ModerationsaufträgeKanzleramt zahlte Linda Zervakis 12.000 Euro – DJV kritisiert mangelnde Transparenz

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Moderatorin Linda Zervakis

Linda Zervakis arbeitete lange als „Tagesschau“-Sprecherin und moderiert heute bei Pro Sieben.

DJV-Chef Frank Überall wirft Zervakis mangelnde Transparenz vor. Die Bundesregierung zahlte Journalisten seit 2018 1,5 Millionen Euro für Moderationen und Coachings.

Die Pro-Sieben-Moderatorin und frühere „Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis hat im Jahr 2022 mehr als 12.000 Euro von der Bundesregierung für Moderationen erhalten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag hervor. Zervakis wird in der Aufstellung zwar nicht namentlich genannt, ist aber über das Datum der Veranstaltung identifizierbar.

Für ihre Moderation der Veranstaltung „Deutschland. Einwanderungsland – der Dialog für Teilhabe und Respekt!“ im November muss sie der Aufstellung zufolge fast 11.000 Euro erhalten haben. Bereits vor einigen Wochen hatte die „taz“ berichtet, dass Zervakis ein Gespräch mit Olaf Scholz auf der Digitalmesse re:publica auf Wunsch des Bundeskanzlers moderiert hatte.

Dafür erhielt sie vom Kanzleramt eine „Kostenpauschale“ von 1.130,50 Euro brutto. Diese sei kein Honorar gewesen, das Kanzleramt habe Zervakis lediglich „im Zusammenhang mit der Teilnahme entstandene Kosten erstattet“, wie das Management der Journalistin der „taz“ mitgeteilt hatte. Die genaue Summe hatte ein Regierungssprecher der Zeitung genannt.

Fasst man beide Veranstaltungen zusammen, bei denen Zervakis laut der Aufstellung der Bundesregierung moderierte, ergibt sich für das Jahr 2022 eine Zahlung in Höhe von 12.044,31 Euro.

Der DJV-Vorsitzende Frank Überall fordert Transparenz

Bei der Veranstaltung im November sei Zervakis nicht als Journalistin, sondern als Moderatorin tätig gewesen, teilte das Management von Zervakis nun „t-online“ mit. „Für die Tätigkeit als Moderatorin hat sie ein Honorar erhalten. Linda Zervakis ist regelmäßig als Moderatorin von Veranstaltungen tätig und erhält hierfür ein Honorar.“

Zervakis wies am Mittwoch die Kritik zurück und betonte ihre journalistische Unabhängigkeit. „Als selbstständige Moderatorin war und bin ich nicht nur für deutsche TV-Sender tätig“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Regelmäßig übernehme ich auch Moderationen für Veranstaltungen.“ Verschiedenste Firmen, Privatpersonen, Institutionen fragten bei ihr Veranstaltungs-Moderationen an. „Hierzu zählten in der Vergangenheit auch Bundesbehörden und -ministerien“, so Zervakis.

„Derzeit wird in Bezug auf meine Person diskutiert, ob durch diese Institutionen beauftragte Veranstaltungs-Moderationen die Unabhängigkeit der Presse beeinträchtigen. Die Diskussion wird von verschiedenen Seiten aus zunehmend instrumentalisiert“, sagte Zervakis. „Ich habe mich zu keiner Zeit von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen und werde diesen Weg auch fortsetzen.“

Tatsächlich ist es üblich, dass Journalistinnen und Journalisten, gerade wenn sie - wie Zervakis bei der „Tagesschau“ - freiberuflich tätig sind, Moderationsjobs übernehmen. 

Für Frank Überall, den Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes, ist daran erst einmal nichts verwerflich. „Bei Nachrichtensprecher*innen, die ja freiberuflich arbeiten, ist es normal, dass sie auch andere Jobs haben. Vor der Kamera und vielen Menschen zu moderieren, muss man lernen“, sagte Überall dieser Zeitung. Wer sonst solle solche Veranstaltungen kompetent moderieren, wenn nicht ausgebildete Journalisten. 

Man muss aufpassen, nicht als Mikrofon-Halter missbraucht zu werden
Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes

Ein Risiko sieht Überall dennoch: „Man muss aufpassen, nicht als Mikrofon-Halter missbraucht zu werden. Deshalb muss man sich immer fragen: Habe ich hinreichend Expertise, um diese Moderation zu übernehmen? Und darf ich wirklich meinen Job machen, also kritisch nachfragen? Oder soll ich nur Stichworte geben?“ 

Er habe Linda Zervakis' Moderation auf der re:publica nicht selbst verfolgt, aber aus den Reaktionen lasse sich ableiten, dass sie offenbar „Olaf Scholz nicht besonders kritisch befragt hat“. Zudem irritiere ihn die doch eher akademische Unterscheidung zwischen Honorar und Kostenpauschale, die ihr Management machte. „Zumal diese Kosten nicht benannt werden. Da würde ich mir umfassende Transparenz wünschen, um alle Vorwürfe eines Interessenskonflikts auszuschließen. Diese Transparenz vermisse ich im Fall Zervakis“, so Überall. 

Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion geht zudem hervor, dass Bundesministerien und Bundesbehörden seit 2018 1,47 Millionen Euro an insgesamt 200 Journalistinnen und Journalisten zahlten - vor allem für Moderationen, aber auch für Vorträge, Lektorate, Fortbildungen und Medientrainings. Die Journalistinnen und Journalisten arbeiten sowohl für öffentlich-rechtliche Anstalten - unter anderem WDR, NDR, Deutschlandfunk, Deutsche Welle, ZDF - als auch für privatwirtschaftliche Medienhäuser wie „Die Zeit“, „Tagesspiegel“, RTL und n-tv. 

Dabei entfielen Honorare in Höhe von 875.231.92 Euro an Journalisten des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und des Auslandssenders Deutsche Welle, 596.596,55 Euro an Journalisten privater Medien. Nicht enthalten in der Aufstellung sind nach Angaben der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls Honorare, die der Bundesnachrichtendienst (BND) an Journalisten gezahlt hat, weil die Kooperationen des BND „besonders schützenswert“ seien.

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