Nach Aufruf zum MordProzess mit Verdächtigen im Fall Maddie wird vertagt

Lesezeit 4 Minuten
Der Angeklagte Christian B. kommt zu Prozessbeginn in den Gerichtssaal im Landgericht Braunschweig.

Christian B. werden drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Portugal vorgeworfen. Ermittler verdächtigen den Deutschen auch im Fall Maddie.

Für den Prozess gegen Christian B. reisen auch britische Journalisten nach Braunschweig. Die Verhandlungen wird um eine Woche verschoben.

Weil eine Schöffin in sozialen Medien einen Aufruf zum Mord verbreitet haben soll, ist der Sexualdelikts-Prozess gegen den Maddie-Verdächtigen vertagt worden. Dem 47 Jahre alten Christian B. werden drei schwere Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch von Kindern in zwei Fällen vorgeworfen. Die Taten soll der Angeklagte in Portugal begangen haben.

Zu Beginn der Verhandlung am Freitag hatte Verteidiger Friedrich Fülscher einen Befangenheitsantrag gegen eine ehrenamtliche Richterin gestellt. Sie soll in sozialen Medien einen Aufruf zum Mord an dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro verbreitet haben.

Verteidiger von Christian B. stellt Befangenheitsantrag gegen Richterin wegen eines Aufrufs zum Mord

Nach etwa 40-minütiger Beratung schloss sich die Staatsanwaltschaft dem Befangenheitsantrag an. „Die Äußerungen stehen außerhalb unserer Rechtsordnung“, sagte Oberstaatsanwältin Ute Lindemann. Ein Aufruf zum Mord und Totschlag sei etwas, „was wir hier nicht dulden“. Es werde geprüft, ob ein Strafverfahren gegen die Schöffin eingeleitet werde.

Der Prozess gegen Christian B. geht am Freitag in einer Woche (23. Februar) weiter. Dann könnte die Verlesung der mehr als 100-seitigen Anklageschrift auf dem Programm stehen.

Unter anderem soll der Angeklagte eine damals 20-Jährige aus Irland in ihrem Appartement vergewaltigt haben. Die Taten sollen sich zwischen Dezember 2000 und Juni 2017 ereignet haben. Verteidiger Friedrich Fülscher strebt einen Freispruch für Christian B. an, wie er vorab der dpa sagte. Der Fall Maddie wird in dem Prozess in Braunschweig nicht verhandelt.

Der Fall Madeleine McCann begann am 3. Mai 2007

Gegen den vorbestraften Sexualstraftäter wird seit einigen Jahren wegen Mordverdachts im Fall Madeleine McCann ermittelt. Das dreijährige britische Mädchen verschwand am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage im portugiesischen Praia da Luz. Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass Maddie tot ist, obwohl bisher keine Leiche gefunden wurde.

Eine Anklage gegen den 47-Jährigen wurde in diesem Fall bisher nicht erhoben. In Bezug auf diese Vorwürfe habe er noch keine Akteneinsicht gehabt, sagte Fülscher. Deshalb könne er sich nicht dazu äußern, gehe aber davon aus, dass sein Mandant unschuldig sei. 

29 Verhandlungstermine sind angesetzt

Für den Vergewaltigungsprozess gegen Christian B. in Braunschweig sind insgesamt 29 Verhandlungstermine angesetzt, ein Urteil könnte nach dieser Planung am 27. Juni gesprochen werden. Für den ersten Prozesstag sind einer Gerichtssprecherin zufolge noch keine Zeugen geladen. Auf dem Programm steht die Verlesung der Anklage.

Im Oktober 2022 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig nach Ermittlungen in mehreren europäischen Ländern eine mehr als 100-seitige Anklageschrift vorgelegt. Ob sich der Angeklagte am Freitag zu den Vorwürfen äußern wird, ließ sein Rechtsanwalt zunächst offen. 

Das Verschwinden der dreijährigen Britin Madeleine McCann hatte 2007 europaweit für Entsetzen gesorgt. Dementsprechend stößt der Braunschweiger Prozess auf großes Medieninteresse, auch in Großbritannien. Der Fall der Frau aus Irland, die 2004 mutmaßlich von Christian B. vergewaltigt wurde, ist immer wieder Thema in britischen und irischen Medien. Die Zeitung „Daily Mail“ zitierte die Zeugin mit den Worten: „Ich kann es nicht erwarten, meinem Peiniger in die Augen zu schauen und ihn vor Gericht zu sehen.“ 

Christian B. werden weitere Sexualstraftaten vorgeworfen

Der Angeklagte soll außerdem eine unbekannt gebliebene 70 bis 80 Jahre alte Frau in ihrer Ferienwohnung im Schlafzimmer überrascht und vergewaltigt und dabei gefilmt haben. Auch die Vergewaltigung der Irin in Praia da Rocha soll er mit einer Videokamera aufgezeichnet haben.

Der maskierte Angreifer soll in beiden Fällen die Frauen auch gefesselt und mit einer Peitsche geschlagen haben. Eine ebenfalls unbekannt gebliebene deutschsprachige Jugendliche soll der Angeklagte in einem Wohnzimmer laut Staatsanwaltschaft an einen Holzpfahl gefesselt, geschlagen und zum Oralverkehr gezwungen haben. 

Darüber hinaus soll er 2007 am Strand in Salema eine Zehnjährige am Handgelenk gepackt und vor ihr masturbiert haben, 2017 folgte laut Anklage eine ähnliche Tat vor einer Elfjährigen in Bartolomeu de Messines. Das Mädchen lief zu seinem Vater, Christian B. wurde von der portugiesischen Polizei festgenommen.

Der Angeklagte sitzt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe ab

Derzeit sitzt der gebürtige Würzburger eine siebenjährige Haftstrafe für die Vergewaltigung einer US-Amerikanerin im Jahr 2005 ab, inhaftiert ist er aktuell im Gefängnis in Sehnde bei Hannover. Tatort war Praia da Luz, also der Ort, in dem Madeleine McCann 2007 verschwand. Der erste Vergewaltigungsprozess gegen Christian B. im Jahr 2019 in Braunschweig ging nahezu an der Öffentlichkeit vorbei.

Im Juni 2020 wurde durch einen Zeugenaufruf in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ überraschend öffentlich, dass der deutsche Sexualstraftäter unter Verdacht steht, die Dreijährige entführt und getötet zu haben. Im Fall Maddie laufen die Ermittlungen laut Staatsanwaltschaft weiter. (dpa)

KStA abonnieren