Nach der langjährigen und überaus gelungenen Sanierung eröffnet der Düsseldorfer Kunstpalast mit einer bemerkenswerten Neupräsentation über Zeiten, Genres und Medien hinweg.
Düsseldorfer KunstpalastNeupräsentation abseits vom Kanon
Gleichberechtigt stehen sie beieinander, Buddha-, Madonnen- und Christusfiguren, neben dem riesigen Monumentaltor aus Ägypten oder Syrien, das ursprünglich vielleicht gar kein Tor war, sondern eine hölzerne Deckenvertäfelung. Man weiß es nicht ganz genau, die Paneele wurden anscheinend erst Anfang des 20. Jahrhunderts für ihre Präsentation im Museum als Tor zusammengesetzt.
Gleich im ersten Raum des neuen Rundgangs durch die Sammlung wird deutlich: etwas ist anders. Die Artefakte werden zwar immer noch weitgehend chronologisch und mit einem Erklär-Text präsentiert, andere Kategorien aber entfallen. Nicht der Künstlername, wie sonst üblich, steht an erster Stelle, sondern Titel oder Bezeichnung des Werkes. Man erfährt zuerst um was es geht, dann erst taucht ein Name auf. Jetzt dürfen bekannte und unbekannte Arbeiten gleichberechtigt zusammenstehen, religiöse Artefakte aus verschiedenen Kulturen, Glasobjekte neben Ölgemälden, Fotografien und Stühle, historische Statuen, Kleider und Druckgrafikblätter, perfekte und auch unperfekte Kunstwerke. Sie erzählen uns: das alles hat es gegeben damals. „Wir gehen nicht nach Namen, wir wollen Geschichten erzählen“, so formuliert es Museumsdirektor Felix Krämer.
Frans Posts inzwischen verblaute Landschaft (gemalt 1669 in Brasilien) findet ebenso einen Platz an der Wand wie die Riesenformate von Rubens und El Anatsui, oder, ein paar Räume weiter ein gemalter ein Amor, der mit seinem Pfeil in einem Herz herumstochert, das er in der Hand hält; ein tatsächliches offenes Herz, ein Fleischklumpen. Das Bild entstand ca. 1890 und stammt von Sally von Kügelgen (1860-1928), einer deutschbaltischen Malerin, deren Vater und Großvater ebenfalls Maler waren.
Nach der langjährigen und überaus gelungenen Sanierung eröffnet der Düsseldorfer Kunstpalast mit einer bemerkenswerten Neupräsentation: In 49 Sälen werden Kunstwerke und kunstgewerbliche Objekte vom Mittelalter bis zur Gegenwart gezeigt. Und zwar nicht mehr in Schulen und Gattungen geordnet und voneinander getrennt, sondern zusammen, über Zeiten, Genres und Medien hinweg.
Die rund 800 Werke stören sich dabei keineswegs. Mitunter scheint es als führten sie ein stilles Gespräch miteinander: etwa die zwei indischen Miniaturen mit ihren kleinteiligen bildparallelen Prozessionen mit dem benachbarten großen Panorama der römischen Via Ripetta von Bernardo Bellotto (1742- 1744), das, ganz konträr, einen extremen Sog in die Bildtiefe entwickelt aber eine ähnliche Detailverliebtheit erkennen lässt.
Oder Werke ignorieren sich freundlich, sind sich ihrer selbst gewiss, treten allenfalls in einen sportlichen Wettkampf. Sie behaupten sich oder streiten ein bisschen, am Ende verträgt man sich wieder. Besonders in der ersten Hälfte des neuen Rundgangs stößt dieses Nebeneinander Erkenntnisse an, die man in den hergebrachten kunsthistorischen Begriffen und Diskursen vielleicht versäumt hätte.
Betrachtet man eine hölzerne Wurzel ähnlich fasziniert und sorgfältig wie ein wertvolles Schmuckstück oder einen chinesischen Kerzenleuchter? Kleine Netsuke-Figürchen wie eine Rodin-Skulptur? Jetzt vielleicht schon.
Die offene und spielerische Neuaufstellung der Sammlung kann wohl auch als ein Modell für Demokratie gelesen werden, jede*r hat eine Stimme, egal als wie wichtig oder unwichtig sie vorher galten.
Die vielen Gemälde der Düsseldorfer Malerschule sind nach Art vergangener Epochen in Petersburger Hängung auf allen vier Wänden bis zur Decke hoch verteilt. Das passt super, sieht sehr gut aus und beschreibt einen damals üblichen Umgang mit Kunst bevor der White Cube die Norm wurde. Auf dem langen Weg durch die Sammlung ist mit ein paar zauberhaften Ideen auch an die jüngeren Besucher gedacht: Mehrfach laden kleine Eingänge in kleine Räume ein, in denen Kinder ihr Museum entdecken können. Man fühlt sich ein bisschen wie Alice im Wunderland oder auch wie bei Harry Potter, wenn eine App die Künstlerfreunde auf dem alten Bild zum Leben und zum Sprechen erweckt (Friedrich Boser, „Freundschaftsbild“ 1835-1845). Sie erzählen ihre Geschichten selbst.
Den meisten Werken tut die neue Nachbarschaft gut
Im zweiten Teil der Neupräsentation, vorbei an den beiden Weltkriegen und einem sehr aufschlussreichen und wichtigen Kapitel zur Provenienzforschung sowie dem großen Fenster von Jan Thorn Prikker, gelangt man zur Sammlung moderner Kunst, die die Sammlungstätigkeit bis heute dokumentiert. Hier begegnen einem viele alte Düsseldorfer Bekannte, selbstverständlich Beuys, die Zero-Künstler, Nam June Paiks Videoinstallation, Möbel und Gebrauchsgerät, das Interieur der legendären Kneipe Cream Cheese, alle selbst schon mit dieser schönen Patina.
Den meisten Werken jedenfalls tut die neue Nachbarschaft in der umfangreichen Neu-Inszenierung im prachtvoll sanierten Kunstpalast gut. In sechs Monaten etwa wird eine neue Auswahl in neuer Hängung zu sehen sein.
Der Mann, der am Ende des Rundgangs auf sein Handy schaut und bemerkt, dass er in den vergangenen drei Stunden im Museum zehn Kilometer zurück gelegt hat, lacht.
Der neue Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf, Di-So 11-18, Do 11-21 Uhr.