Impressionismus-Ausstellung in KölnDie Revolution der einmal zu oft zurückgewiesenen Maler

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Ein Torero liegt leblos auf dem Rücken.

Édouard Manets „Der tote Torero“ gehört zu den Spitzenwerken in der Kölner Ausstellung

Vor 150 Jahren stellten die Impressionisten erstmals gemeinsam aus. Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum erinnert an diese Revolution der Kunst.

Der Kaiser hatte die Qual der Wahl: Venus oder Perle? Welche aus dem Meeresschaum geborene nackte Schönheit sollte er seiner Sammlung einverleiben? Alabasterweiß waren sie beide und beide räkelten sich, als habe man, so ein Kritiker, „die Vorhänge vor einer jungen Schlafenden beiseitegeschoben“. Am Ende entschied sich Napoleon III. für die Venus von Alexandre Cabanel, vermutlich auch, weil man munkelte, dass die von Paul-Jacques-Aimé Baudry an den felsigen Strand gespülte Perle eigentlich eine stadtbekannte Prostituierte war.

1863 war der „Salon der Venus“, ganz Paris ließ sich von der Schaumgeburt hinreißen und stimmte in den Jubelgesang der aufgeregt durchs Bild flatternden Putten ein. Oder vielleicht doch nicht ganz Paris: 1863 war auch das Jahr, in dem der Kaiser erstmals zum „Salon der Refüsierten“ lud, um die fortschrittlichen Kräfte unter den Malern zu besänftigen. In diesem stellte aus, wer von der Salonjury für unwürdig befunden wurde, die Augen Napoleons und seiner Untertanen zu umschmeicheln. Auch dieser Salon hatte seine nackte Schöne. Sie speiste auf Édouard Manets „Frühstück im Grünen“ in Gesellschaft zweier bekleideter Herren und sorgte für einen Skandal.

Es dauert eine Weile, bis man in der großen Ausstellung, die das Kölner Wallraf-Richartz-Museum dem offiziellen Geburtsjahr des Impressionismus widmet, ein impressionistisches Gemälde zu sehen bekommt (und Manets „Frühstück“ ist natürlich nicht dabei). Aber das liegt in der Natur der Sache: Auch das Pariser Musée d´Orsay zeigt in seiner Rekonstruktion der ersten Impressionismus-Ausstellung von 1874 etliche Werke, die sich nur mit viel Fantasie zur reinen Lehre zählen lassen. Was nachträglich zur Revolution der Kunst verklärt wurde, war eigentlich eine lockere Bewegung, ein Sammelbecken der einmal zu oft Zurückgewiesenen.

Die Revolution der Impressionisten vollzog sich schleichend

Die Revolution der Impressionisten vollzog sich schleichend, und sie begann mit Malern, die wir als Romantiker und Realisten kennen, oder die, wie Manet und Paul Cézanne, zu den einsamen Wölfen hielten. Will man die entscheidenden Jahre dieses Aufruhrs datieren, dann gerne wie die Kuratorin Barbara Schaefer im Wallraf. Sie lässt ihre üppig bebilderte Nacherzählung im Jahr 1863 mit Salonmalerei beginnen und umschifft das von der Pariser Konkurrenz monopolisierte Jahr 1874, indem sie Gemälde aus den folgenden Ausstellungen der Impressionisten zeigt.

Im künstlerischen Paris des Zweiten Kaiserreichs war der Salon alles und alles andere nichts. Hier wurde man bekannt, hier verkaufte man, hier stellte man sich Kritik und Publikum. Der Salon war eine jährliche Massenattraktion, mit mehreren Tausend Kunstwerken, zu denen bis zu einer Million Besucher drängten. Verglichen damit wirkt die Kölner Salonausgabe etwas kümmerlich, aber auch die komprimierte Form gibt einen guten Eindruck des damaligen Zeitgeschmacks. Man riss sich um historische oder literarisch verbürgte Stoffe, über deren feinmalerische Ausführung die veranstaltende Akademie der schönen Künste wachte. Allerdings war die Einlasskontrolle nicht so rigoros, wie man vermuten könnte. 1863 wurde etwa Jean-François Millets „Mann mit der Hacke“ zugelassen, das anklagende Bild eines von der Arbeit gebeugten Bauern. Gemalte Sozialkritik war offenbar erlaubt, solange ihr Realismus im mythologischen Schäumen unterging.

Eine nackte Frau liegt auf einer Meereswelle, über ihr fliegen Putten.

