Vorschau auf Acht BrückenDarum geht es im diesjährigen Musikfestival

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Das Bild zeigt . Er trägt ein weißes Hemd und darüber eine schwarze Weste. Er schaut ernst nach rechts, an der Kamera vorbei. Der Hintergrund ist weiß, der Schatten des Dirigenten zeichnet sich darauf ab.

Francois Xavier-Roth dirigiert auch auf dem Acht Brücken Festival

Ab dem 4. Mai startet das Kölner Musikfestival Acht Brücken, unter anderem mit Francois Xavier-Roth.

Mikrotonalität im Zentrum eines Festivals, bei dem er selbst als Porträtkomponist figuriert – damit hat Enno Poppe keine Probleme. Im Gegenteil: „Die Einteilung der Oktave in zwölf Töne hat mich“, bekundete er beim „Vorstellungsgespräch“ in der Kölner Philharmonie, „irgendwann gelangweilt“ – zumal der konkret erklingende lebendige Ton in vielen Fällen von besagtem System abweiche: „Maria Callas singt nicht wie auf dem Klavier.“ Da öffne sich, auch in Sachen Akkordbildung, ein Kontinent „mit vielen weißen Flecken auf der Landkarte“. Freilich wird bei Poppe Mikrotonalität nicht zu einer Masche: „Jedes Stück muss sich vom Vorgänger unterscheiden – anders als bei Bruckner, der an einer einzigen Sinfonie immer weitergeschrieben hat.“

Zehn Werke von Enno Poppe bei „Acht Brücken“

Die Besucher der diesjährigen Acht Brücken werden ausreichend Gelegenheit haben, dieses Statement zu verifizieren: Nicht weniger als zehn Werke von Poppe werden während der neun Tage dargeboten, davon zwei in Uraufführung: „Laub“ für Septett und „Strom“ für großes Orchester. Wenn das Gürzenich-Orchester unter seinem Kapellmeister „Strom“ als Schlussstück des Abokonzerts am 12. Mai spielt, erfüllt sich ein großer Wunsch des Komponisten: „Ich wollte unbedingt ein Stück mit François-Xavier Roth machen. Ich finde ihn als Dirigenten einzigartig. Seine Arbeit mit dem Orchester ist fantastisch. Er ist so breit aufgestellt mit seinem Repertoire. Das Orchester macht mit ihm alles mit.“

Acht Brücken, Gürzenich-Orchester, Roth – da wird eine alte Verbindung des 1969 im sauerländischen Hemer Geborenen zu Köln aktiviert. Poppe hatte eigentlich Köln, bekanntermaßen das Mekka der Neuen Musik mit Ausstrahlung weit über die Region hinaus, als Studienort auserkoren: „Aber dann fiel die Mauer, und ich ging zum Musikstudium nach Berlin.“ Dort lebt er bis zum heutigen Tag. Und ist auch ohne Köln zu einem der wichtigsten und produktivsten Komponisten zeitgenössischer Musik in Deutschland geworden – gesegnet mit zahlreichen Stipendien, Preisen und Mitgliedschaften in Akademien der Künste und Wissenschaften. Und aufgeführt auf nahezu allen namhaften Festivals für Neue Musik.

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Das Kölner Festival hat auch Musik anderer Kulturen im Programm

Wer die Agenda des Festivals liest, dem fallen in Sachen Poppe auf Anhieb dessen merkwürdige, weil dezidiert außermusikalisch-gegenstandsbezogene Werktitel auf: nicht nur „Strom“ und „Laub“, sondern auch „Scherben“, „Fleisch“ und „Augen“. Allzu viel Gewicht will der Meister diesen Bezeichnungen nicht geben, sie dienen ihm auch als Mittel drastisch-griffiger Identifizierung. Aber es gibt auch substanzielle Assoziationen, die er anhand der zur Uraufführungen anstehenden Werke erläutert: „Strom“ und „Laub“ seien lange Stücke, die von Expansion handelten. In „Strom“ gehe es um die Beobachtung, „wie sich Dinge ganz langsam verändern“. Man befinde sich in einem Tonraum: „Die Musik pendelt fast minimalistisch und verwandelt sich ganz langsam.“

Außer den beiden Poppe-Werken gibt es nicht weniger als 16 Uraufführungen unter den rund 30 Veranstaltungen der Acht Brücken. Sie widmen sich neuer Musik und Musik anderer Kulturen, in diesem Jahr schwerpunktmäßig dem östlichen Mittelmeerraum und Indien. Letztere liefert reichhaltiges Hörmaterial für eine antikolonialistische Relativierung des westeuropäischen Tonsystems. Die Konzerte sind in der Philharmonie und elf weiteren Locations platziert, darunter erstmals (neben der Zentralbibliothek) in Sankt Maria im Kapitol, Sankt Ursula und in der Wolkenburg.

Acht Brücken beginnt in diesem Jahr nicht am 1., sondern am 4. Mai – mit dem beliebten „Freihafen“ bei freiem Eintritt in Philharmonie und WDR Funkhaus. Neu bei den Bezahlkonzerten ist die Preisgestaltung: Das Publikum entscheidet selbst, wie viel es für jedes Konzert berappen kann. Ausgehend vom empfohlenen Normalpreis gibt es die gestaffelten Kategorien „Schnuppern“, „Dabeisein“ (beide reduziert), „Unterstützen“ (für Publikum, das das Festival unterstützen möchte und sich Kultur leisten kann) und „Brückenbauen“ für diejenigen, die sich mit knapp bemittelten Musikfreunden solidarisch zeigen. Vier Wahlpreise gibt es auch bei dem bewährten Festivalpass für bis zu 17 Konzerte. (MaS)

Zur Veranstaltung

Acht Brücken Musikfesitval, vom 4. bis zum 20. Mai. Alle Informationen gibt es hier

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