U-Bahn-StationKölner Appellhofplatz entwickelt sich zum Treffpunkt der Drogenszene

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Obdachloser und Drogenabhängiger am Appellhofplatz liegen auf dem Boden.

In den langen Gängen der U-Bahn-Station Appellhofplatz halten sich größere Gruppen von drogenabhängigen Menschen auf.

Die Stadt Köln und die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) sehen sich der Entwicklung in der Stadtbahn-Haltestelle derzeit machtlos gegenüber. 

Die U-Bahn-Haltestelle Appellhofplatz in der Kölner Innenstadt hat sich zu einem neuen Treffpunkt der Drogenszene entwickelt, abhängige Menschen halten sich täglich in größeren Gruppen in den unterirdischen Gängen auf. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) kennen die Problematik, warten jedoch derzeit politische Beschlüsse des Stadtrats ab, um der Entwicklung entgegenwirken zu können. Währenddessen wächst der Appellhofplatz zu einem Angstraum heran. Einige Pendler meiden den Ort bereits. Ladenbesitzer vor Ort sind teils völlig verzweifelt und fürchten sich vor den drogenabhängigen Menschen. 

Auf dem Boden der U-Bahn-Station sind bei einem Besuch vor Ort Fäkalien zu sehen, auch verbrannte Fetzen Alufolien liegen überall herum und sind Zeugnis des Konsums. „Aus dem Augenwinkel sieht man Teelichter flackern, auf deren Flammen werden die Drogen erhitzt“, sagt Markus Seidler, der die Station als Pendler früher täglich genutzt hat. 

Drogenszene am Appellhofplatz rund um die U-Bahnstation.

Auch oberirdisch setzen sich am Appellhofplatz drogenabhängige Menschen Spritzen.

In der U-Bahn-Station am Appellhofplatz befindet sich ein langer Tunnel, der die beiden getrennten Bahnsteige in Richtung Neumarkt beziehungsweise Friesenplatz miteinander verbindet. Genau dort halten sich laut Seidler teilweise bis zu 30 Personen gleichzeitig auf, die den Durchgang blockieren und Drogen konsumieren. „Man muss förmlich Schlangenlinien laufen, um durch den Gang zu kommen“, sagt er. Seidler habe schon mehrfach Beschwerde eingereicht, doch es sei keine Besserung in Sicht. 

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Drogenkonsum am Appellhofplatz: Die Stadt und KVB wissen um das Problem

Die Stadt Köln verweist nach Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf das Angebot des „Aufsuchenden Suchtclearings“ (ASC). Das ist eine Kooperation zwischen dem Gesundheitsamt der Stadt Köln und drei Suchthilfeträgern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASC seien „mehrfach täglich und zu unterschiedlichen Uhrzeiten am Appellhofplatz, um die Konsumentinnen und Konsumenten zu erreichen“. Sie würden den Betroffenen Hilfe anbieten, Angebote unterbreiten und sie auf den nahe gelegenen Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt hinter dem Neumarkt aufmerksam machen. Für alle Belange der Sicherheit sei die Polizei zuständig. Wie lange die Stadt bereits von den Missständen weiß, wollte das Presseamt auch auf Nachfrage nicht mitteilen.

Drogenabhängiger sitzt auf dem Boden am Appellhofplatz und bereitet seinen nächsten Schuss vor, während Passanten vorbei gehen.

Ein drogenabhängiger Mensch bereitet eine Spritze vor, während er am Appellhofplatz auf dem Boden sitzt.

Das Hilfsangebot der Stadt scheint jedoch nicht ausreichend zu sein, denn an der U-Bahn-Station herrscht nach wie vor eine aggressive Stimmung. Während der Recherche vor Ort fällt eine Gruppe von sechs Drogenkonsumenten auf, die am Treppenaufgang gemeinsam Spritzen setzen. Immer wieder brüllen sie lauthals durch die Station. Einige Passanten erschrecken sich augenscheinlich. „Diese bedrohliche Stimmung macht auch mir Angst. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es ist, als Frau da durchgehen zu müssen“, sagt Markus Seidler, der sich inzwischen aus Leidensdruck, wie er sagt, von seiner Frau mit dem Auto zur Arbeit bringen lässt. 

