt selber und seine ganze Buchhaltung drin.
Besonders beeindruckend – wohl auch, weil man sich mit wenig Fantasie das entsprechende Inventar vorstellen kann – sind die alten Arztschränke. Einer der Hersteller, die Firma Hasen, sei in den 1940er Jahren an ihren eigenen Qualitätsansprüchen pleitegegangen, berichtet Struck über die Objekte, die heute Sammlerstücke sind.
Was ihm neben seinem Spürsinn zugutekommt, ist der Umstand, dass sein Geschäft im Grunde nur Hobby ist und dies auch bleiben soll. Er sei eigentlich überhaupt kein Verkäufer, erzählt Struck, der Stuckateur gelernt hat „mit Schwerpunkt Restauration“. Er wolle, dass die Leute die Möbel gut finden und sich darüber freuen.
Der Mann mit dem akkurat gestutzten Bart stammt gebürtig aus der Nähe von Berlin. Er hat in Kiel, Hamburg und mehrere Jahre in Zürich gelebt. Seinen Lebensunterhalt verdient er damit, dass er Läden einrichtet. Hauptsächlich Gastronomiebetriebe. So trägt das Interieur der Kaffeerösterei Ernst seine Handschrift sowie das Lokal Metzger & Marie. Für den kürzlich im Belgischen Viertel entstandenen Barbershop hat er eine komplette Apotheke von 1904 verbaut.
Hinterhof-Location war Munitionsfabrik
Struck ist nicht nur in Köln unterwegs, sondern ebenso in London und Barcelona und arbeitet nach eigenen Worten am liebsten für Leute, die keine Vorgaben machen, sondern einfach nur sagen: „Marcel, mach mal!“ Deswegen hat sein Geschäft auch nur samstags oder auf Anfrage geöffnet. Geschäft ist ohnehin nicht das richtige Wort. Die rund 380 Quadratmeter große Hinterhof-Location war vor 1945 mal eine Munitionsfabrik und hat seitdem ein wechselhaftes Dasein erlebt.
Als er die lichtdurchflutete Halle fand, wollte er sie zunächst nur als Lager nutzen mit dem Hintergedanken, „dass ich Möbel sammele und gern habe“. Wie diesen fast hundert Jahre alten Kinoprojektor, den er in Paris aufstöberte. Eigentlich hatte er vorgehabt, ihn zu einer Bar umzubauen, nun steht er als Blickfang im Vorraum der Halle umrahmt von einer Holzbank aus einer Schweizer Bahn von 1914, alten Gastronomie-Garderoben, Fleischerhaken, die man heute zum Aufhängen von Kleidung nutzen könnte, oder alten Werkbänken, in die sich seine Kunden gerne Waschbecken einbauen lassen und ins Badezimmer stellen.
Ihm selber gefällt der Nachhaltigkeitsgedanke. „Das sind so Sachen, die man bewahren sollte“, sagt er und deutet auf ein paar Tische aus Frankreich, denen der Shabby Chic nicht nachträglich künstlich beigebracht worden ist. Leute, die Letzteres in preiswerter Ausführung suchen, müssen sich gar nicht auf den Weg nach Ehrenfeld machen. „Ich schicke Leute weg, wenn sie die Sachen nicht zu schätzen wissen und nicht darüber nachdenken, wie viel Aufwand dahinter steckt, sie zu finden.“
Exquisit, Fröbelplatz 13, Köln-Ehrenfeld, Tel.: 0162/2584028 | Öffnungszeiten: samstags von 11 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung, instagram.com/exquisit.dasoriginal
