Die Faszination des Horrors ist das Thema einer großen Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast. Leider verfällt sie dem modischen Oberflächenreiz.
Ausstellung zu „Tod und Teufel“Schlimmer als die Hölle ist ihr Ausverkauf an den Kommerz
Eines der überzeugenden, weil am eigenen Leib erfahrbaren Werke der Ausstellung findet sich ganz an ihrem Ende, dort, wo die Besucherinnen und Besucher durch einen kompletten Raum hindurch über einen Haufen zertrümmerten Inventars hinwegsteigen müssen. Ein bisschen wie in Hans Haackes Biennale-Pavillon in Venedig 1993. Hier indes, in Stefan Vogels Installation „Wollen“ (2023), hört man zusätzlich zwei Tonspuren, in denen, schön aneinander vorbei, ein Paar anscheinend darüber spricht, ob sie nun ein Kind bekommen wollen oder nicht. Der gesamte Raum ist bis hoch hinauf tapeziert mit benutzten Matratzen und als Resonanzraum für ein derartiges aus zwei Monologen bestehendes existentielles Gespräch tatsächlich ein Horror. Ein trotziges Aneinander-Vorbei-Reden, und das in einem Zuhause, das doch ein geschützter Raum sein sollte?
Kurz davor, noch beklemmender, Teresa Margolles minimalistische Arbeit aus 105 Keramikfliesen „32 Jahre (Boden, auf den die ermordete Leiche des Künstlers Luis Miguel Suro fiel)“ aus dem Jahr 2006. Hier nämlich findet der Horror noch direkter in mir selber statt, in meiner eigenen Vorstellung. Das Bild dieses erst einmal recht unscheinbar daherkommenden Tatorts ist für Deutungen maximal offen und zugleich doch äußerst konkret. Im direkten Gegenüber mit den keramischen Zeugen bin ich meinen eigenen Fantasien ausgeliefert. Ganz anders als bei den meisten anderen Exponaten der Schau. Diese illustrieren und verweisen auf eine Faszination für den Horror oder Schrecken, aber das muss nichts mit mir zu tun haben.
Der Tod zerbricht die Normen von Schönheit und Harmonie
Im Düsseldorfer Kunstpalast sind in der Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ 120 Werke von klassischer Malerei bis Skulptur und Installation versammelt, die überwiegend der Attraktivität nachgehen, die der Tod, als Tabubruch mit den Normen von Schönheit und Harmonie, immer schon ausübte. Er wird meist und gerne verdrängt und gerade deshalb fasziniert er. „Angstlust“ war schon in der Antike ein Konzept, das dieses Phänomen zu greifen suchte.
Gleich zu Beginn der Ausstellung sind es noch die Dämonen, gestürzten Engel und Todesboten aus Hochmittelalter und Renaissance und dann die düsteren Landschaften der Romantik, die drohend Unheil verkünden oder der Abwehr dienen, die die Allgegenwart des Todes meditieren oder romantisieren. Er ist der große Gleichmacher, der Tod trifft früher oder später jeden von uns.
Grundiert mit dem christlichen Glauben sind Schrecken und bange Erwartung damals ernst gemeint, sind kein Spiel, eher Sinnbild und Parabel, und keineswegs mit Ironie gebrochen. Wie sonst konnten Hölle und Fegefeuer eine derart abschreckende Wirkung entfalten, wenn nicht als überzeugendes Gegenbild von Himmel und Paradies? Die apokalyptischen Reiter als Boten des Jüngsten Gerichts gehörten zum Standardpersonal jener historischen Furcht. Albrecht Dürer hat mit seinem Holzschnitt um 1497/98 ein vielfach adaptiertes und bald verbreitetes Motiv geschaffen. Eine schöne Entdeckung ist auch Arnold Böcklins „Das Irrlicht“ (1892), ein wunderbar düsteres Gemälde, das den irrlichternden Geist eines ungetauft gestorbenen Kindes darstellt. Und an dessen Horizont doch auch wieder ein Licht aufscheint.
Die fotografierte Stillleben-Serie von Matt Collishaw, „Last Meal on Death Row“ (2010), ist ein Blickfänger, weil sie sich an den Stillleben des 16. und 17. Jahrhunderts orientiert und deren Motive in die Jetztzeit transportiert. Vor dunklem Grund werden nun aber keine luxuriösen Stoffe und edlen Gläser, keine Fasanenpasteten und Austern präsentiert, sondern einfache Genussmittel wie Kräcker und Spiegelei, ein blasser Hamburger und saure Gurken im Glas hell ausgeleuchtet. Ein Memento Mori, so oder so. Es erinnert uns an unsere Vergänglichkeit.
Bald schon aber dreht sich die meist vor düsteren Wänden eingerichtete Schau mehr und mehr um die Dokumentation einer eher zeitgenössischen modischen Faszination am Tabubruch. Zombies und Skelette, Vampire, Hexen, Clowns und Dämonen, rollende Augen und wilde Grimassen, Tattoos und Totenköpfe; die Auswahl an bedrohlichen Gesten und düsteren Kostümen ist groß, die Zahl popkultureller, literarischer oder auch folkloristischer Bezügen ist enorm. Fasziniert hat Horror lange schon, in Kunst-, Mode-, Musik- und Filmgeschichte lassen sich endlose Beispiele für das Spiel mit dem Grausen und Gruseln finden. High Fashion und die Einflüsse von Subkulturen, Mode und Musik, Goth, Metal, Rock, reale und fantasierte Gemetzel, hybride Wesen... Irgendwann haben es die Sicherheitsnadeln und punkig zerlöcherten Jeans schließlich auch in die Edelboutiquen geschafft.
Leider hat die Ausstellung an dieser mehr oberflächlichen Sicht auf Tod und Teufel als Maskottchen oder Modeaccessoire anscheinend großen Gefallen gefunden. Was hätte Hans Haacke wohl gesagt zu dieser engen Umarmung von Kunst und Kommerz?
„Tod und Teufel - Faszination des Horrors“, Kunstpalast, Düsseldorf, bis 21. Januar 2024