SystembauKöln soll Schulen von der Stange bekommen

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Bildung aus dem Baukasten: Vorgefertige Module für ein Laborgebäude werden an der Universität Wuppertal montiert.

Bildung aus dem Baukasten: Vorgefertige Module für ein Laborgebäude werden an der Universität Wuppertal montiert.

  • Kölns Schularchitektur galt jahrzehntelang als richtungsweisend. Jetzt plant die Stadt einen Einschnitt: Systembau ist schnell und preiswert.
  • Zwischen Auftrag und schlüsselfertiger Übergabe vergehen nur noch wenige Monate.

Köln – Der Schulausschuss hat schon zugestimmt, in der nächsten Woche soll ihm der Stadtrat folgen: Um beim Schulbau schneller voranzukommen, sollen sechs neue Schulen in sogenannter Modulbauweise erstellt werden. Wer sich durch die Kataloge der Anbieter blättert, die mit dieser Technik Gebäude in allen Größen und für alle möglichen Nutzungen errichten, staunt über das, was in kurzer Zeit für vergleichsweise wenig Geld möglich ist. Klar wird aber auch: Der Einstieg in die Modulbauweise bei Schulgebäuden markiert einen tiefen Einschnitt.

Der Schulbau in Köln hat eine lange Tradition, die für zum Teil außerordentliche architektonische und städtebauliche Qualität steht. Daran hat sich in den vergangenen Jahren trotz Haushaltsnöten nichts geändert. Die Stadt baute zusammen mit ambitionierten Architekten viel Preiswürdiges. Zahlreiche Gebäude wurden prämiert. Bei der letzten Vergabe des Schulbaupreises des Landes gehörten vier Kölner Projekte zu den Gewinnern, ein weiteres wurde belobigt.

Die Modulbauweise für eine Grundschule in Frechen

Die Modulbauweise für eine Grundschule in Frechen

„Architektur transportiert immer auch eine Haltung“, sagt Reinhard Angelis vom Bund der Deutschen Architekten in Köln. Insofern habe eine gute Schularchitektur etwas mit Respekt und Wertschätzung für das Thema Bildung und für die Schüler und Lehrer zu tun, die dort viel Zeit verbringen. Wenn die Stadt nun einen neuen Kurs einschlage und „Container-Typenbauten“ einkaufe, komme das einer „Bankrotterklärung der Gesellschaft durch ihre Vertreter“ gleich.

Der Systembau hat sich weiterentwickelt

Die Firmen, die mit der Modulbauweise ihr Geld verdienen, sehen das natürlich anders. Dass ihre Gebäude immer billig aussähen, sei „Quatsch“, sagt Doris Klein, Marketing-Leiterin bei Säbu in Morsbach. Der Systembau habe sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. „Das ist keine Bauweise von der Stange, alles ist individuell planbar und von der konventionellen Bauweise, dem Massivbau, nicht mehr zu unterscheiden“, wirbt sie. Aus jedem Gebäude könne ein Highlight werden. Der Bau bleibe trotzdem flexibel, schnell und kostengünstig.

Der Plan für die Bildungslandschaft Altstadt-Nord

Der Plan für die Bildungslandschaft Altstadt-Nord

Die Firma aus dem Oberbergischen hat in den vergangenen Jahren bereits einige Schulbauten im Kölner Umland errichtet, etwa Erweiterungen für den Ganztagsbetrieb von Grundschulen in Leverkusen und Frechen. In Wipperfürth wurde ein Berufskolleg vergrößert. Zwischen Auftrag und schlüsselfertiger Übergabe vergingen maximal zehn Monate. In Wuppertal wird ein dreigeschossiges Laborgebäude für die Universität errichtet. Um einen Fahrstuhlschacht aus Betonfertigteilen werden 43 einzelne Module in ein Stahlgerüst gesetzt. Für Montage und Innenausbau sind drei Monate eingeplant. Der Firmensitz von Säbu in Morsbach ist ein Zentrum der Modulbauweise in Deutschland. Auch Mitbewerber wie Alho oder Kleusberg fertigen hier in großen Produktionshallen Bauteile. Zeitgleich können an den Orten, zu denen die Module später mit Sattelschleppern gefahren werden, alle Erd- und Fundamentarbeiten erfolgen.

