Weihnachtsmarkt am DomVerkauf lohnt sich für Kleinkunsthändler kaum

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Auf dem Weihnachtsmarkt am Dom werden jährlich weit mehr als hundert Millionen Euro umgesetzt.

Köln – Dort, wo Frank Gisbertz (54) sein Geld verdient, wuseln an diesem Abend so viele Menschen, wie nirgendwo in dieser Stadt. Sie haben Spaß an diesem kühl-feuchten Samstagabend genießen die Gerüche, das gute Essen, den Glühwein. Gisbertz isst, trinkt und genießt nicht.

Er steht allein mit seinen Kerzen auf sieben Quadratmetern und wartet auf Kunden. Das dürfte eigentlich nicht so sein, das weiß der Schausteller auch. Der letzte Samstag im Advent gilt als umsatzstärkster der Saison; nicht nur auf dem mit fast viereinhalb Millionen Besuchern pro Saison beliebtesten Weihnachtsmarkt Deutschlands direkt am Dom.

Um die Standmiete bezahlen zu können, müssen er und seine Frau Anna Weiß um die 1.300 Kerzen in einer Saison verkaufen, eine kostet durchschnittlich sechs bis sieben Euro. „Nach 20 Uhr stehen wir eigentlich nur noch zur Dekoration hier; vor unserem Stand könnte man Fußball spielen“, sagt der Schausteller. Zu breit darf man die Flanken dann jedoch nicht schlagen. Gegenüber seiner Bude, an den Ständen, wo man Bratwurst oder Käsespätzle kaufen kann, drängen sich die Menschen.

Am meisten Geld wird für Essen ausgegeben

Das ist kein Phänomen, das neu oder einzigartig in Deutschland wäre, auch auf anderen Weihnachtsmärkten im Land, dem Dortmunder etwa, der als größter der Republik mit mehr 300 Ständen doppelt so viele wie der Weihnachtsmarkt am Dom zählt, fragen sich die Kleinstkunsthändler, ob sich das alles noch lohnt, was sie da machen. Denn das meiste Geld geben die Menschen auf Weihnachtsmärkten für Essen aus, Bratwürste und Waffeln etwa.

An zweiter Stelle steht Glühwein und an dritter Stelle folgen Süßigkeiten wie Lebkuchenherzen oder gebrannte Mandeln. Das geht aus einer europaweiten Studie des britischen Zentrums für Einzelhandelsforschung hervor. Nicht einmal die Hälfte der Besucher gibt demzufolge Geld für Dekoartikel aus, nur ein knappes Drittel geht gezielt auf die Suche nach Geschenken.

Das trifft auch Carlos (71) ins Mark. Carlos ist Glasbläser und einer dieser Originale, die es auf Weihnachtsmärkten braucht. Der Ungar lebt in Florenz, kommt seit gut 40 Jahren nach Köln und im siebten Jahr zum Verkauf auf den Domplatz. Seinen Nachnamen möchte Carlos  nicht verraten, er spielt für diese Geschichte auch keine Rolle. Das, was er zu erzählen hat, schon. „Es ist in diesem Jahr viel weniger als in normalen Jahren, da bin ich nicht alleine“, sagt er. Wie viel weniger möchte er nicht sagen. Carlos ist Händler aus Leidenschaft: „Es macht mir Spaß, ich liebe diesen Job; immer noch.“ Trotzdem sagt Carlos, das hat auch mit seinem Alter zu tun, wird für ihn das nächste Jahr das letzte am Dom sein. „Es lohnt sich nicht mehr, für mich ist es zu teuer geworden.“

„Hier wird dann auch noch Geld in die Hand genommen“

Peter Seeböck lächelt das weg. Ohnehin lächelt er aus seiner „Südtiroler Speckhütte“ fast Hansi-Hinterseer-mäßig heraus. Auf gut 70 Quadratmetern Standfläche lässt es sich für Seeböck und seine – in Spitzenzeiten – bis zu elf Mitarbeiter auch fürstlich verkaufen. „Der Kunde gibt hier pro Kopf in den letzten Jahren zehn Prozent mehr aus“, schätzt Seeböck. Kein Stand auf dem Weihnachtsmarkt ist größer als seiner. Trotzdem, sagt er, gehöre zu einem Weihnachtsmarkt das große Ganze, „da hat jeder Stand seine Daseinsberechtigung.“

Seeböck, der auch durch seine Frau Andrea unterstützt wird, ist eine Ausnahme auf diesem Markt: Die Wenigsten der Essens- und Trinkbuden-Betreiber stehen noch selbst in der Hütte, viel häufiger verkaufen Studenten für sie. Auch wenn sein Verkauf läuft, sagt auch der erfahrene Marktsteher, dass die Zeiten „schwieriger“ geworden sind, seien doch „generell weniger Leute auf dem Platz.“ Die, die da sind, seien dann aber auch großzügig, ergänzt er: „Hier wird dann auch noch Geld in die Hand genommen.“ Die Zahlen bestätigen das: Zwischen vier und fünf Milliarden Euro erwirtschaften alle deutschen Weihnachtsmärkte zusammengenommen im Jahr. Das geht aus einer Studie des Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute hervor.

Dass dieses Geld ungleich verteilt ist, davon möchte man beim Betreiber des Marktes, der Kölner Weihnachtsgesellschaft mbH, wenig wissen; nicht am Dom. Klar finde man auch hier Händler, die unzufrieden seien, aber grundsätzlich sehe sie die aufgeworfene Problematik auf dem Weihnachtsmarkt am Dom nicht, sagt Monika Flocke, die sich für die Kölner Weihnachtsgesellschaft mbH auch um Presseanfragen kümmert.

Standmiete richtet sich nach den Artikeln im Verkauf

Blickt man auf andere Märkte, dem am Neumarkt etwa, und spricht mit Händlern wie Petra Kreis-Hofmann, die Erzgebirgsschmuck verkauft, setzen ihnen vor allem das Internet und die fehlenden ausländischen Touristen zu – für viele Schausteller ist da auch die Silvesternacht ein Grund. Ein Anschlag wie der auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz trifft da zusätzlich. Mit dem Verkauf ihrer Artikel ist die Nürnbergerin dennoch „zufrieden“. Bei einer deutlich höheren Standmiete, wie sie am Dom zu bezahlen ist, käme aber auch sie ins Grübeln.

Dabei ist die auf Kölner Weihnachtsmärkten nach Branche und Größe genau aufgeschlüsselt: Die Händler subventionieren die Handwerker. Während Glühweinhändler durchschnittlich etwa 22.000 Euro pro Saison bezahlen – gut 2000 Euro mehr als der Wurstverkäufer - gibt ein Kunsthandwerker für die kleinste Bude etwa ein Zehntel aus. Der Weihnachtsmarkt am Dom ist das Zugpferd, da zahlt man entsprechend mehr.

Einmal noch, der Werbung wegen

Frank Gisbertz hilft das alles nicht mehr. Nächstes Jahr wird er dennoch wieder am Dom stehen. Seine Frau und er kommen aus Overath, haben daher keine Anreisekosten. Ihren wahrscheinlichen letzten Marktbesuch sehen sie dabei auch als Chance, um für den Online-Handel zu werben, den sie im kommenden Jahr für ihre handgefertigten Kerzenunikate mit Lebensmittelzulassung eröffnen wollen. Nicht des Verkaufes wegen. „Denn leben“, das sagt Gisbertz auch, „kann man von alldem hier doch niemals.“

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