Das jüdische KölnAn diesen fünf Orten kann man die jüdische Stadtgeschichte erkunden

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Auf dem Bild ist der Löwe von Juda zu sehen, der mit einer Tatze eine Tafel mit den 10 Geboten hält und die andere fragend zum Himmel reckt.

Der Löwenbrunnen gedenkt der jüdischen Kinder, die unter der NS-Herrschaft aus Köln deportiert wurden.

Köln hat schon seit seiner Gründung auch eine jüdische Geschichte. Obwohl durch Vertreibungen im Mittelalter und das NS-Regime etliches verloren gegangen ist, gibt es viele Hinweise auf ihr Wirken.

Wahrscheinlich ist vielen Kölnerinnen und Kölnern unbekannt, dass sie es einem Juden zu verdanken haben, dass es den Rosenmontagszug wieder gibt. Grundsätzlich prägen Jüdinnen und Juden die Stadt schon seit ihrer Gründung. Leider ist durch Vertreibungen im Mittelalter und durch die NS-Herrschaft viel verloren gegangen. Ein Großteil der jüdischen Geschichte Kölns ist unsichtbar gemacht worden.

Wo sie heute noch präsent ist, kreuzt sie einige Kölner Wahrzeichen. Hier sind fünf Orte, an denen das jüdische Köln auch noch heute sichtbar ist. Ergänzt werden die Tipps mit Hinweisen von Aaron Knappstein, der beim NS-Dokumentationszentrum arbeitet und noch bis September Stadtführungen zu dem Thema macht. Wer eigenständig auf Erkundungstour gehen möchte, bekommt auch mit dem Stadtführer „Das jüdische Köln“ von Barbara Becker-Jákli viel Unterstützung.

1. Das frühe Köln mittendrin: Judengasse, archäologische Zone, Rathaus

Auf dem Bild zu sehen ist das oberste Stockwerk des Rathausturms, an der eine Uhr und einige Steinskulpturen angebracht sind.

Am Turm des Kölner Rathauses sind viele Steinskulpturen angebracht

Ein erster Nachweis über jüdisches Leben in Köln stammt aus dem Jahr 321. Ein Dekret Kaiser Konstantins hält fest, dass die Juden in Köln bestimmte Ämter ausführen durften. Zu diesem Zeitpunkt sind sie also schon in der Stadt etabliert, meint Knappstein. „Es ist relativ klar, dass die Juden mit den Römern gekommen sind.“ 1075 wird das jüdische Viertel schriftlich erwähnt, woran noch heute die Judengasse erinnert. Dieses befand sich direkt am Rathaus. Die archäologische Zone, die das jüdische Viertel als Museum für Besucher zugänglich machen wird, ist leider noch im Bau.

In unmittelbarer Nähe findet sich aber trotzdem ein sichtbarer Hinweis auf Persönlichkeiten, die für die Kölner Stadtgeschichte wichtig waren und eine jüdische Herkunft hatten: am Rathausturm. Unter den daran angebrachten Steinskulpturen finden sich Musiker wie Jacques Offenbach und Ferdinand Hiller, die Karmeliter-Nonne Edith Stein, die in Auschwitz starb, oder Hertha Kraus, die 1923 Leiterin des städtischen Sozialwesens in Köln wurde und damit als einzige Frau in einem hohen Verwaltungsamt arbeitete. Ebenso abgebildet sind der Bankier Abraham von Oppenheim und Karl Marx, der 1842 für ein Jahr als Chefredakteur der Rheinischen Zeitung arbeitete und 1848 nochmal nach Köln zurückkehrte, um an der Märzrevolution mitzuwirken.

Adresse: Rathauspl. 2, 50667 Köln

2. Das mittelalterliche Köln: Der Kölner Dom und das „Judenprivileg“

Zu sehen ist eine große Steintafel mit lateinischem Text.