Das Tempo als „entscheidender Vorteil“

Das Tempo sei „ein entscheidender Vorteil“, schreibt die Verwaltung in ihrer Beschlussvorlage. Zwar kalkuliert sie für eine neue Grundschule immer noch mit rund drei Jahren Bauzeit. Für die Gesamtschule in Vogelsang, die auch in Modulbauweise entstehen soll, wird mit fünf Jahren gerechnet, weil vorher ein Bebauungsplan-Verfahren durchlaufen werden muss. Doch das ist vergleichsweise immer noch blitzschnell: Nur ein Projekt unter den vielen Erweiterungsbauten in konventioneller Bauweise für Gymnasien, die in den vergangenen Jahren beschlossen wurden, ist innerhalb von fünf Jahren fertig geworden. Für 13 Erweiterungsbauten werden sieben bis elf Jahre veranschlagt, für zwei sogar zwölf bis 13. Der Schulbau wird zudem deutlich kostengünstiger sein.

Ein Systembau der Firma Säbu in  Leverkusen

Ein Systembau der Firma Säbu in  Leverkusen

Trotzdem: Der Preis, den die Stadt zahlt, weil sie ihre Qualitätsansprüche bei Schularchitektur aber auch Stadtgestaltung herunterschraubt, ist hoch. Weil die Stadt „jahrelang geschludert“ habe, beschließe sie nun Ad-hoc-Maßnahmen, die nicht zukunftsfähig seien, kritisiert Architekt Angelis. Köln habe in den 1950er Jahren beim Schulbau Richtungweisendes gebaut, obwohl die Stadt in Trümmern lang. „Und da ging es Köln sicher schlechter als heute.“

Individuelle Architektur: Die Erweiterung der Rosenmaarschule gewann den Schulbaupreis.

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Es gehe nicht darum, die modulare Bauweise grundsätzlich zu verteufeln. Es sei sicher möglich, „intelligente Konzepte“ zu entwickeln, bei denen sich die Vorteile dieser Bauweise mit architektonischem Anspruch verbinden ließen. Als Beispiel nennt er den Erweiterungsbau der Europäischen Schule in Frankfurt. Dort hat ein Frankfurter Architekturbüro, NKBAK, im Auftrag der Stadt mit einer österreichischen Modulbaufirma zusammengearbeitet. Für Planung und Bau des großen dreistöckigen Gebäudes, einem „modularen Holzbau“, brauchte man gerade einmal 17 Monate. Danach gab es viel Lob, auch für die Architektur. Für Angelis ist die Konsequenz, die man auch in Köln ziehen müsste, klar: „Die Stadt muss Denkaufträge an Architekten vergeben.“

Eine Einbeziehung von Experten für ästhetische Fragen und Stadtgestaltung in die Entscheidungsprozesse ist aber bislang offenbar nicht geplant. In der Beschlussvorlage für den Rat ist nur von Funktionalitäten und Bautechnik die Rede. Wie die Gebäude aussehen sollen, scheint zurzeit angesichts des großen Drucks, schnell viele Schulplätze schaffen zu müssen, keine große Rolle mehr zu spielen.

Pilotprojekt Der Grundschulneubau auf dem Gelände des ehemaligen Nippes-Bades soll zum Pilotprojekt für den modularen Schulbau werden. An der Friedrich-Karl-Straße wird ein Gebäude für drei Klassen pro Schuljahr und eine Sporthalle gebaut werden. Die neue Bauweise soll eine Fertigstellung im Jahr 2019 sicherstellen. Etwa ein Jahr später sollen neue Grundschulen in Junkersdorf, Marienburg und Kalk eröffnen können, die ebenfalls als Modulbauten errichtet werden. In Lövenich soll ein neues Gymnasium mit einer Dreifach-Turnhalle für rund 700 Schüler in der Container-Bauweise errichtet werden. In Vogelsang wird die Schule sogar noch größer: Die Gesamtschule mit zwei Turnhallen soll später rund 1200 Schüler aufnehmen können.

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