NRW-LandtagJustizminister informiert über Ermittlungen gegen Kölner Kardinal Woelki

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Kardinal Rainer Woelki predigt an Aschermittwoch im Kölner Dom

Kardinal Rainer Woelki predigt an Aschermittwoch im Kölner Dom

NRW-Justizminister Benjamin Limbach gibt dem Rechtsausschuss des Landtags einen Überblick zum Stand der Ermittlungen gegen den Kölner Kardinal.

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hat neue Einzelheiten zum Stand der Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Woelki mitgeteilt. In einem Schreiben an den Rechtsausschuss des Landtags beziffert Limbach den Umfang der bei einer Razzia sichergestellten elektronischen Daten – Mails und Kommunikation in Messenger-Diensten – auf 835 Gigabyte. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ handelt es sich um 800.000 E-Mails mit einer halben Million Anhängen aus dem Erzbistum sowie etwa 120.000 Chatnachrichten, die sich nebst Anhängen auf dem zeitweilig konfiszierten Handy des Kardinals befanden. Außerdem nahmen die Ermittler nach Limbachs Angaben fünf bis sechs Umzugskartons mit schriftlichen Unterlagen mit. Der überwiegende Teil sei nach Sichtung bereits wieder zurückgegeben worden. Verblieben sei noch ein Umzugskarton.

Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte 2023 Ermittlungen gegen den Kardinal wegen des Verdachts des Meineids und falscher eidesstattlicher Versicherungen eingeleitet. Die Verfahren wurden nach Angaben der Behörde zu einem einzigen verbunden. Woelki bestreitet alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe. In der Sache geht es um seinen Kenntnisstand zu zwei prominenten Missbrauchsfällen im Erzbistum.

FDP-Fraktion stellt mehr als 20 Fragen zum Woelki-Verfahren

Die FDP-Fraktion im Landtag hatte Minister Limbach auf Basis eines Berichts im WDR einen Katalog von mehr als 20 Fragen übermittelt, die unter anderem auf die Dauer der Ermittlungen und den dafür betriebenen Personalaufwand zielen. Der Minister betont, dass die Kölner Staatsanwaltschaft ihrer Aufklärungspflicht „umfassend“ und unter Beachtung der Strafprozessordnung nachkomme. Wie berichtet, sollen die Ermittlungen noch mindestens bis zum Sommer dauern.

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Im Detail erläutert Limbach, das elektronische Datenmaterial sei für die Sichtung nach belastbaren Hinweisen auf Falschaussagen des Kardinals aufgeteilt worden. Die „priorisiert gesicherten“ und zur Prüfung durch die Staatsanwaltschaft konvertierten Daten von Woelkis privaten IT-Geräten wurden dem leitenden Ermittler und Chef der politischen Abteilung, Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn, am 5. September 2023 übergeben.

Leitender Ermittler kümmert sich um Woelkis persönliche Kommunikation

Alle anderen beim EDV-Dienstleister des Erzbistums gespeicherten Daten seien später aufbereitet worden. Dieses Material, das „nach vorläufiger Schätzung etwa 85 bis 90 Prozent der gesicherten Gesamtdatenmenge ausmachen dürfte“, lag am 10. November zur Auswertung vor. Mit dieser Aufgabe betraute Willuhn Ende Januar eine Ermittlungskommission der Polizei.

Er selbst kümmert sich um Woelkis persönliche Kommunikation. Dieser Aufgabe könne er sich – trotz einer Reihe weiterer Aufgaben in der Behörde – „zeitweise auch ganztägig“ widmen. Sein Gesamtarbeitspensum werde durch die Woelki-Ermittlungen nicht überschritten, versichert der Minister. Insofern sei Willuhn auch nicht von anderen Aufgaben freigestellt worden.

Ein Drittel von Woelkis Daten durchgesehen

Nach Limbachs Angaben hat Willuhn inzwischen schätzungsweise ein Drittel von Woelkis Daten durchgesehen. Zu vorläufigen Ergebnissen macht der Minister keine Angaben. Hingegen führt er aus, das Material müsse „unter komplexen Fragestellungen auf einen etwaigen Beweiswert“ geprüft werden. Für die Sichtung und Auswertung „der persönlichen Kommunikation des Beschuldigten“ sei dessen Stellung als Seelsorger und damit Berufsgeheimnisträger zu beachten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei „dem Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ auf zwei Ebenen Rechnung zu tragen: Zum einen muss schon bei der Datenerhebung dafür gesorgt sein, dass keine Informationen aus der innersten Privatsphäre miterfasst werden. „Zum anderen sind auf der Ebene der nachgelagerten Auswertung und Verwertung die Folgen eines dennoch erfolgten Eindringens in den Kernbereich privater Lebensgestaltung strikt zu minimieren.“ Karlsruhe habe zudem verdeutlicht, dass eine „Kommunikation mit Beichtcharakter zum verfassungsrechtlichen Menschenwürdegehalt der Religionsausübung und damit zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören“ könne.

Limbach weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass der Termin der Razzia „an Presseorgane durchgestochen“ worden sei. Tatsächlich verfolgten Kameraleute und Fotografen am 27. Juni 2023 das Eintreffen der Ermittler am erzbischöflichen Haus und den Abtransport des beschlagnahmten Materials. Woelkis Strafverteidiger Björn Gercke erstattete Anzeige wegen Geheimnisverrats.

Auch mit Blick auf mögliche undichte Stellen „erschien es - ohne dass hiermit eine Offenbarung des Termins durch die Polizei unterstellt werden sollte - geboten, den Kreis der in die Auswertung einbezogenen Personen aufseiten der beteiligten Ermittlungsbehörden - der Staatsanwaltschaft und der Polizei - im weiteren Verfahrensgang klein zu halten“, so Limbach in seiner Antwort. 

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