Immobilie an Zülpicher StraßeMühsamer Kampf gegen den Leerstand

Lesezeit 4 Minuten
„Hier könnten Flüchtlinge wohnen“: Einer der Besetzer in dem leerstehenden Haus.

„Hier könnten Flüchtlinge wohnen“: Einer der Besetzer in dem leerstehenden Haus.

Sülz – Vier Jahre ist Marco P. jeden Morgen an dem Haus Zülpicher Straße 290 vorbeigeradelt. „Und jeden Morgen habe ich mich darüber geärgert, dass ein solches Gebäude in bester Lage einfach leer steht“, sagt der 47-Jährige. Für etwa 24 Stunden stand es nicht mehr leer. Marco P. und neun weitere Mitglieder der neu gegründeten Bürgerinitiative Lindenhof hatten das Haus an der KVB-Haltestelle Lindenburg am Sonntag besetzt – um es nach Gesprächen mit dem Hausverwalter am Montagnachmittag wieder zu räumen.

Leerstand seit 2005

„Das Haus wird instand besetzt“ stand auf einem Transparent. „Wir wollen das Haus weder plündern noch runterrocken“, sagte zunächst einer der neuen Bewohner, der 34-jährige Künstler Charly. „Wir wollen, dass hier Flüchtlinge einziehen oder Studenten.“ Die vorübergehende Hausbesetzung war nur eine kurze Episode im seit Jahren andauernden Streit über die leer stehende Immobilie. Der Eigentümer selbst war am Montag für niemanden erreichbar. „Er ist sehr krank“, sagt der Verwalter des Gebäudes. Eigentlich solle das Wohn- und Geschäftshaus saniert werden. Doch ihm seien die Hände gebunden. „Ich kann nur schauen, dass kein Müll vor dem Haus liegt und alles soweit in Ordnung ist.“

Auch Joseph Ludwig, stellvertretender Leiter des Wohnungsamtes, hat das Haus schon so manche Nerven gekostet. Seit 2005 stehen die 15 Wohnungen in einer der begehrtesten Wohnlagen leer. Damals kam es vor dem Haus zu einem Unglück: Eine 33-jährige Frau wurde von den Scherben einer Fensterscheibe getroffen, die von einem kräftigem Windstoß im zweiten Obergeschoss herausgedrückt worden war. Die Frau starb.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Über viele Jahre konnte Ludwig nichts an dem Leerstand ändern, weil es keine gesetzliche Grundlage gab, den Eigentümer in die Pflicht zu nehmen. Seit 1. Juli 2014 ist das anders, die neue Wohnraumschutz-Satzung der Stadt Köln in Kraft, nachdem die rot-grüne Landesregierung die ausgelaufene Verordnung gegen Zweckentfremdung von Wohnraum wieder in Kraft gesetzt hatte.

100.000 Euro Bußgeld

Damit hat Ludwig zwar wieder eine rechtliche Handhabe, einfacher macht es die Sache aber noch nicht. Der Eigentümer habe kein Interesse daran zu verkaufen, sagt Ludwig. „Ich verstehe nicht, warum er darauf verzichtet, aus einer Immobilie in dieser Lage etwas zu machen. Da wird völlig sinnlos Kapital vernichtet. Wir machen Druck und haben ihm einen Bußgeldbescheid zugestellt.“ Fast 100.000 Euro soll der Eigentümer zahlen. Noch ist der Bescheid nicht rechtskräftig; der Fall wird wohl vor Gericht landen.

Die Zülpicher Straße sei ein besonders krasses Beispiel, aber insgesamt liegen bei Ludwig 100 Fälle von Eigentümern auf dem Tisch, die ihre Immobilien leerstehen und teilweise vergammeln lassen. Rund 500 Wohnungen, schätzt Ludwig, stünden deshalb nicht zur Verfügung. Mal handele es sich um zerstrittene Erbengemeinschaften, die sich selbst über einen Verkauf nicht einig werden, mal um ältere Eigentümer „mit zum Teil eigenwilligen Ansichten“. Manche seien schlicht überfordert. Im Gegensatz zum Ruhrgebiet sei die Leerstandsquote in Köln aber derart gering, „dass es nur noch diesen Bodensatz von 100 Fällen gibt“, sagt Ludwig. „Wir bemühen uns um jeden einzelnen, aber diese Verfahren sind äußerst mühselig.“

Die verschärften Bestimmungen durch das neue Wohnungsaufsichtsgesetz, nach denen die Wohnungsämter bei Missständen Bußgelder bis zu 50.000 Euro verhängen oder die Immobilie für unbewohnbar erklären können, hatten für Köln so gut wie keine Auswirkungen. „Wir hatten drei Fälle, bei denen wir die Unbewohnbarkeit attestiert haben“, sagt Ludwig. In solchen Fällen sind die Eigentümer verpflichtet, angemessenen Ersatz-Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Der Nachfragedruck sei so groß, dass „sich selbst die sogenannten Heuschrecken wie in den Großsiedlungen in Chorweiler, über die ja zurzeit heftig diskutiert wird, bemühen, die Wohnungen in einem bewohnbaren Zustand zu halten, weil sie mit minimalem Aufwand viel verdienen können“.

Der Verwalter hat mit den Besetzern gesprochen – im Beisein der Polizei. „Ich kann ihre Argumente ja nachvollziehen“, sagt er. Er habe ihnen aber versichert, dass das Haus nicht weitere zehn Jahre leer stehe. Kurz nach 16 Uhr packten die Besetzer ihre Sachen.

KStA abonnieren