Das Kölner Judenprivileg im Kölner Dom

Einen kurzen Spaziergang vom Rathaus entfernt, wartet eine weitere  wichtige Quelle der jüdischen Geschichte des Mittelalters, nämlich direkt im Kölner Dom. Dort befindet sich vor dem berühmten Gerokreuz und links am Eingang der Sakramentskapelle das „Judenprivileg.“ Erzbischof Engelbert von Falkenburg brachte die Steintafel 1266 an und dokumentierte so öffentlich einige Rechte der Kölner Juden, die aber mit Besteuerung einhergingen. Die Quelle beschreibt eine verschlechterte Situation der Juden, die unter römischer Herrschaft noch recht gleichberechtigte Staatsbürger gewesen waren.

Zudem hält das „Judenprivileg“ ihr Recht fest, ihre Toten außerhalb der Stadt zu begraben. Das taten sie auf dem sogenannten „Judenbüchel“ oder „de dude Jüd“. 1349 wurden viele Juden in einem Pogrom vertrieben oder getötet. Dabei wurde auch der Friedhof verwüstet. Die Grabsteine wurden als Baumaterial zweckentfremdet und sind teilweise noch heute auffindbar: So etwa der Grabstein des Rabbiners Mar Jacob, der durch seine hebräischen Inschriften am Vorburgtor der Burg Lechenich erkennbar ist. Vom Judenbüchel selbst ist heute nichts mehr zu sehen, auf seinem Gelände befindet sich heute die Kölner Großmarkthalle.

1424 wurden die Juden „für alle Ewigkeit“ aus Köln verbannt. Weitere Zeugnisse des Doms, wie antisemitische Darstellungen am Dreikönigsschrein, eine Judensau am Chorgestühl und eine weitere als Wasserspeier, verdeutlichen die Diskriminierung der Juden im mittelalterlichen Köln. Gleichzeitig gibt es auch Zeichen besserer Tage: Etwa die Fenster, die die Familie Oppenheimer für den Dombau spendeten. Das Salomon-Fenster und das Fenster der Patriarchen wurden zwar im Krieg stark beschädigt, konnten aber restauriert werden.

Adresse: Domkloster 4, 50667 Köln

3. Jüdischer Friedhof in Bocklemünd

Das Denkmal ist eine graue Pyramide, auf der "unseren Gefallenen" steht und darunter "Reichsbund Jüd. Frontsoldaten". Es ist umgeben von Bäumen.

Denkmal der Gefallenen jüdischen Soldaten im ersten Weltkrieg, jüdischer Friedhof in Bocklemünd

Im Gegensatz zum „Judenbüchel“ lässt sich ein anderer jüdischer Friedhof noch heute besuchen: in Bocklemünd. Es ist auch ein Ziel von Aaron Knappsteins Führungen. „Heinrich Heine hat mal gesagt: Mit jedem Menschen wird eine Welt geboren und stirbt eine Welt. Und unter jedem Grabstein findet man eine Weltgeschichte. Diese Geschichten werden in Bocklemünd ganz unterschiedlich erzählt.“

Viele Familien, die in Köln eine große Rolle gespielt haben, sind dort begraben. Für die Kaufhof-Gründer der Familie Tietz etwa finden sich einige Prachtgräber. Es gibt aber auch viele Grabsteine von Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert sind. Und ein Denkmal erinnert an die jüdischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gekämpft haben. „Das war ein wichtiger Bestandteil der Identität der deutschen Juden“, sagt Knappstein.

Zudem finden sich hier Relikte des „Judenbüchels“, denn einige der dort verbliebenen Grabsteine konnten bei seiner Wiederentdeckung geborgen werden. Im jüdischen Friedhof in Bocklemünd befindet sich ein „Lapidarium“ genanntes Steinhaus, das die alten Funde beherbergt.

Wichtig zu wissen: Der Friedhof schließt an Freitagen früh, bleibt samstags und an jüdischen Feiertagen geschlossen.

Adresse: Venloer Str. 1152, 50829 Köln

4. Löwenbrunnen und Gedenkort Jawne

Aaron Knappstein lehnt die Hand an den Brunnen an und schaut in die Kamera.

