Aus Flasche trinken, Süßes essenDarf man im Supermarkt Waren benutzen, bevor man sie bezahlt?

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Frau probiert eine Erdbeere im Supermarkt.

Probieren, ob die Erdbeeren auch süß sind – gibt es dafür Ärger im Supermarkt?

Darf man Waren, die man einkauft, schon vor dem Bezahlen verzehren? Wie die Rechtslage ist, sagt Anwalt Martin W. Huff in seiner Rechtskolumne.  

Immer wieder sehe ich im Supermarkt Kunden, die noch im Geschäft aus einer Wasserflasche trinken, bevor sie bezahlt ist. Oder Mütter, die ihren Kindern die Süßigkeiten geben und später die leere Packung bezahlen. Darf man das?

Die Rechtslage ist eindeutig: Die Ware im Supermarkt ist Eigentum des Betreibers, bis sie an der Kasse bezahlt ist. Erst danach geht das Eigentum auf den Kunden über. Und erst dann darf der Kunde über die Ware verfügen, zum Beispiel sie öffnen und verzehren. Wer also die Ware schon vor der Bezahlung verbraucht, begeht rechtlich einen Diebstahl.

Dazu führt Paragraf 242 des Strafgesetzbuchs (StGB) aus, dass derjenige einen Diebstahl begeht, der den Gewahrsam (also die Befugnis, über einen Gegenstand zu verfügen) eines anderen bricht und eigenen Gewahrsam begründet. Das Verzehren der Ware ist eine solche Begründung eines neuen Gewahrsams.

Dabei ist es unerheblich, ob ein Strafmündiger (also ein über 14-Jähriger) dies selbst tut oder die Ware einem anderen gibt, etwa einem Kind. Und vorsätzlich ist eine solche Tat immer, denn man weiß schließlich, dass man Ware nicht einfach wegnehmen darf.

Viele Supermärkte sind hier aber kulant und sehen dann keine Strafbarkeit, wenn die geöffnete Ware eindeutig und offen an der Kasse vorgezeigt und auch bezahlt wird.
Martin W. Huff

Hat die Ware einen Wert von unter 50 Euro, wird sie von den Staatsanwaltschaften nur verfolgt, wenn von Seiten des Eigentümers ein Strafantrag gestellt wird oder wenn die Staatsanwaltschaft wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn bei einem Täter schon Vorstrafen vorhanden sind oder andere Umstände hinzukommen.

Viele Supermärkte sind hier aber kulant und sehen dann keine Strafbarkeit, wenn die geöffnete Ware eindeutig und offen an der Kasse vorgezeigt und auch bezahlt wird. Dies funktioniert natürlich nicht, wenn etwa offene Ware verzehrt wird – wie Gemüse oder Obst, was abgewogen werden muss. Denn dann ist ja die Bezahlung im eigentlichen Sinn nicht mehr möglich.

Fast immer unausweichlich als Diebstahl gewertet wird es auch, wenn im Supermarkt jemand etwas aus einer Packung entnimmt und sie dann wieder zurückstellt. Oft wird dies durch Ladendetektive aufgedeckt. Meistens folgt dann eine Strafanzeige. Bei einer Ersttat wird das Verfahren meist gegen eine Geldauflage nach Paragraf 153a StGB eingestellt. Kommt es aber zu Wiederholungen, ist eine deutliche Geldstrafe die Folge.

Es gilt im Supermarkt immer der Preis, der an der Kasse angezeigt wird
Martin W. Huff

Ein Hinweis noch zum Schluss: Es gilt im Supermarkt immer der Preis, der an der Kasse angezeigt wird. Dies ist der Moment, in dem das Geschäft dem Kunden das Angebot eines Kaufvertrags unterbreitet. Wenn man den Preis dann nicht akzeptieren möchte, kommt auch kein Kaufvertrag zustande. Aber: Fällt der Preis an der Kasse höher aus, als an der Ware deklariert, sollte man klären, warum dies so ist. Denn es gibt verschiedene Ursachen für diese Differenz: So kann es sein, dass eine Sonderaktion zwar an der Ware, nicht aber im Kassensystem hinterlegt ist. Dann sind die Supermärkte meistens bereit, den niedrigeren Preis zu berechnen.

Hier gibt es auch eine wettbewerbsrechtliche Komponente: Ich darf als Händler nicht mit einem niedrigeren Preis an der Ware werben, dann aber an der Kasse mehr verlangen. Liegt indes ein Fehler im System vor, was bei der Vielzahl der Artikel ja vorkommen kann, dann gilt der vom Markt verlangte Preis.

Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de

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