Alexandre Cabanels Venus war die Sensation des Pariser Salons von 1863. Jetzt ist das Motiv in Köln zu Gast.

Der Salon war besser als sein Ruf als Trutzburg des klassischen Regelwerks und die akademische Malerei mehr, als man sich beim Blättern in dicken Impressionismus-Bänden träumen lässt. In Köln wird sie nicht als Antimoderne präsentiert, deren Zeit vorüber war, sondern als vielfältiger und erstaunlich beweglicher Ausdruck ihrer Zeit. Ein halber Saal ist „orientalischen“ Motiven gewidmet, die seit Napoleon Bonapartes Ägyptenfeldzug nicht mehr aus der Mode kamen. Historienmaler wie Gustave Achille Guillaumet fanden in ihnen eine unerschöpfliche Quelle, um die Größe der französischen Nation zu feiern, während ein halbnackter „Ägypter“ von Laurent Bouvier so steif und glattgepinselt dasteht, als wäre er Statist in einer Orgie. Jean-Paul Laurens wiederum fand das Exotische im Eigenen. Er malte bizarre Begebenheiten aus der Geschichte, etwa die Leichensynode von 896, in der dem toten Papst Formosus der Prozess gemacht wurde. Sein Nachfolger hatte ihn aus dem Grab gerissen und die Knochen im Ornat auf einen Thron gesetzt.

Eher anekdotisch behandelt Schaefer die deutsche Belagerung von Paris und die blutige Niederschlagung der Kommune durch die französische Armee. Für die Hungersnot steht ein „Rattenverkäufer“ von Narcisse Chaillou, für die Kriegsgräuel ein „Toter Torero“, den Manet aus einem im Salon von 1864 harsch kritisierten Gruppenbild geschnitten hatte. Vor dem leeren Hintergrund erscheint der Tote nun als Sinnbild für das einsame Sterben in moderner Zeit.

Das Ausstellungsfinale wird nicht triumphal, sondern bleibt auf dem Boden der Tatsachen

Mit jedem Saal nähert sich die Ausstellung dem Siegeszug der impressionistischen Malerei. Auf dem Weg dorthin passieren wir „Vorformen“ wie eine realistische Winterlandschaft Gustave Courbets, einen locker gepinselten Blumenstrauß von Henri Fantin-Latour oder, als Gegenbeispiel, einen heiligen Hieronymus von Jean-Léon Gérome, der seinen Kopf auf einem schlafenden Löwen ausruht. Gérome gehörte zu den Verächtern der Moderne, denen ihre Opposition nicht gut bekam. Sie gerieten aus der Mode, als sich das Publikum der Gegenwart zuwandte und sich „ewige“ Gewissheiten im raschen Pinselstrich verflüchtigten.

Das Ausstellungsfinale mit dem „Salon der Unabhängigen“ wird dann nicht triumphal, sondern bleibt auf dem Boden der kunsthistorischen Tatsachen. Schaefer zeigt hier grandiose Leihgaben wie eine „Grüne Welle“ von Claude Monet oder ein flirrendes Gartenbild von Berthe Morisot aus der eigenen Sammlung. Aber eben auch eine wunderbare Kuriosität wie das „Wartezimmer eines Zahnarztes“, einer dem Realismus verpflichteten „Momentaufnahme“, mit der Jean-François Raffaelli 1880 an der fünften Impressionisten-Ausstellung teilnahm.

Im Inneren des Rundgangs liegt der „Salon der Refüsierten“, in dem Schaefer mehrere Ausgaben der offiziellen Gegenausstellung zusammenfasst. Auch in ihr finden sich Gemälde ganz und gar unterschiedlicher Machart, nichts, woraus sich eine Regel bilden ließe. Offensichtlich waren die Kriterien für die Salonzulassung nichts, worauf man sich verlassen konnte und die impressionistische Revolution ein Aufstand gegen eine Willkürherrschaft. Allein Paul Cézanne wusste ganz genau, warum er 1866 abgelehnt worden war: Sein Porträt eines Jugendfreundes hatte er buchstäblich mit dem Messer gemalt; die Farbe hängt dem armen Mann wie Hautfetzen im Gesicht. Schon damals konnte man also ahnen, dass die Revolution der modernen Kunst mit den Impressionisten nicht beendet war.


„1863, Paris, 1874: Revolution in der Kunst“, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 15. März bis 28. Juli 2024. Eintritt: 11 Euro/ 8 Euro ermäßigt. Der Katalog zur Ausstellung kostet 38 Euro.

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