Kneipen sterben ausWieder gibt ein Kölner Wirt sein Traditionslokal auf

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Was aus der geschlossenen Gaststätte werden soll, ist ungewiss.

Was aus der geschlossenen Gaststätte werden soll, ist ungewiss.

Dellbrück – Johann Schmölz zieht an seiner Zigarre und guckt sich in der alten Schankstube um. Der ehemalige Inhaber der Traditionskneipe „Em Häärehus“ veranstaltet in diesen Tagen einen Ausverkauf, alles muss raus.

Eine junge Frau kommt herein, fragt nach den Spielautomaten. „Die sind schon seit drei Monaten weg“, sagt Schmölz und zuckt mit den Schultern. Sie käme vom Kassen- und Steueramt erklärt sie, da müsste sich wohl jemand in der Liste verguckt haben. Sie würde das prüfen.

Seit Juli ist Schmölz dabei, das Lokal zu räumen. Die Theke ist schon entfernt, die Stühle sind gestapelt. Auf den alten dunklen Holztafeln türmen sich Gläser, Bierkrüge und Bilder aus den letzten Jahren der Gaststätte.

Einzig geblieben sind die Holzvertäfelung der Wände, die große Wanduhr aus dem Eröffnungsjahr 1861 und ein paar Karnevalsorden, die neben dem Kücheneingang hängen.

Inhaber Johann Schmölz hat sich schweren Herzens dazu entschlossen, seine Traditionskneipe „Em Häärehus“ aufzugeben.

Inhaber Johann Schmölz hat sich schweren Herzens dazu entschlossen, seine Traditionskneipe „Em Häärehus“ aufzugeben.

16-Stunden-Tage lohnten sich nicht mehr

Mehr als 150 Jahre war das „Häärehus“ Anlaufstelle für Stammkunden und Bewohner von Dellbrück. „In letzter Zeit wurde es immer schwieriger, über die Runden zu kommen, und das trotz 16-Stunden-Tag“, sagt Schmölz.

Der gelernte Koch übernahm die Gaststätte 2007 und führte sie als Ein-Mann-Betrieb. Das „Häärehus“ sei eine ganz normale kölsche Kneipe gewesen, eben nur ein wenig älter als der Durchschnitt.

Das steckt hinter dem Kölner Kneipensterben

In Köln gab es laut letzter Zählung 2014 insgesamt 740 Schankbetriebe – im Jahr 2000 waren es noch über 1000.

Den Trend, dass Traditionskneipen schließen müssen, beobachtet der Gaststättenverband Dehoga schon seit längerer Zeit: „Wir sehen jetzt seit über 15 Jahren, dass in einem schleichenden Prozess nach und nach die alten Kneipen verschwinden“, sagt Matthias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer der Dehoga Köln.

Für Schmölz ist völlig klar, woran das liegt: „Die Auflagen für Kneipen wie das »Häärehus« sind in den letzten Jahren einfach zu hoch geworden.“ Durch das generelle Rauchverbot sei ihm ein großer Teil der Stammkundschaft weggebrochen. Und als Alleinunternehmer sei es ohnehin fast unmöglich, den Laden zu schmeißen.

Aus Sicht des Branchenverbandes wiegt vor allem eins schwer: Der Generationenwechsel, der sich momentan vollzieht, betrifft die Stammkunden. „Es ist schwierig, das Konzept einer Stammkneipe jungen Menschen näherzubringen“, meint Matthias Johnen, „heute ist man viel mobiler – man nimmt nicht mehr mit dem Lokal Vorlieb, das auf dem Heimweg liegt, sondern sucht sich spontan etwas aus, was einem zusagt.“

Gleichzeitig steigen die Kosten für das Betreiben einer Kneipe immens – angefangen beim Bier, für das die Brauereien 2013 erneut die Einkaufspreise erhöhten.

Auch die Anforderungen an Schankbetriebe sind gestiegen: Ohne Außengastronomie, gut ausgeklügeltes Marketingkonzept und umfangreiche Karte lockt man heute fast keine Kunden mehr, sagt Johnen.

Die Probleme können aber auch ganz simpel sein: Zuletzt hatte Schmölz Streit mit den Anwohnern, da es einmal im Monat Live-Musik in der Kneipe gab. Die Lautstärke empfanden einige als störend und riefen wiederholt die Polizei. Das nähme einem zusätzlich den Wind aus den Segeln, erklärt er.

Kultur geht verloren

An der Dellbrücker Hauptstraße hinterlässt der Auszug des „Häärehus“ eine Lücke. Der neue Eigentümer habe zwar die nebenstehenden Häuser mitgekauft, abreißen dürfe er die alte denkmalgeschützte Kneipe aber nicht. Pläne, dort wieder eine Gastronomie zu eröffnen, habe der Eigentümer nicht, sagt, Schmölz.

Was in den Bau von 1861 kommt, ist bisher unklar. „Die meisten Gäste schauen noch mal rein und sind wehmütig, wenn sie den Schankraum so sehen“, sagt Schmölz. Er wird nun seinem erlernten Beruf als Koch nachgehen.

Die Schließung des „Häärehus“ ist kein Einzelfall: Die Sülzer Traditionskneipe Haus Demmer hat in diesen Wochen auch ihre Türen geschlossen. „Irgendwann werden wir feststellen, dass uns eine Kultur verloren gegangen ist“, ist sich Johnen sicher.

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