18 Uraufführungen, andere Töne, Enno PoppeDas bietet das große Kölner Musikfestival Acht Brücken

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Enno Poppe sitzt in den Stuhlreihen der Kölner Philharmonie

Enno Poppe ist mit zehn Werken auf dem Kölner Acht-Brücken-Festival zu Gast.

Am 4. Mai 2024 beginnt das 14. Acht-Brücken-Festival für klassische Gegenwartsmusik. Wir stellen die Höhepunkte vor. 

„Feine Unterschiede“ ist der Rahmentitel des diesjährigen 14. Kölner Acht-Brücken-Festivals, das vom 4. bis zum 12. Mai an unterschiedlichen Spielorten der City stattfindet. Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort stellte es am Freitag in seinem Haus vor. Der Name ist, wie er erläuterte, durchaus subversiv gemeint. Er stelle die westeuropäisch geprägte Musiktradition mit seit langer Zeit etablierten temperierten Stimmung – sprich: der Einteilung der Oktave in zwölf gleich große Halbtonschritte – als „überlegenes Mastermodell“ infrage. Tonsysteme außereuropäischer Kulturen beruhten auf durchaus anderen Prinzipien, und auch die Praxis der „Mikrotonalität“ in der Moderne – also die Einteilung der kleinen Sekunde in zahlreiche „Unterintervalle“ – unterminiere und dekonstruiere die scheinbare Selbstverständlichkeit der überkommenen „klassischen“ Tonalität.

Ein neues Werk hat Enno Poppe für François-Xavier Roth komponiert 

An dieser Stelle wird auch der Link zwischen dem Rahmenthema und dem – bei Acht Brücken üblichen – Porträtkomponisten der aktuellen Ausgabe kenntlich. Dies ist der (1969 im Sauerland geborene) Enno Poppe – nicht nur einer der fruchbarsten und meistbeschäftigten deutschen Gegenwartskomponisten, sondern eben auch ein Meister der beschriebenen Mikrotonalität. Von ihm werden im Festivalzeitraum zehn Werke erklingen, darunter in Uraufführung „Strom“, die am 12. Mai das Gürzenich-Orchester unter François-Xavier Roth ins Werk setzt. Tatsächlich hatte Poppe auf die Frage, was er sich als Porträtkomponist wünsche, ziemlich spontan geantwortet: „Einmal für François-Xavier Roth komponieren.“ Poppe stellt sich, wie er jetzt im Gespräch mit Langevoort ausführte, grundsätzlich beim Kompositionsprozess die Ausführenden vor, ganz konkret die Ensembles und Musiker vor, mit denen er regelmäßig zusammenarbeitet.

Poppes Liederzyklus „Augen“ (mit Sarah Maria Sun) hat der andere große Kölner Klangkörper, das WDR Sinfonieorchester, im Abschlusskonzert unter Elena Schwarz auf der Agenda (zuzüglich Clara Iannottas neuem Klavierkonzert mit Pierre-Laurent Aimard und der Uraufführung von Miroslav Srnkas „Is This Us?“ für zwei Hörner und Orchester). Nahezu über das gesamte Festival präsent ist Poppes Installation „im wald“ für vier Streichquartette, die in der Zentralbibliothek zu erleben sein wird.

Jedes Stück muss sich vom Vorgänger unterscheiden – anders als bei Bruckner, der an einer einzigen Sinfonie immer weitergeschrieben hat.“
Enno Poppe, Komponist

„Die Einteilung der Oktave in zwölf Töne hat mich“, bekundete Poppe im Gespräch mit Langevoort, „irgendwann gelangweilt“ – zumal der konkret erklingende lebendige Ton in vielen Fällen von besagtem System abweiche: „Maria Callas singt nicht wie auf dem Klavier.“ Da öffne sich, auch in Sachen Akkordbildung, ein Kontinent „mit vielen weißen Flecken auf der Landkarte“. Freilich wird bei Poppe Mikrotonalität nicht zu einer Masche: „Jedes Stück muss sich vom Vorgänger unterscheiden – anders als bei Bruckner, der an einer einzigen Sinfonie immer weitergeschrieben hat.“

18 Uraufführungen sind unter den rund 30 Veranstaltungen der neun Festivaltage, die sich neuer Musik und Musik anderer Kulturen widmen, in diesem Jahr schwerpunktmäßig dem östlichen Mittelmeerraum und Indien. Letztere liefert reichhaltiges Hörmaterial für eine antikolonialistische Relativierung des westeuropäischen Tonsystems. Die Konzerte sind in der Philharmonie und elf weiteren Locations platziert, darunter erstmals (neben der Zentralbibliothek) in Sankt Maria im Kapitol, Sankt Ursula und in der Wolkenburg.

Acht Brücken beginnt – in diesem Jahr nicht am 1., sondern am 4. Mai – mit dem beliebten „Freihafen“ bei freiem Eintritt in Philharmonie und WDR Funkhaus. Neu bei den Bezahlkonzerten ist die Preisgestaltung: Das Publikum entscheidet, wie viel es für jedes Konzert berappen kann. Ausgehend vom empfohlenen Normalpreis gibt es die gestaffelten Kategorien „Schnuppern“, „Dabeisein“ (beide reduziert), „Unterstützen“ (für Publikum, das das Festival unterstützen möchte und sich Kultur leisten kann) und „Brückenbauen“ für diejenigen, die sich mit knapp bemittelten Musikfreunden solidarisch zeigen. Vier Wahlpreise gibt es auch bei dem bewährten Festivalpass für bis zu 17 Konzerte.


Detaillierte Auskünfte zum Programm unter www.achtbruecken.de.

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