Tägliche Gewalt in NRWErmittler warnen vor Bildung rechtsterroristischer Strukturen

Lesezeit 3 Minuten
Schmierereien von Neonazis an Flüchtlingsunterkünften wie hier in Bayern geschehen auch in NRW zu Hunderten.

Schmierereien von Neonazis an Flüchtlingsunterkünften wie hier in Bayern geschehen auch in NRW zu Hunderten.

Düsseldorf/Herne – Dieser Übergriff ist so aktuell, dass er in der Statistik des Landes noch gar nicht auftauchen kann. In der Nacht zum Mittwoch brennt im Herner Stadtteil Horsthausen ein schwarzer Skoda völlig aus. Die Flammen griffen auf ein benachbartes Gebäude über, konnten aber von der Feuerwehr schnell gelöscht werden. Beschädigt wurden ein Vordach, Hausfenster und Rollos.

Was wie ein Routineeinsatz klingt, hat aber möglicherweise einen fremdenfeindlichen Hintergrund, weil an der Hauswand an drei Meter langes Graffiti mit der Aufschrift „Islam ist Frieden“ von Unbekannten übersprüht worden ist. Deshalb hat die Herner Polizei den Staatsschutz eingeschaltet. 

Gewalt richtet sich auch gegen Helfer

Im aktuellen Lagebild zu Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte, das vom Bundeskriminalamt (BKA) in Berlin in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, ist davon die Rede, „dass die Anzahl von menschenfeindlichen Straftaten weiterhin auf einem sehr hohen Niveau ist und die Taten gewalttätiger werden.“

Immer häufiger, so das BKA, richte sich rechte Gewalt auch gegen ehrenamtliche Helfer, Organisationen und Politiker. Die Ermittler warnen vor der „Bildung rechtsterroristischer Strukturen“.

Die Landesregierung hat auf die Anfrage der Piraten in einem Papier insgesamt 424 Straftaten von Jahresbeginn 2016 bis Anfang November peinlich genau aufgelistet. Seit Januar vergeht kaum ein Tag in NRW, an dem es nicht zu Pöbeleien und Schmierereien, Bedrohungen und Übergriffen auf Flüchtlinge gekommen ist.

Das Erschreckende ist: Die meisten dieser Straftaten können nicht verfolgt werden, weil die Täter entweder nicht ermittelt werden oder sich der Schaden als zu geringfügig erweist. In den seltensten Fällen kommt es zu einer Verurteilung wie bei einer Straftat von Ende Oktober 2015. Ein Beschuldigter, der vor einer Unterkunft für Asylbewerber in Oberhausen randaliert und Zuwanderer beschimpft hatte, wurde zu fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.

Erschreckende Statistik

Dass viele Fälle nicht aufgeklärt werden, haben die Piraten bei ihren regelmäßigen Anfragen zu rassistischen Übergriffen mehrfach beklagt. Dass die Gewalt zunimmt und die Täter auch die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nehmen, belegt die Liste der Straftaten in erschreckender Weise. So steckt ein nach eigenen Angaben stark alkoholisierter Täter in der Nacht zum 3. Juli 2016 brennendes Toilettenpapier in das gekippte Fenster einer Ditib-Moschee in Bochum. Das Feuer erlischt von selbst. Es entsteht nur geringer Sachschaden. Der Mann streitet jegliches politisches Motiv ab, er könne sich wegen des Alkoholkonsums an nichts mehr erinnern.

Dabei sind die Statistiken offenbar nicht einmal vollzählig, weil nicht alle Straftaten tatsächlich auch als Ausdruck rechtsextremer Gewalt eingestuft werden. Genau das hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bereits im Juni kritisiert. Unter dem Titel „Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt“ beklagen die Menschenrechtler, dass „Hasskriminalität von den Behörden oft nicht erkannt werde“. Die Landesregierung hält dem entgegen, man sei „für die konsequente Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung rechtsextremer und rassistischer Taten gut aufgestellt“.

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren