160.000 Quadratmeter BüroarealKölns größte Gewerbe-Baustelle könnte Mülheim über Jahrzehnte verändern

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Die Visualisierung zeigt den Blick von einem Hochhaus Richtung Altstadt.

Terrasse mit Domblick: So soll der Ausblick vom „Scala“-Hochhaus im „I/D Cologne“ später mal sein.

In Köln-Mülheim wächst ein neues Quartier für 7000 Büro-Arbeitsplätze. Braucht es das trotz Homeoffice noch? Und was heißt das für Mülheim?

Auf der Internetseite von Kölns laut eigener Aussage größtem gewerblichem Bauprojekt heißt es über das „I/D Cologne“ auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs Mülheim: „Wo vor über 30 Jahren die letzte Lokomotive rangierte, beginnt für ein ganzes Viertel eine neue Reise.“

Aber was bedeutet diese „Reise“ für Mülheim und seine Entwicklung? Das „I/D Cologne“ ist fußläufig nur gut 800 Meter vom Wiener Platz entfernt, liegt nahe der Keupstraße. Und braucht es tatsächlich noch rund 7000 Arbeitsplätze in einer Zeit, in der es durch Corona selbstverständlich geworden ist, auch zu Hause zu arbeiten?

In Analysen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) urteilen Experten beispielsweise: „Büros mit älterer Ausstattung stehen genau wie Immobilien in schlechteren Lagen lange leer.“ Es gebe mehr Ladenhüter als früher.

„I/D Colgone“ in Köln-Mülheim: Nachfrage laut Projektentwickler groß

Für Holger Kirchhof, Vorstand von „I/D Cologne“-Projektentwickler Osmab, ist diese Frage klar zu beantworten. Er steht an einem Montag im Juni vor der Baustelle in Mülheim und sagt: „Die Nachfrage bei uns ist nach wie vor groß. Die Firmen überlegen sich heute schon genau, wenn sie den Standort wechseln wollen, was sie machen.“ Zudem gibt es in Köln generell momentan wenige verfügbare Büros.

Die Visualisierung zeigt das „I/D Cologne“ in Mülheim.

Zukunftsvision: So soll das "I/D Cologne" in Mülheim mal aussehen.

Für Osmab und die Art-Invest als Projektpartner geht es um viel Geld. Laut eigener Aussage investieren sie eine halbe Milliarde Euro, um den früheren Bahnhof zum Büroviertel umzubauen – das war auch schon ohne eine Pandemie inklusive veränderter Arbeitswelt viel Geld.

Das Bild zeigt einen Überblick von oben auf die Baustelle.

Überblick: So sieht das „I/D Cologne“ von oben aus. Nördlich ist die noch unbeaute Fläche zu sehen.

Doch laut Christian Oberst, der sich beim IW mit Wohnungspolitik und Immobilienökonomik beschäftigt, müssen erst die nächsten Jahre zeigen, wie sich die Pandemie auswirkt.

Erster Spatenstich vor fünf Jahren – Großbauprojekt in Mülheim nimmt Formen an

Auf die Frage, ob die Pandemie für weniger Büroflächenbedarf sorgt, sagt Oberst: „Das ist unklar, denn einerseits sinkt der Bedarf nach Bürofläche durch mehr Homeoffice, da die Flächenvorhaltung mit unnötigen Kosten verbunden sind und sich durch effizientere flexible Büronutzung Flächen und damit Kosten einsparen können.“ Andererseits bauten viele Unternehmen einen Teil der klassischen Büros zu kreativen Kommunikations- und Kollaborationsräumen anstatt diese Fläche abzugeben.

Vor fünf Jahren hat der erste Spatenstich in Mülheim stattgefunden, derzeit sind 56 Prozent der insgesamt geplanten 160.000 Quadratmeter Bürofläche fertiggestellt und voll vermietet, unter anderem an Siemens und Renault. Das sind vor allem die Gebäude im südlichen Teil.

20.000 Quadratmeter sind noch im Bau (12,5 Prozent), weitere 50.000 Quadratmeter (31,25 Prozent) in der Planung. Zusätzlich zur Pandemie erwischen die höheren Zinsen und gestiegenen Bau- und Energiekosten das Großbauprojekt. Projektleiter Simon Weber von Art-Invest sagt dazu: „Die Mieten werden dadurch höher, anders geht es ja nicht.“

Das Bild zeigt die Projektverantwortlichen Simon Weber (Art-Invest) und Holger Kirchhof (Osmab).

Verantwortliche: Simon Weber (Art-Invest, links) und Holger Kirchhof (Osmab) kümmern sich um das Projekt.

Ein zentrales Thema bei einem solchen Großprojekt mit tausenden Arbeitsplätzen ist die Frage, was abends dort passiert, wenn die Menschn wieder zu Hause sind? Ist dann tote Hose? Kirchhoff: „Uns war von Anfang wichtig, dass die Menschen in Mülheim etwas davon haben und nicht nur die Büronutzer. Wir wollen viel Leben hier haben und keinen traurigen Bürostandort irgendwo auf der grünen Wiese, wo man nach 17 Uhr dringend nach Hause muss.“

Die Visualisieurng zeigt den geplanten Platz mit Freizeitangeboten.

Der Platz im Norden des Geländes soll laut der Verantwortlichen ein Treffpunkt für Menschen werden.

Um das möglichst zu erreichen, haben die Projektentwickler laut ihrer Aussage auf Plätze und Wege geachtet, zudem in den Erdgeschossen Gastronomie angesiedelt. Und die Sparkasse Köln-Bonn zieht in den nächsten Monaten laut Weber vom Wiener Platz ins Güterhaus, wenn es fertig gebaut ist.

Das Bild zeigt einen Teil des Büroviertels.

Gegenwart: So sieht der Blick aus der Nachbarschaft auf einen Teil des Areals aus.

Am nördlichen Ende soll es einen Brunnen samt Café geben, dazu unter anderem einen Trimm-Dich-Pfad, eine Kletterwand. Und im sogenannten Hangar sind ein Fitnessstudio und ein französisches Restaurant geplant. Der Hangar soll 2024 fertig sein, die weiteren Häuser bis 2028/2029.

„I/D Cologne“ schafft tausende Arbeitsplätze in Köln

Das „I/D Cologne“ schafft also tausende Arbeitsplätze – doch die Menschen werden vermutlich nicht alle jeden Tag dorthin pendeln, sondern sich auch eine Wohnung vor Ort suchen. Eine von der Stadt beauftragte Analyse urteilte, dass das neue Quartier „bestehenden Verdrängungstendenzen nochmal deutlich verstärken“ kann. Eine sogenannte Soziale Erhaltungssatzung soll deshalb Luxussanierungen samt Mietsteigerungen zumindest abfedern.

Experte Oberst vom IW sagt: „Aus Stadtentwicklungsperspektive ist zudem wichtig, dass begleitend ausreichend Wohnungen gebaut werden. Denn ein Bürostandort, in dessen Nähe nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, ist weniger attraktiv oder kann anderseits zu mehr Verkehr führen. Und beim Wohnungsbau passiert in Köln leider viel zu wenig.“

Kölns größte Gewerbe-Baustelle „I/D Cologne“

Gegenwart und Zukunft: So entwickelt sich der frühere Mülheimer Güterbahnhof

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Zumindest sind südlich des „I/D Cologne“ Wohnungen geplant, auch im Mülheimer Süden am Rheinufer sind tausende vorgesehen, dort geht es aber seit Jahren nicht voran. Auf diese Wohnungen verweist auch Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs (SPD), er sagt: „Ich sehe das „I/D Cologne“ ausschließlich positiv, es nimmt im Gegensatz zum Mülheimer Süden eine sehr gute Entwicklung.“

Chronik

1981 Stadtrat beschließt Entwicklungskonzept Mülheim-Nord. Danach Sanierung bis 2004

2001 Rat verabschiedet Rahmenkonzept, um dort Büros, Gewerbe, Industrie und untergeordnet Wohnen unterzubringen

2002 Erster städtebaulicher Wettbewerb. Problem: Der Bürostandort Mülheim-Nord war laut Stadt nicht nachgefragt

2009/2010 Weitere Workshops zur Frage, was dort wie gebaut werden soll

2014 Neues Werkstattverfahren wird unterbrochen, weil Zurich-Versicherung Umzug von Bonn nach Mülheim erwägt

2015 Zurich sagt ab und entscheidet sich für die Messe-City am Bahnhof Messe/Deutz, Werkstattverfahren für Mülheim abgeschlossen

2018 Erster Spatenstich für das neue „I/D Cologne“

2019 Parkhaus ist fertig

2021 Haus am Platz ist als erstes Haus fertiggestellt

2028/2029 Geplantes Bauende für das gesamte Areal

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