Kölner Tanzfilmfestival MoovySportstätten von 1936 im Blick

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Das Bild zeigt, wie Eszter Salamon auf einem Plateau sitzt und auf ein riesiges Stadion im Hintergrund schaut.

"Sommerspiele" von der Choreografin Eszter Salamon

Das Kölner Filmfestival Moovy zeigt bis zum 24. März Filme und Installationen rund um Tanz und Bewegung.

Zu Stein geworden. Steht dann da in Wind und Wetter. An einem Kopf setzt gelbes Moos an, Grasbüschel zwängen sich durch Stufenlücken. Zu Mensch geworden, als Mensch anders geworden, zu Film geworden, zu Geräusch: Das ist „Sommerspiele“, ein großartiges Werk der Choreographin Eszter Salamon.

Tanzfaktur, Tanzmuseum und Filmforum NRW sind dabei

Zu sehen beim Kölner Tanzfilmfestival Moovy. Seine Leiterin Ágota Harmati verteilt es mit ruhiger Beharrlichkeit seit 2017 jeweils im Frühjahr auf mehrere Orte in der Stadt. Das Film-Forum NRW im Ludwig-Museum ist stets dabei; neu sind 2024 die Tanzfaktur und das Tanzmuseum im Media-Park. Im Schlussraum von dessen Jahresausstellung übers Aufbewahren und Archivieren, die betont luftig inszeniert ist, wahrscheinlich weil sie „Irgendwas fehlt immer“ heißt, sieht man nun diesen Film, den man nicht mehr vergisst.

Den protzigen Bauten, die er zeigt, fehlte genau das, was Eszter Salamon 2023 mit „Sommerspiele“ machte. Der 26-Minüter setzt Sport- und Schaustätten in Berlin in Szene, die für die Olympischen Spiele 1936 errichtet wurden. Er vereint sie, samt der riesigen Statuen, zu einem Sinnbild fürs Monumentale und für Massenveranstaltungen, lässt aber die Massen weg. Toter Stein. Die Tänzerin und bekannte Choreografin ist total allein dort, auf Podesten, an Geländern, Treppen, unterm Himmelblau mit ein paar Vögeln. Das Heroische und Symmetrische verwackelt, während es sich nicht rührt vor der Kamera von Marie Zahir.

Filmfestival Moovy zeigt in Köln alles rund um Tanz

Salamon trägt Turnschuhe, schwarzen Schopf, Schminke im Gesicht und sonst nichts. Streicht umher, starrt, verzieht Augenbrauen und Mund, gurrt, ächzt, krächzt, brabbelt, reißt die Augen auf, marschiert wie ein Kind Marschieren spielt, kurvt den Hintern raus und bückt sich wie eine Äffin, ballt die Hände, spitzt den Finger, reckt das Kinn, stemmt die Fäuste in die Taille, macht den Führer, liegt schlaff inmitten tausender Stadionsitze. Wie vergessen, leblos. So trägt die Künstlerin die historische und die Kunstfigur Valeska Gert (1892 – 1978) in das Nazi-Gelände. Mit der unbotmäßigen Tänzerin und Kabarettistin beschäftigt sie sich seit Jahren. Deren Frechheit entweiht diese Steinriesen endlich, die wiederum die Körpergroteske fragil wirken lassen. Vergesst Riefenstahl.

Der Hauptteil des Moovy-Festivals mit Kurzfilmen auf Leinwand oder in VR-Brillen läuft vom 15. bis 24. März. Sie bieten vielerlei Blicke in die Welt, in Wüsten, Wälder, Strände, Straßen, Häuser und ins Tanzgebaren. Auch in Leben, wie das der Transfrau Naomi Brito beim Tanztheater Wuppertal oder von Jan Minařík, dem berühmten Pina-Bausch-Tänzer, der 2022 starb. Malou Airaudo und Dominique Mercy, Bausch-Weggefährten, haben einen surrealen Auftritt. Viele andere erscheinen in Filmen der Kölner Emanuele Soavi, Charlotte Triebus, Angie Hiesl. Die Funkemariechen aus der Choreographie „Cobra Blonde“ von Reut Shemesh marschieren wieder auf. Anti-Monumente auch sie.

Zur Veranstaltung

Moovy Tanzfilmfestival, 15. bis 24. März. Alle Infos gibt es hier

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