Aaron Knappstein vom NS Dok-Zentrum am Löwenbrunnen

Ganz in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums befindet sich auf dem Erich-Klibansky-Platz der Löwenbrunnen. Abgebildet ist der Löwe Juda, der die Zehn Gebote hält und die Tatze fragend nach oben reckt. Hier war einst der Schulhof eines jüdischen Gymnasiums, es gab auch eine Volksschule und eine Synagoge in der Nähe. Knappstein erzählt: „Erich Klibansky war der Direktor des Gymnasiums. Er war auch der Organisator der sogenannten Kindertransporte aus Köln, die viele Kinder gerettet hat. Er selbst ist mit seiner Frau und seinen Kindern später deportiert und ermordet worden.“

In den 90er-Jahren hat man den Platz zum Gedenkort gemacht. Am Brunnen sind Bronzeplatten mit den Namen der Kinder angebracht, die aus Köln deportiert wurden. „Der Brunnen selbst wurde vom Bildhauer Hermann Gurfinkel konzipiert. Er ist selbst in Köln geboren und wurde mit dem Kindertransport nach England gerettet.“

Direkt neben dem Brunnen ist der Lern- und Gedenkort Jawne. Dort gibt es einen Galerieraum mit Ausstellungen zur Geschichte des Ortes, es finden auch Veranstaltungen dort statt. Die Öffnungszeiten sind hier zu sehen.

Adresse: Erich-Klibansky-Platz, 50667 Köln

5. Synagoge an der Roonstraße - und ein Stück Karnevalsgeschichte

Die Synagoge ist ein prächtiges Gebäude und hat ein rundes Fenster in der Mitte, dass wie eine Blume aussieht.

Die Kölner Synagoge in der Roonstraße

Wie viele Gebäude war auch die Synagoge an der Roonstraße während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden. „Die Synagoge ist ja nach dem Krieg 1959 wieder aufgebaut worden, unter großem Einsatz von Konrad Adenauer“, so Knappstein. Von außen ist sie wieder so aufgebaut worden, wie sie vor dem Krieg aussah.

Den Wiederaufbau leitete Helmut Goldschmidt. Goldschmidt wurde 1944 nach Buchenwald deportiert, überlebte und kam zurück nach Köln. Sein Vater Moritz Goldschmidt überlebte auch und war nach dem Krieg Vorsitzender der jüdischen Gemeinde.

An den Erbauern der neuen Synagoge hängt sogar ein Stück Karnevalsgeschichte. „Diese Familie Goldschmidt ist sehr verbunden mit der Stadt. Sie haben auch dafür gesorgt, dass nach dem Krieg der erste Rosenmontagszug wieder stattfinden durfte.“ Die Engländer hatten ihn wegen seines militärischen Charakters verboten. Moritz Goldschmidt, der selbst bei den Roten Funken gewesen war und nach dem Krieg wieder eintrat, überzeugte die Engländer, den Rosenmontagszug wieder gehen zu lassen. Und das, obwohl er und viele andere Juden seit den 20ern in Karnevalsvereinen diskriminiert worden waren.

Die Synagogengemeinde bietet hausinterne Führungen für Gruppen und einmal im Monat auch eine Führung für Einzelpersonen an.

Adresse: Roonstraße 50, 50674 Köln

Zur Person

Knappstein trägt ein kariertes dunkles Hemd und einen Bart.

Aaron Knappstein vom NS DOK

Aaron Knappsein arbeitet im NS-Dokumentationszentrum. Er hält dabei Kontakte zu Nachfahren jüdischer Familien, die aus Köln kamen. Er ist liberaler Jude und hat den jüdischen Karnevalsverein Kölsche Kippa Köpp gegründet.

Ein Buchtipp zur jüdischen Stadtgeschichte

Barbara Becker-Jákli: Das jüdische Köln. Geschichte und Gegenwart. Ein Stadtführer. Emons Verlag, 400 Seiten, 16,95 Euro.

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