Kommentar zum Tabubruch der CDUMerz' Mimikry ist gescheitert – und seine Brandmauer auch

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Der rechtsextreme AfD-Chef in Thüringen, Björn Höcke, sitzt im Vordergrund. Dahinter sind Thüringens CDU-Chef Mario Voigt und der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zu sehen.

Der rechtsextreme AfD-Chef in Thüringen, Björn Höcke, sitzt im Vordergrund. Dahinter sind Thüringens CDU-Chef Mario Voigt und der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zu sehen. Die drei Parteien setzten am Donnerstag gemeinsam in Thüringen eine Steuersenkung durch.

Bei der Union scheint Macht wichtiger als Antifaschismus zu sein. Ein Blick ins Ausland sollte der Partei und ihrem Chef eine Lehre sein.

Es scheint zur Tradition zu werden: Die CDU nähert sich ein bisschen weiter der AfD an – Empörung. Die CDU versichert, es sei alles nicht so schlimm – Aufatmen. Dann beginnt das Spiel von vorn. Diesmal also die Empörung über den Thüringer Tabubruch. Wieder versichern führende Unionspolitiker, dass alles gar nicht so schlimm sei. Björn Höcke lacht sich derweil ins Fäustchen.

Das Abstimmungsverhalten von CDU- und AfD-Fraktion im Landtag sei abgestimmt gewesen, berichtet die „Thüringer Allgemeine“. Mario Voigt, Thüringer CDU-Chef, versichert zeitgleich im TV das Gegenteil, alles sei in Ordnung. Immerhin müssten manche Thüringer nun weniger Steuern bezahlen. Ein Erfolg!

Thüringer CDU lässt AfD jubeln: „Merz‘ Brandmauer ist Geschichte“

Was das Ergebnis in Thüringen jedoch tatsächlich bedeutet, erfährt man – ausgerechnet! – von der AfD. „Brandmauer Adé!“, frohlockt Beatrix von Storch. „Merz‘ Brandmauer ist Geschichte“, versichert auch Parteichefin Alice Weidel – „und Thüringen erst der Anfang“.

Die Rechtspopulisten haben Oberwasser, auch in den Umfragen. Und Friedrich Merz, Erfinder der unsichtbaren Brandmauer, steht mit seiner aussichtslosen Mimikry furchtbar hilflos daneben. Dank der Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei in Thüringen, weiß die AfD-Wählerschaft nun erst recht, dass ihre Stimme nicht umsonst gewesen ist.

Aussichtslose Mimikry von Friedrich Merz

„Diesen Preis hätte die Thüringer CDU nie bezahlen dürfen“, schreibt der ehemalige Generalsekretär der Christdemokraten, Ruprecht Polenz. Mit den klaren Worten steht Polenz in der CDU am Donnerstag aber ziemlich allein da, wie so oft in den letzten Monaten.

„Die Verschiebung nach rechts verläuft wie im Lehrbuch“, befindet der Soziologe Matthias Quent. Der deutsch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann schreibt, er hab so etwas „schon einmal gesehen, hier in den USA.“

CDU droht das Schicksal der Konservativen in Italien und Frankreich

So weit muss man gar nicht schauen. Bisher hatten die konservativen Parteien in Europa wenig Erfolg damit, sich so zu verkleiden wie ihre Konkurrenz von Rechtsaußen. In Frankreich triumphierten am Ende die Populisten. So auch in Italien.

Die konservativen Volksparteien zerlegten sich immer mehr – und verloren rasant an Bedeutung. Friedrich Merz scheint trotz allem weiter zu glauben, aus dem gefährlichen Spiel mit den Rechten als Sieger hervorgehen zu können.

Merz' Rhetorik, Aiwanger, Thüringen – Brandmauer ist eingerissen

Dabei ist eine Entscheidung in der Union nach all den Dammbrüchen der letzten Zeit – Merz‘ Rhetorik, Hubert Aiwanger, Thüringen – längst überfällig: Ist Antifaschismus weiter ein unumstößlicher Wert dieser konservativen Partei oder nur noch Verhandlungsmasse im politischen Machtkampf? Die Brandmauer, so viel ist seit Thüringen klar, ist jedenfalls bereits eingerissen.

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