Kurator auf WeltniveauKasper König wird 80 – immer da, wenn Neues und Aufregendes passierte

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Kasper König zeigt Yilmaz Dziewior etwas in der Ausstellung.

Kasper König mit Yilmaz Dziewior, seinem Nachfolger als Direktor des Kölner Museums Ludwig

Unter Kasper König wurde das Kölner Museum Ludwig zur Weltmarke. Jetzt wird der Kurator 80 Jahre alt. 

„Ich weiß auch nicht, warum die Stadt mit mir den Bock zum Gärtner gemacht hat“, sagte Kasper König, als er 2012 den Chefsessel im Museum Ludwig räumte. Das klang damals schon kokett, denn natürlich hatte sich Köln mit ihm im Jahr 2000 einen Kurator auf Weltniveau geholt. Andererseits entspricht König bis heute nicht gerade dem bildungsbürgerlichen Idealtyp eines Museumsdirektors.

König hat sein Fach weder brav zu Ende studiert, noch überhaupt das Abitur gemacht. Stattdessen absolvierte er in Essen eine Ausbildung beim Galeristen Rudolf Zwirner und füllte das erste seiner legendären Adressbücher, indem er als Hilfskraft der Documenta die Angaben auf den Leihscheinen abschrieb; er floh zwischenzeitlich nach London, um dem Wehrdienst zu entgehen, verdingte sich als Schiffskoch auf einem Frachter nach New York und knüpfte in Übersee schließlich die Kontakte, die ihn durch seine Karriere tragen sollten.

An der Städelschule ereilte ihn dann der Kölner Schicksalsruf

Über sein Erfolgsgeheimnis gibt es verschiedene Theorien. Für Gerhard Richter war König „einfach immer da“, wenn etwas Neues und Aufregendes passierte. Michael Werner sah in ihm einen jener Hasardeure, die in der akademischen Museumswelt eine „Spezialperformance liefern“ mussten, um von den etablierten Leuten überhaupt wahrgenommen zu werden. Das habe er, so Werner, wiederum mit der jungen Künstlergeneration gemein gehabt.

Zu Königs Spezialperformance gehörte die umstrittene „Weltkunst“-Ausstellung in den Kölner Messehallen und die Skulptur Projekte in Münster. Sie trug ihm zunächst einen Posten an der Staatlichen Kunsthochschule in Frankfurt ein, deren Rektor er bald darauf werden sollte. An der Städelschule ereilte ihn dann der Kölner Schicksalsruf – aus dem westfälischen Schulabbrecher wurde der Gärtner der modernen, aber immer noch irgendwie schönen Künste.

Als König im November 2000 ans Museum Ludwig kam, fand er eine Sammlung vor, die vor allem durch die Interessen der Namensgeber geprägt war: Pop Art, Russische Avantgarde, Pablo Picasso. Diesen Kanon wollte er durch eine „intelligente Außenseitersammlung“ ergänzen und fand dafür zahlreiche Unterstützer, was nach seinem Eindruck damals auch dringend nötig war: „Das Museum ähnelte schon ein wenig einem Kaufhaus, in dem die Regale voll und die Gänge leer sind“, so König.

Dieses Sich-selber-auf-die-Schulter-Klopfen in der Stadt hat schon etwas Gemeingefährliches
Kasper König

Am Anfang seiner Kölner Amtszeit tat König etwas auf entwaffnende Weise verwegenes: Er hielt der Stadt und ihren Bürgern eine Wunschliste in Form einer Ausstellung unter die Nase, mit lauter Werken, für die er Sponsoren suchte. Das funktionierte erstaunlich gut, und auch die Museumsgänge füllten sich zusehends, vor allem mit der Edward-Hopper-Ausstellung. 360.000 Besucher kamen 2004/05 nach Köln, ein Rekord mutmaßlich für die Ewigkeit.

Als oberster Sammler des Ludwigs stand König für eine Kunst, die sich zum intellektuellen Sammelsurium bekennt, manchmal auch zum schrägen Ideenverhau und zum Chaos, in das allein eine konsequent subjektive Weltsicht die tröstliche Illusion von Ordnung bringt. Allzu Weihevolles war ihm ein Graus, weshalb man seine Ausstellungen fast immer mit dem Gefühl heiterer Ergriffenheit verließ. Königs bevorzugte Chaosbändiger waren die Sammler unter den Künstlern, etwa Matt Mullican und natürlich Hans-Peter Feldmann, der auch zu einem weiteren Schwerpunkt in Königs Ludwig-Sammlung passte: die konzeptionelle Kunst. Sie hatte für König den Vorteil, dass sie nie modisch und somit für den musealen Geldbeutel unerschwinglich wurde und als künstlerische Grundlagenforschung zugleich immer aktuell blieb.

Als Höhepunkt seiner Kölner Amtszeit empfand König die beiden großen Schenkungen von Irene Ludwig, die zweite Schenkung war Teil ihres Testaments. „Anderthalb Seiten mit der Hand geschrieben. Das war ein unglaubliches Bekenntnis zum Haus, das hat mich echt umgehauen.“ So kam noch mal viel Picasso in die Sammlung, zu viel vielleicht für die Selbstbesoffenheit der Kölner. „Dieses Sich-selber-auf-die-Schulter-Klopfen in der Stadt hat schon etwas Gemeingefährliches“, befand König, bevor er sich ins sichere Berlin absetzte. Ganz schuldlos am anhaltenden Glück der Kölner Kunstwelt ist er freilich nicht – er hob sie auf sein Weltniveau. Am 21. November wird Kasper König 80 Jahre alt.

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