Geschäfte am Appellhofplatz leiden wegen Drogenproblemen an der U-Bahnstation

Einige der Einzelhändler, die in der Station ihre Läden haben, fürchten sich. Giovannas Schneideratelier liegt in einem dieser Gänge. „Es ist furchtbar hier. Ich habe Angst und muss während der Öffnungszeiten die Tür abschließen“, sagt die Schneiderin, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. Der Treppenaufgang, an dem ihr Geschäft liegt, ist zurzeit wegen Bauarbeiten gesperrt. Die meisten Menschen, die bei ihr vorbeigehen, seien Drogenabhängige, Kunden kämen nur selten vorbei.

„Ich führe seit zwanzig Jahren dieses Geschäft, und es war noch nie so schlimm wie heute. Es geht einfach nicht mehr“, sagt sie. KVB-Mitarbeiter seien ihrer Erfahrung nach zwar präsent und würden auch regelmäßig die Polizei rufen, jedoch sei ihr Einsatz vergeblich. „Wenn die Drogenabhängigen an einem Ausgang herausgeschickt werden, dann gehen sie zwei Minuten später an einem anderen Eingang wieder in die Station.“ 

Auch der Kioskbesitzer Isa Armagan, der sein Geschäft nahe der Schneiderei hat, leidet unter der Situation. „Die Kunden haben Angst und gehen so schnell sie können aus der Station. Hier hocken zum Teil 20 Leute auf den Gängen und schreien herum.“ Auch Diebstahl sei ein großes Problem. „Wenn ich mal einen Kunden habe, dann nutzen sie den Moment meiner Unachtsamkeit aus und klauen“, sagt Armagan. Er gibt an, dass aufgrund der prekären Lage sein halber Umsatz eingebrochen sei.

KVB-Sprecher Stephan Anemüller sagt auf Anfrage, dass sich das Unternehmen des Problems durchaus bewusst sei. Er weist darauf hin, dass die KVB im Auftrag der Stadt eine Verbesserung der Situation anstrebe. Die Politik müsse jedoch noch die Finanzierung dafür beschließen.

Dass gerade der Appellhofplatz aktuell so stark betroffen ist, sei Teil eines „gewöhnlichen Verschiebungsprozesses“. Wird an einem Ort in der Innenstadt besonders stark kontrolliert, versammeln sich die Drogenkonsumenten an einem anderen Ort in der Nähe. Auf diese Weise wandert die Szene rund um den Neumarkt. „Wir führen am Appellhofplatz genauso wie an anderen Orten Kontrollen durch und sind mit Servicekräften präsent“, sagt Anemüller. Es handele sich um ein gesellschaftliches Problem, das zu lösen der KVB nicht möglich sei. 

Ein langer grauer Tunnel, der von Neonröhren erleuchtet wird.

KVB Mitarbeiter auf Patrouille in dem Tunnel am Appellhofplatz.

Die Polizei Köln teilt mit, dass sich Betroffene an sie wenden sollen: „Wir wissen um die Situation am Appellhofplatz. Die Kolleginnen und Kollegen sind gerade deshalb dort präsent. Es bedarf einer Information an die Polizei, die mit Anwohnern und Geschäftstreibenden am Appellhofplatz im Kontakt steht“, sagt Polizeioberkommissarin Jessica Arnold. Diese Kontrollen empfinden die Einzelhändler als unzureichend, denn sie würden keine ernsthaften Verbesserungen der Situation nach sich ziehen.

Das Problem, dass sich die Ladenbesitzer und Pendler von den Drogenabhängigen bedroht fühlen, kann scheinbar nicht auf Anhieb behoben werden: „Die Ursachen des Drogenkonsums werden damit nicht ausgeschaltet. Wir leisten mit unserer Arbeit einen Beitrag, um dem Drogenhandel und dem offenen Konsum harter Drogen entgegenzuwirken. Platzverweise zur Gefahrenabwehr sind zeitlich und örtlich befristet. Die Nähe zum Neumarkt spielt bei polizeilichen Einsätzen eine Rolle, da die Drogenszene versucht, sich den Kontrollen zu entziehen“, sagt Arnold.

Für Pendler Markus Seidler ist klar: Solange sich nichts verbessert, will er den Appellhofplatz weiterhin meiden. „Die Problematiken werden abgetan, verharmlost oder an andere Stellen abgegeben und verschoben; es scheint keiner zuständig zu sein und zu wollen.“

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